Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Neuregelungen zum 1. April 2007

Am 1. April traten eine Reihe von gesetzlichen und sonstigen Neuregelungen in Kraft.

Im Einzelnen handelt es sich um die Gesundheitsreform, steuerliche Anreize für die Nachrüstung von Diesel-Pkw, neue Möglichkeiten befristeter Arbeitsverträge in der Wissenschaft, das Saison-Kurzarbeitergeld im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau, die Umweltverträglichkeit von Wasch- und Reinigungsmitteln, die deutsch-polnische Vereinbarung über Umweltverträglichkeitsprüfung,den besseren Schutz vor Fluglärm, den Schutz vor Stalking und den Pfändungsschutz bei der Altersvorsorge Selbstständiger.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Gesundheitsreform

Am 1. April tritt das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) in Kraft.

Mit der Gesundheitsreform wird ab dem 1. April 2007 schrittweise die Krankenversicherungspflicht für alle eingeführt. Ab 2009 muss sich jeder gegen Krankheit absichern. Wer den Krankenversicherungsschutz verloren hat, kehrt in seine letzte Krankenversicherung zurück – die gesetzliche oder die private. In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt die Versicherungspflicht bereits ab 1. April 2007.

In der privaten Krankenversicherung können sich Nichtversicherte ab dem 1. Juli 2007 ohne Risikozuschläge versichern, zunächst zum Standardtarif und ab 2009 in einem neuen Basistarif.

Weiterhin treten zahlreiche Neuerungen zur Ausweitung der medizinischen Versorgung in Kraft. Dazu gehören:

  • Die ambulante Versorgung durch Krankenhäuser wird ausgeweitet.
  • Die Palliativversorgung wird ausgebaut.
  • Für Träger von Kinderhospizen gibt es finanzielle Verbesserungen.
  • Es besteht Anspruch auf geriatrische Rehabilitation sowie auf alle anderen medizinischen Reha-Leistungen.
  • Impfungen und Vater-/Mutter-Kind-Kuren sind Pflichtleistungen.
  • Die betriebliche Gesundheitsförderung wird gestärkt.
  • Die Übergänge vom Krankenhaus in die Rehabilitation und Pflege werden verbessert. Die häusliche Krankenpflege in Wohngemeinschaften und anderen neuen Wohnformen wird erstattungsfähig.
  • Rehabilitationseinrichtungen werden zertifizierungspflichtig.
  • Eine fachlich unabhängige Institution wird mit der Messung, Darstellung und Dokumentation der Versorgungsqualität in allen Versorgungsbereichen beauftragt.

Neu ist auch, dass die Versicherten mehr Verantwortung tragen. Sie müssen sich an den Folgekosten für medizinisch nicht indizierte Maßnahmen (Schönheitsoperationen) finanziell beteiligen.

Der flächendeckende Ausbau der Integrierten Versorgung wird gefördert. Hierbei erhalten Krankenkassen die Möglichkeit, ihren Versicherten eine abgestimmte Versorgung anzubieten. Dabei wirken Haus- und Fachärzte, ärztliche und nichtärztliche Leistungserbringer, ambulanter und stationärer Bereich und auch Apotheken koordiniert zusammen. Die Pflegeversicherung wird in die Integrierte Versorgung eingebunden.

Bei Arzneimitteln wird eine Kosten-Nutzen-Bewertung eingeführt. Besonders teure Medikamente werden nur noch verordnet, wenn der behandelnde Arzt zuvor eine ärztliche Zweitmeinung eingeholt hat. Die Abgabe von Einzeltabletten wird möglich.

Weitere Neuerungen sind: besserer Schutz der Arzneimitteldaten, Anhebung des Apothekenrabatts und besondere Anforderungen für Anwendungsbeobachtungen. Nicht benutzte, zentral bevorratete Betäubungsmittel in Gemeinschaftseinrichtungen (Hospizen, Pflegeheimen) dürfen weitergegeben werden. All dies führt zu erheblich mehr Wirtschaftlichkeit bei der Arzneimittelversorgung.

Es gibt deutlich erweiterte Wahlmöglichkeiten für die Versicherten.

Die Krankenkassen müssen ab 1. April 2007 Tarife für die Teilnahme der Versicherten an folgenden besonderen Versorgungsformen anbieten:

  • Integrierte Versorgung,
  • besondere ambulante ärztliche Versorgung,
  • strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten (DMP),
  • Modellvorhaben und
  • hausarztzentrierte Versorgung.

Wer als Versicherter an einer besonderen Versorgungsform teilnehmen will, bekommt einen Wahltarif angeboten. Die Entscheidung ist freiwillig. Im Wahltarif kann die Kasse vorsehen, dass die Versicherten entweder eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen für die Teilnahme erhalten.

