Arbeitsrecht -

BAföG beschränkt die Freizügigkeit europäischer Studenten

Der EuGH hat entschieden, dass § 5 BAföG eine ungerechtfertigte Beschränkung der Freizügigkeit darstellt.

Die Bestimmung, die die Gewährung von Ausbildungsförderung für ein Studium in einem anderen Mitgliedstaat davon abhängig macht, dass mit diesem Studium ein mindestens einjähriges Studium in Deutschland fortgesetzt wird, ist geeignet, Unionsbürger von der Inanspruchnahme der Freizügigkeit abzuhalten.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Mit dem Urteil hat der EuGH über einen Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Aachen entschieden, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Frau Morgan, eine deutsche Staatsbürgerin, besuchte das Gymnasium in Deutschland und zog nach bestandener Abiturprüfung nach Großbritannien, wo sie ein Jahr als Au-pair-Kraft arbeitete, bevor sie dort ein Hochschulstudium aufnahm, für das sie bei den deutschen Behörden Ausbildungsförderung beantragte. Diese Förderung wurde ihr verweigert, weil die deutsche Regelung ihre Gewährung davon abhängig macht, dass die Ausbildung die Fortsetzung eines mindestens einjährigen Besuchs einer deutschen Ausbildungsstätte darstellt.

Frau Bucher, ebenfalls deutsche Staatsangehörige, wohnte bei ihren Eltern in Bonn, bis sie sich dafür entschied, nach Düren nahe der niederländischen Grenze umzuziehen und ein Studium in der niederländischen Stadt Heerlen aufzunehmen. Ihr wurde die Ausbildungsförderung versagt, weil sie keinen „ständigen“ Wohnsitz an einem grenznahen Ort habe, wie dies die deutsche Regelung verlange.

Das Verwaltungsgericht Aachen, bei dem die beiden Studentinnen Klage erhoben, hat den Gerichtshof um Beantwortung der Frage ersucht, ob der Voraussetzung, dass mit dem Studium im Ausland eine mindestens einjährigen Ausbildung in Deutschland fortgesetzt wird, die Freizügigkeit der Unionsbürger entgegensteht.

Die Entscheidung des EuGH:

Die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Gestaltung ihrer jeweiligen Bildungssysteme muss unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Freizügigkeit der Unionsbürger, ausgeübt werden.

Soweit Auszubildende grundsätzlich bei einer Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat eine Ausbildungsförderung in Anspruch nehmen können, dürfen die Modalitäten zur Bewilligung der Förderung die Freizügigkeit nicht ungerechtfertigt beschränken.

Die doppelte Voraussetzung, eine mindestens einjährige Ausbildung in Deutschland absolviert zu haben und ausschließlich diese Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat fortzusetzen, ist jedoch wegen der persönlichen Unannehmlichkeiten, zusätzlichen Kosten und etwaigen Verzögerungen, die sie mit sich bringt, geeignet, Unionsbürger vom Verlassen Deutschlands abzuhalten, um einer Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat nachzugehen. Sie stellt daher eine Beschränkung der Freizügigkeit der Unionsbürger dar.

Die Beschränkung der Freizügigkeit ist nicht gerechtfertigt.

Der Gerichtshof räumt ein, dass das Bestreben, sicherzustellen, dass die Studenten ihr Studium rasch abschließen, einen legitimen Zweck im Rahmen der Organisation des Bildungssystems darstellen kann. Das Erfordernis einer ersten Ausbildungsphase in Deutschland erscheint jedoch zur Erreichung dieses Zwecks nicht geeignet.

Das Erfordernis der Fortsetzung der Ausbildung in Deutschland durch diejenige im Ausland ist dem Ziel nicht angemessen, die Studenten in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob sie für ihr Studium „die richtige Wahl“ getroffen haben. Dieses Erfordernis kann nämlich Studenten daran hindern, in einem anderen Mitgliedstaat einer anderen Ausbildung als der in Deutschland absolvierten nachzugehen. Bei Ausbildungsgängen, für die es in Deutschland keine Entsprechung gibt, werden die betroffenen Studenten gezwungen, zwischen dem Verzicht auf die vorgesehene Ausbildung und dem Verlust der Ausbildungsförderung zu wählen.

Um zu verhindern, dass die Gewährung von Ausbildungsförderung an Studenten, die ein Studium in anderen Mitgliedstaaten absolvieren möchten, zu einer übermäßigen Belastung für den Staatshaushalt wird, ist ein Mitgliedstaat zwar grundsätzlich berechtigt ist, die Bewilligung der Förderung an den Nachweis zu koppeln, dass sich die Studenten bis zu einem gewissen Grad in seine Gesellschaft integriert haben. Das Erfordernis einer ersten Ausbildungsphase ist jedoch zu allgemein und einseitig, da es einem Gesichtspunkt unangemessen hohe Bedeutung beimisst, der nicht notwendig für den Grad der Integration in die Gesellschaft dieses Mitgliedstaats zum Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsförderung repräsentativ ist.

Der Gerichtshof verwirft auch das Vorbringen der Bundesregierung, das Erfordernis einer ersten Ausbildungsphase sei notwendig, um die Kumulierung von durch verschiedene Mitgliedstaaten gewährten Beihilfen zu verhindern. Dieses Erfordernis zielt, so das Urteil, keineswegs darauf ab, eine etwaige Kumulierung zu verhindern oder anzurechnen. Daher kann nicht geltend gemacht werden, dass es für sich genommen geeignet oder notwendig wäre, um eine Kumulierung solcher Beihilfen zu verhindern.

Auf der Internetseite des EuGH können Sie das Urteil im Volltext nachlesen.

Quelle: EuGH - Pressemitteilung vom 23.10.07