Arbeitsrecht -

Verlängerte Kündigungsfristen für arbeitnehmerähnliche Personen

§ 622 Absatz 2 BGB sieht Kündigungsfristen bis zu sieben Monaten vor. Er gilt unmittelbar aber nur für Arbeitnehmer.

Ob die Regelung entsprechend auch für arbeitnehmerähnliche Personen anzuwenden ist, ist seit langem in der Rechtswissenschaft umstritten und durch Rechtsprechung noch nicht geklärt. Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 29.05.2006 entschieden, dass die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 BGB auch für arbeitnehmerähnliche Personen gelten.{DB:tt_content:2566:bodytext}

In dem entschiedenen Fall handelte es sich um einen Frachtführer, der mit zwei Fahrzeugen gemeinsam mit seiner Ehefrau seit langem für einen Auftraggeber fuhr. Das Firmenlogo des Auftraggebers befand sich auf den Fahrzeugen.

Der Auftraggeber hatte den zugrundeliegenden Rahmenvertrag nach mehr als 15-jähriger Zusammenarbeit am 29.11.2004 zum 31.12.2004 gekündigt. Der Frachtführer hatte dagegen Kündigungsschutzklage erhoben mit der Begründung, er sei Arbeitnehmer. 

Dies sah das LAG Köln anders. Für ein Arbeitsverhältnis fehle es u.a. an der erforderlichen persönlichen Abhängigkeit des Klägers, da dieser nach dem Vertrag die Arbeitsleistung nicht persönlich erbringen musste. Ihm war gestattet, Hilfskräfte einzusetzen.

Das Landesarbeitsgericht sah ihn vielmehr als arbeitnehmerähnliche Person an. Nach den von der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen sind arbeitnehmerähnliche Personen zwar nicht Arbeitnehmer, sondern Selbständige. Sie erbringen aber tatsächlich im Wesentlichen ohne weitere Mitarbeiter für einen Auftraggeber dauerhaft Leistungen, sind von diesem wirtschaftlich abhängig und wie Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig. Maßgebend sind damit die tatsächlichen Umstände und nicht die theoretisch im Vertrag eingeräumten Möglichkeiten. Die Voraussetzungen waren hier gegeben.

Aber auch als arbeitnehmerähnliche Person räumte das Gericht dem Kläger aber in entsprechender Anwendung des § 622 Abs. 2 BGB eine Kündigungsfrist von sechs Monaten ein. Es begründet seine Auffassung wie folgt:

Für einen Hauptanwendungsfall der arbeitnehmerähnlichen Personen, nämlich die Heimarbeiter, habe der Gesetzgeber die Anwendung der verlängerten Kündigungsfristen in § 29 HAG zu den verlängerten Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 BGB festgelegt. Damit sei dem in gleicher Weise vorhandenen Schutzbedürfnis Rechnung getragen worden. Eine langjährig als Heimarbeiter beschäftigte arbeitnehmerähnliche Person sei in gleicher Weise wie ein lanjährig beschäftigter Arbeitnehmer darauf angewiesen, bei einer Beendigung der Vertragsbeziehung ausreichend Zeit zu haben, sich neu zu orientieren.

Nicht ausgeblendet werden könne ferner der Umstand, dass die Rechtsprechung auch in anderen Fällen die analoge Anwendung der verlängerten Kündigungsfristen befürwortet. So sei anerkannt, dass die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB auf Dienstverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern Anwendung finden, die ihre ganze Arbeitskraft in den Dienst ihrer Gesellschaft stellen müssen und keinen beherrschenden Einfluss auf die GmbH haben.

Entscheidend sei, dass die Schutzfunktion des Art. 12 GG auf zugunsten der arbeitnehmerähnlichen Personen eingreife. Der Begriff Arbeitsplatz in Art. 12 GG erfasse nicht nur die Beschäftigung als Arbeitnehmer. Arbeitnehmerähnliche Personen dürften deshalb bei der Kündigung ihres Vertrags aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht völlig schutzlos sein.

Angesichts der vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit einerseits, der grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und arbeitnehmerähnlichen Personen andererseits, sei es sachgerecht, den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen so umzusetzen, dass sie zwar keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz in Anspruch nehmen können, wohl aber die verlängerten Kündigungsfristen nach langjähriger Beschäftigung, die gleichermaßen aus § 622 Abs. 2 BGB wie aus § 29 HAG folgen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

Quelle: LAG Köln - Pressemitteilung vom 21.08.06