Die Kassen können außerdem anbieten:

  • Selbstbehalttarife,
  • Tarife für Nichtinanspruchnahme von Leistungen,
  • Variable Kostenerstattungstarife und
  • Tarife, die eine Kostenübernahme für von der Regelversorgung ausgeschlossene Arzneimittel von besonderen Therapieeinrichtungen beinhalten.

Bei „Selbstbehalttarifen“ verpflichtet sich das Mitglied, einen Teil der Behandlungskosten selbst zu übernehmen. Im Gegenzug kann das Mitglied von seiner Kasse eine im Wahltarif vereinbarte Prämie erhalten.

Bei „Tarifen für Nichtinanspruchnahme von Leistungen“ nehmen das Mitglied und seine Familienversicherten ein Jahr lang keine Leistungen der Kasse in Anspruch. Auch hier erhält das Mitglied dafür eine Prämie. Diese ist begrenzt auf ein Zwölftel seines Jahresbeitrages.

Für alle Tarife, die die Kasse freiwillig anbieten kann, gilt eine Mindestbindungsfrist von drei Jahren. Das heißt, die Versicherten legen sich für diesen Zeitraum auf einen solchen Tarif gegenüber ihrer Krankenkasse fest. Die Krankenkasse kann vor Ablauf dieser Zeit auch nur in Härtefällen gewechselt werden.

Weitere Neuerungen zielen ab auf mehr Wirtschaftlichkeit, mehr Wettbewerb und weniger Bürokratie. So werden zum Beispiel Maßnahmen gegen den Missbrauch der Versichertenkarten entwickelt. Kassenübergreifende Fusionen sind möglich.

Steuerliche Anreize für die Nachrüstung von Diesel-Pkw

Mit Rußfilter nachgerüstete Diesel-Pkw werden steuerlich gefördert. Vor allem in Ballungsgebieten soll die Nachrüstung zur Verminderung der Feinstaubbelastung und den damit verbundenen gesundheitlichen Gefährdungen beitragen.

Die Steuerbefreiung von 330 Euro bietet einen Anreiz, in alte Diesel-Pkw moderne Filtertechnik einzubauen. Die Steuergutschrift deckt etwa 50 Prozent der Nachrüstungskosten von durchschnittlich 600 Euro.

Generell werden Nachrüstungen vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009 gefördert. Beim Wechsel des Fahrzeughalters soll der neue Eigentümer eine noch nicht abgelaufene Steuerbefreiung übernehmen können.

Fahrzeughalter, die ihren Diesel (Erstzulassung vor dem 1. Januar 2007) bereits im Jahr 2006 nachgerüstet haben, erhalten die Steuerbefreiung rückwirkend. Sie wird jedoch erst gewährt, wenn die Kfz-Zulassungsstelle die technische Nachrüstung festgestellt hat. Sie gilt so lange, bis der Betrag von 330 Euro erreicht ist.

Die Zulassungsstellen melden den Finanzämtern die Nachrüstung. Damit entfällt eine eigene Schlüsselnummer in den Fahrzeugpapieren.

Es werden keine bestimmten Filtertechniken gefördert. Vielmehr geht es darum, technikneutrale Anreize zu schaffen - für Fahrzeuge mit einem möglichst geringen Partikelausstoß. Die technischen Anforderungen sind in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung geregelt.

Technische Lösungen, die den empfohlenen Grenzwert einhalten, sind bereits vorhanden. Zunehmend werden sie von den Automobilherstellern auch eingesetzt. Die deutsche Automobilindustrie hat zugesagt, alle neuen PKW spätestens ab Ende 2008 beziehungsweise Anfang 2009 mit einem Dieselpartikelfilter auszurüsten.

Für nicht nachgerüstete Fahrzeuge (Erstzulassung vor dem 1. Januar 2007) und Neuwagen ohne Filter wird die Kfz-Steuer erhöht: um 1,20 Euro je 100 Kubikzentimeter Hubraum. Das gilt auch für Wagen der Euro-4-Abgasnorm, sofern sie nicht den Partikelgrenzwert von 0,005 g/km der geplanten Euro-5-Norm einhalten.

Neue Möglichkeiten befristeter Arbeitsverträge in der Wissenschaft

Zeitlich befristete Forschungsprojekte gehören weltweit zum Karriereweg von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Mit dem neuen „Gesetz zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft“ werden die bisherigen Möglichkeiten für die Befristung eines Arbeitsvertrags erweitert.

Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen finanzieren ihre zeitlich befristeten Forschungsprojekte zunehmend über Drittmittel. Daher sind sie auch in steigendem Maße darauf angewiesen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befristet zu beschäftigen. Arbeitsrechtliche Vorschriften schränkten diese Möglichkeiten stark ein, was nicht im Sinne der Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler war. Künftig können Befristungen sich über 12 beziehungsweise 15 Jahre addieren.

