Arbeitsrecht -

Hätten Sie es gewusst?

Frage:
Wann muss der Arbeitgeber bei Bestehen eines freien Arbeitsplatzes eine betriebsbedingte Änderungskündigung, wann darf er eine Beendigungskündigung aussprechen?

Antwort:
Das ultima-ratio-Prinzip zwingt den Arbeitgeber, vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer die Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen anzubieten (BAG, Urt. v. 21.04.2005 – 2 AZR 132/04).{DB:tt_content:2566:bodytext}

Der Arbeitgeber kann vorab versuchen, die Änderung einvernehmlich herbeizuführen, hierzu ist er aber nicht verpflichtet. Es steht ihm frei, unmittelbar eine Änderungskündigung auszusprechen.

Versucht der Arbeitgeber eine einvernehmliche Lösung und nimmt der Arbeitnehmer das Angebot nicht an, ist der Arbeitgeber gleichwohl dazu gezwungen, vor Ausspruch einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung auszusprechen! Es ist nicht Sache des Arbeitgebers oder des Gerichts, die Beurteilung der Zumutbarkeit geänderter Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer durchzuführen. Vielmehr unterliegt es der freien Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er die neuen Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt annehmen will oder diese ablehnt.

Grundsätzlich entbindet auch die vor Ausspruch einer Kündigung erfolgte Ablehnung eines Änderungsangebots den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung zum Ausspruch einer Änderungskündigung. Der Ausspruch einer Änderungskündigung nach Ablehnung eines Änderungsangebots ist danach nur in Ausnahmefällen entbehrlich, eine Beendigungskündigung möglich.

Entweder muss der Arbeitnehmer bei der Ablehnung des Änderungsangebots unmissverständlich zu erkennen gegeben haben, er nehme ein Änderungsangebot unter keinen Umständen an, insbesondere nicht unter Vorbehalt der Überprüfung der sozialen Rechtfertigung. Nur dann ist ein Berufen des Arbeitnehmers  auf die Möglichkeit der Fortsetzung zu geänderten Bedingungen widersprüchlich und damit unbeachtlich. Oder die Änderungen sind so gravierend, dass deren Angebot "eher beleidigenden Charakter gehabt hätte" (BAG, Urt. v. 21.04.2005 – 2 AZR 132/04). In diesem Fall muss der Arbeitgeber schlechterdings nicht mit einer Zustimmung des Arbeitnehmers rechnen (vom Personalchef zum Pförtnergehilfen).

Im entschiedenen Fall des BAG vom 21.04.2005 hätte die Vertragsänderung eine Minderung der geldwerten Bezüge um ca. 100.000 € p.a. auf ca. 65.000 € p.a. bedeutet. Trotz Ablehnung durch den Arbeitnehmer hätte es gleichwohl des Ausspruchs einer Änderungskündigung bedurft, die vom Arbeitgeber ausgesprochene Beendigungskündigung war unwirksam. Es sei nicht auszuschließen, dass der Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen bei berechtigter Änderungskündigung akzeptiert hätte.

Mit dieser Entscheidung hat das BAG den Ausspruch einer rechtssicheren Kündigung erheblich aufwändiger gemacht. Die Auffassung aus dem Urteil vom 27.09.1984   2 AZR 62/83 wurde ausdrücklich aufgehoben. Im Grundsatz hat der Arbeitgeber damit jeden freien Arbeitsplatz im Wege einer Änderungskündigung anzubieten. Andernfalls läuft er Gefahr, dass eine Beendigungskündigung unwirksam ist. Eine Heilung mit dem Argument der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu veränderten Bedingungen, die der Arbeitnehmer sowieso abgelehnt hätte, ist dem Arbeitgeber in Zukunft bis auf extreme Ausnahmefälle verwehrt.

Quelle: Deubner Redaktion - Urteilsbesprechung vom 20.04.06