Arbeitsrecht -

EUGH zu befristeten Arbeitsverträgen

Der EUGH hat die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ausgelegt.

Er konsolidiert damit den Schutz der Arbeitnehmer. Die Verwendung aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge muss demnach – auch im öffentlichen Sektor – bestimmte strenge Voraussetzungen erfüllen.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Hintergrund:

Mit der Richtlinie 1999/70 soll die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen (EGB, UNICE und CEEP) geschlossene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durchgeführt werden. Diese Rahmenvereinbarung soll einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert. Sie sieht vor, dass „sachliche Gründe" die Verlängerung aufeinander folgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse rechtfertigen können. Sie bestimmt außerdem, dass die Mitgliedstaaten festlegen, unter welchen Bedingungen befristete Beschäftigungsverhältnisse als ‚aufeinander folgend‘ zu betrachten sind bzw. als unbefristete Verhältnisse zu gelten haben. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie lief am 10. Juli 2001 ab, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um höchstens ein Jahr.

Die Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie in griechisches Recht wurden im April 2003 verspätet erlassen. Für die im Privatsektor Beschäftigten sehen diese Vorschriften vor, dass die unbegrenzte Verlängerung befristeter Arbeitsverträge rechtmäßig ist, wenn sie durch einen objektiven Grund gerechtfertigt wird, und dass ein solcher objektiver Grund u. a. dann vorliegt, wenn der Abschluss eines befristeten Vertrags durch eine Gesetzes- oder eine Verordnungsvorschrift vorgeschrieben ist. Als „aufeinander folgend" sind nach diesen Vorschriften befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse anzusehen, die zwischen demselben Arbeitgeber und demselben Arbeitnehmer mit gleichen oder ähnlichen Arbeitsbedingungen zustande kommen, und zwischen denen kein längerer Zeitraum als zwanzig Werktage liegt. Die für die im öffentlichen Sektor Beschäftigten geltende Regelung schließt die Möglichkeit der Umwandlung eines befristeten Vertrages in einen unbefristeten Vertrag uneingeschränkt aus.


Sachverhalt:

Herr Adeneler und 17 weitere Kläger hatten mit ELOG, einer dem öffentlichen Sektor zuzurechnenden juristischen Person des Privatrechts mit Sitz in Thessaloniki, jeweils mehrere aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge geschlossen, die schließlich ausliefen, ohne erneuert zu werden. Alle diese Verträge waren für die Dauer von jeweils acht Monaten geschlossen, wobei zwischen den Verträgen unterschiedliche Zeiträume lagen, die von 22 Tagen bis zu 10 Monaten und 26 Tagen reichten. Um feststellen zu lassen, dass diese Verträge als unbefristete Arbeitsverträge anzusehen seien, erhoben die Arbeitnehmer Klage beim Monomeles Protodikeio Thessaloniki, der dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vier Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.


Entscheidung:

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Richtlinie 1999/70 und die Rahmenvereinbarung auch auf befristete Arbeitsverträge und -verhältnisse anwendbar sind, die mit Behörden oder anderen Stellen des öffentlichen Sektors geschlossen werden, und stellt fest, dass die Rahmenvereinbarung von der Prämisse ausgeht, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses sind. In diesem Sinne soll die Rahmenvereinbarung dem wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge, der als eine Quelle potenziellen Missbrauchs zu Lasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einen Rahmen setzen, indem sie eine Reihe von Mindestschutzbestimmungen vorsieht, die verhindern sollen, dass sich die Lage der Beschäftigten verschlechtert. Nach der Rahmenvereinbarung soll die aus objektiven Gründen erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge helfen, Missbrauch zu vermeiden. Hingegen entspricht der Rückgriff auf aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge, der allein darauf gestützt wird, dass er in einer allgemeinen Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, nicht dem Schutzzweck der Rahmenvereinbarung. Der Begriff „sachliche Gründe" setzt voraus, dass konkrete Gesichtspunkte vorliegen, die vor allem mit der betreffenden Tätigkeit und den Bedingungen ihrer Ausübung zusammenhängen.

Der Gerichtshof führt weiter aus, dass es nach der Rahmenvereinbarung zwar den Mitgliedstaaten überlassen ist, zu bestimmen, wann Verträge als aufeinander folgend gelten, dass deren Spielraum jedoch nicht unbegrenzt ist, da er auf keinen Fall so weit reicht, dass das Ziel oder die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung in Frage gestellt wird. Eine nationale Bestimmung, nach der nur solche befristeten Arbeitsverträge als „aufeinander folgend" gelten, die höchstens 20 Werktage auseinander liegen, ist geeignet, den Sinn und Zweck sowie die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung zu unterlaufen. Bei einer derart starren und restriktiven Definition besteht nicht nur die Gefahr, dass eine große Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse vom Arbeitnehmerschutz nach der Richtlinie und der Rahmenvereinbarung ausgeschlossen werden, sondern auch, dass den Arbeitgebern eine missbräuchliche Inanspruchnahme solcher Verhältnisse ermöglicht wird.

Der Gerichtshof ist ferner der Ansicht, dass die Rahmenvereinbarung der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, die nur im öffentlichen Sektor die Umwandlung aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge, die tatsächlich einen ständigen und dauernden Bedarf des Arbeitgebers decken sollten und als missbräuchlich anzusehen sind, in einen unbefristeten Vertrag uneingeschränkt verbietet, sofern das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats im betreffenden Sektor keine andere effektive Maßnahme enthält, um den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden.

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass die nationalen Gerichte bei verspäteter Umsetzung einer Richtlinie in die Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats und bei Fehlen unmittelbarer Wirkung ihrer einschlägigen Bestimmungen verpflichtet sind, das innerstaatliche Recht ab dem Ablauf der Umsetzungsfrist so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und des Zweckes der betreffenden Richtlinie auszulegen, um die mit ihr verfolgten Ergebnisse zu erreichen, indem sie die diesem Zweck am besten entsprechende Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften wählen und damit zu einer mit den Bestimmungen dieser Richtlinie vereinbaren Lösung gelangen. Die Gerichte der Mitgliedstaaten müssen es jedoch ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie soweit wie möglich unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Zieles nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde.

Quelle: EUGH - Pressemitteilung vom 04.07.06