Die neuen Befristungsregelungen werden zusätzlich um eine familienpolitische Komponente ergänzt: Bei Betreuung von Kindern verlängert sich die zulässige Befristungsdauer in der Qualifizierungsphase um zwei Jahre je Kind.

Kurzarbeitergeld im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau

Zum 1. Dezember 2006 wurde das so genannte Saison-Kurzarbeitergeld eingeführt. Damit wird einem Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten entgegen gewirkt:

Das neue Leistungssystem schafft die Grundlagen dafür, Arbeitnehmer bei saisonbedingten Arbeitsausfällen in den Wintermonaten fortzubeschäftigen. Entlassungen und Winterarbeitslosigkeit können seitdem im Bau­hauptgewerbe und Dachdeckerhandwerk stärker vermieden werden.

Zum 1. April werden die materiellen und finanziellen Grundlagen für die vollständige Einbeziehung des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus in das Saison-Kurzarbeitergeld-System geschaffen. Sie greifen ab der kommenden Schlechtwetterzeit, beginnend am 1. Dezember 2007.

Bisher galt eine Übergangsvorschrift, nach der Betriebe der genannten Branche Saison-Kurzarbeitergeld unter den ungünstigeren Bedingungen der alten Winterbauförderung zahlen konnten.

Besserer Schutz vor Fluglärm

Zum 1. April tritt die Novellierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm, das aus dem Jahr 1971 stammt und seither nahezu unverändert geblieben ist, in Kraft. Menschen mit Wohnsitz in der Umgebung von größeren zivilen und militärischen Flugplätzen werden damit deutlich besser vor Fluglärm geschützt. Gleichzeitig wird ein auf Dauer tragfähiger Ausgleich der Belange der Luftfahrt einerseits sowie der berechtigten Lärmschutzinteressen der betroffenen Flugplatzanwohner andererseits erreicht.

Bei der deutlichen und durchgängigen Verschärfung der Grenzwerte für die Schutzzonen um 10 bis 15 Dezibel wurde der aktuelle Stand der Lärmwirkungsforschung berücksichtigt. An Flughäfen mit relevantem Nachtflugbetrieb müssen erstmals auch spezifische Nacht-Schutzzonen festgelegt werden. Ziel ist es, die von Nachtfluglärm betroffenen Menschen vor Schlafstörungen zu schützen.

Stalking-Gesetz tritt in Kraft

Das Gesetz zum strafrechtlichen Schutz von Stalking-Opfern ist im Bundesgesetzblatt verkündet worden und tritt am 31. März 2007 in Kraft.

Der neue Straftatbestand in § 238 des Strafgesetzbuches (StGB) hat folgenden Wortlaut:

§ 238 Nachstellung

(1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich
1. seine räumliche Nähe aufsucht,
2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen,
4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht, oder
5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Das Gesetz sieht neben dieser Ergänzung des StGB auch eine Änderung der Strafprozessordnung (StPO) vor. Dort wird u.a. der Haftgrund der Wiederholungsgefahr des § 112a StPO insoweit ergänzt, als in schwerwiegenden Fällen auch gegen gefährliche Stalking-Täter die Untersuchungshaft angeordnet werden kann, wenn schwere Straftaten gegen Leib und Leben zu befürchten sind.

Die neue Vorschrift ist auf Handlungen, die vor ihrem Inkrafttreten begangen worden sind, nicht anwendbar.

Altersvorsorge Selbstständiger künftig unter Pfändungsschutz

Das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge im Bundesgesetzblatt verkündet worden und tritt am 31. März 2007 in Kraft.

Mit der Gesetzesnovelle ist der Weg frei für eine abgesicherte Altersvorsorge Selbstständiger. Der Pfändungsschutz für Altersvorsorgeverträge, insbesondere Lebens- und private Rentenversicherungen, wird deutlich verbessert. Künftig sind diese Formen der Altersvorsorge vor dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger genauso geschützt wie etwa die Rente oder Pensionen bei abhängig Beschäftigten.

Im Vergleich zu Arbeitseinkommen genossen die Einkünfte Selbstständiger bislang keinen Pfändungsschutz. Sie unterfielen, selbst wenn sie ausschließlich der Alterssicherung dienten, der Einzel- oder Gesamtvollstreckung. Diesem Risiko ist der Empfänger von Leistungen aus einer gesetzlichen oder betrieblichen Rentenversicherung nicht ausgesetzt. Ihm verbleiben die Rentenansprüche aus der Rentenversicherung, die nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können.

In Einzelfällen konnte die bisherige Gesetzeslage dazu führen, dass Selbstständige ihre gesamte Alterssicherung verloren und im Alter dann auf staatliche Unterstützung angewiesen waren. Das ab morgen geltende Gesetz sichert daher nicht nur das Existenzminimum Selbstständiger im Alter, sondern entlastet auch den Staat von Sozialleistungen.

Quelle: Bundesregierung - Pressemitteilung vom 29.03.07