Arbeitsrecht -

Rückwirkende Verschlechterung des Tarifentgelts

Das Bundesarbeitsgericht hat zur rückwirkenden Verschlechterung des Tarifentgelts durch einen Sanierungstarifvertrag entschieden.

Die Tarifvertragsparteien können demnach einen Tarifvertrag während seiner Laufzeit rückwirkend ändern und in tarifliche Rechte eingreifen. Dieser Gestaltungsspielraum ist aber begrenzt, schutzwürdiges Vertrauen der Normunterworfenen darf nicht verletzt werden.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Ob und ggf. mit Wirkung zu welchem Zeitpunkt die Tarifunterworfenen mit einer rückwirkenden Regelung rechnen müssen, ihr also kein schützenswertes Vertrauen entgegenstellen können, ist eine Frage des Einzelfalles. In der Regel müssen Beschäftigte nicht damit rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig sind. Anders ist dies nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarifvertragsparteien verschlechternd in diesen Anspruch eingreifen werden.

Sachverhalt:

Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers mit seiner ursprünglichen Arbeitgeberin, der Beklagten, fanden die Tarifverträge für die Metallindustrie NRW Anwendung, die zum 1. März 2004 eine Tariferhöhung von 2,2 % vorsahen. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Beklagten verhandelten die Tarifvertragsparteien über einen Sanierungstarifvertrag. In einem Informationsschreiben des Betriebsrats an die Belegschaft vom 2. April 2004 wurde den Beschäftigten mitgeteilt, dass die Beklagte ua. mitgeteilt habe, die Tariferhöhung zum 1. März 2004 und das tarifliche Urlaubsgeld solle in einem Sanierungstarifvertrag für 2004 neu geregelt werden. Am 23. Juli 2004 vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Transfersozialplan, die umfangreiche organisatorische Änderungen im Betrieb und die Kündigung von 34 namentlich benannten Beschäftigten mit dem Angebot des Wechsels zu einer Transfergesellschaft für die Dauer der Kündigungsfrist und die Zahlung einer Abfindung vorsahen. Diesen Regelungen entsprechend schied der Kläger auf Grund Aufhebungsvertrages zum 30. Juni 2004 bei der Beklagten aus und wechselte befristet bis zum 30. Juni 2005 in die Transfergesellschaft. Am 3. November 2004 kam ein von Gewerkschaft und Arbeitgeberverband abgeschlossener Sanierungstarifvertrag für die Beklagte zustande, der mehrere tarifliche Ansprüche für die Jahre 2004 und 2005 verschlechterte. Für betroffene Arbeitnehmer wie den Kläger, auf dessen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten der Sanierungstarifvertrag kraft arbeitsvertraglicher Verweisung noch Anwendung fand, waren die Änderungen auf den Wegfall der Tariferhöhung ab 1. März 2004 und der zusätzlichen Urlaubsvergütung beschränkt. Mit seiner Klage macht der Kläger für die Zeit bis zu seinem Ausscheiden bei der Beklagten die ihm nicht gewährte Tariferhöhung sowie die zusätzliche tarifliche Urlaubsvergütung geltend.

Entscheidung:

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, inwieweit durch den Sanierungstarifvertrag wirksam in die Rechte des Klägers aus den Flächentarifverträgen eingegriffen werden konnte. Es steht wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht ausreichend fest, inwieweit das schützenswerte Vertrauen des Klägers auf uneingeschränkten Erwerb und Bestand der tariflichen Rechte beseitigt worden war.

Quelle: BAG - Pressemitteilung vom 11.10.06