Arbeitsrecht -

Wann wird das, was lange währt, auch endlich gut?

Rechtsanwältin Veronika Raithel schildert in Ihrem Artikel den erstaunlichen Verlauf eines eigentlich simplen Gerichtsverfahrens: Aus dem Kanzleialltag einer Anwältin ...

Alles beginnt vollkommen harmlos. Frau X sucht eines Tages im April 2006 die Kanzlei der ihr empfohlenen Rechtsanwältin auf und schildert ihr Anliegen.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Als Mitinhaberin eines kleinen Gastronomiebetriebs wurde ihr vom Arbeitsgericht die Klage eines ehemaligen Mitarbeiters zugestellt. Dieser verlangt die Nachzahlung von Arbeitslohn für die Monate Oktober und November des vergangenen Jahres. Auf Nachfrage ergibt sich, dass besagter Mitarbeiter in diesen Monaten unentschuldigt gefehlt und das Arbeitsverhältnis aufgrund wirksamer Befristung zum 30.11. des vergangenen Jahres sein Ende gefunden hatte. Trotz mehrfacher telefonischer und schriftlicher Versuche, letztere selbstverständlich per Einschreiben/Rückschein, hatte der Mitarbeiter nach einer Erkrankung und nach Ablauf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weder den Dienst angetreten, noch persönlich oder schriftlich Stellung hierzu genommen. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis zum 30.11. ordnungsgemäß abgerechnet und mit Ausnahme der Löhne für die besagten Monate auch alle noch ausstehenden Ansprüche ausgeglichen.

So weit so gut, denkt die Rechtsanwältin – eigentlich ein klarer Fall – und nimmt das Mandat an. Auf die erstaunlich magere Klageschrift hin verfasst sie eine wesentlich umfangreichere Klageschrift. Anders als scheinbar der Klägervertreter, glaubt sie nicht an die telepathischen Fähigkeiten des Gerichts geht in altmodischer Art und Weise davon aus, vor Gericht die entsprechenden Fakten selbst vortragen zu müssen anstatt der Gegenseite ein Ratequiz zu überlassen.

Guten Mutes bricht die Rechtsanwältin schließlich zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht auf. Dort muss sie jedoch feststellen, dass der Klägervertreter, der wohlgemerkt die Klage nach dem üblicherweise mit dem Kläger durchgeführten Beratungsgespräch selbst verfasst hatte, zum Sachverhalt nichts (!) sagen kann. Mit anderen Worten, er weiß zwar nicht, warum sein Mandant klagt, unterstützt ihn dabei aber vollkommen.

Daraufhin beendet das Gericht die Güteverhandlung und beraumt einen neuen Termin an, zu dem das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet wird. Erst auf den Hinweis der Rechtsanwältin, welche Informationen ihre Mandantin denn beitragen könne, wenn es einzig und allein um das Verschinden des Klägers gehe, wird auf das Erscheinen der Beklagten verzichtet.

Der nächst Termin kommt. Wieder sitzt der Klägervertreter vor Gericht, ahnungslos und scheinbar bestürzt, dass sein Mandant nicht erscheint. Die Rechtsanwältin erlaubt sich den Hinweis, dass es sonderbar anmutet, wenn noch nicht einmal der Versuch unternommen wird, die Klage zu begründen. Dies und die Tatsache, dass sich der Kläger aufgrund einschlägiger Tarifvorschriften durch ein unentschuldigtes Fernbleiben schadensersatzpflichtig gemacht hat, lassen den Klägervertreter jedoch unberührt.

Da dieser dann erklärt, sich mit seinem Mandanten in Verbindung setzen zu wollen, bestimmt die Vorsitzende, dass ein neuer Termin nur auf Antrag der Parteien bestimmt wird.

Nun regen sich auch bei der Mandantin langsam erste Zweifel: Warum werde ich von jemandem, der offenbar kein Interesse an einer Klärung hat, vor Gericht gezogen? Und warum unterstützt das Gericht scheinbar nur den Kläger und spricht kein „Machtwort“? Fragen über Fragen!

Nach einigen erfolglosen Versuchen der Rechtsanwältin den Kollegen zu erreichen, erreicht sie ein Fax, in dem ihr mitgeteilt wird, dass der Klägervertreter zwar nicht wisse, wo sein Mandant sei, er das Mandat aber wegen des erhaltenen Vorschusses auch nicht niederlegen könne. Wie schön, denkt sich die Rechtsanwältin, was hat der Kollege doch für ein Glück, dass sein Mandant bei einem Streitwert von 2.300 € Vorschüsse zahlt, die so großzügig sind, dass die scheinbar alle bisherigen Leistungen übersteigen!

Schließlich wendet sich die Rechtsanwältin doch wieder an das Arbeitsgericht. Dieses beschließt, dem Klägervertreter eine Schriftsatzfrist von über drei Monaten (!) zur Äußerung mit entsprechender Erwiderungsfrist für die Gegenseite einzuräumen, so dass der Fall „schwupps“ wieder ein gutes halbes Jahr begraben ist. Selbstverständlich wäre eine kürzere Frist angesichts des nahezu unüberschaubaren Sachverhalts und der juristisch überaus diffizilen Lage nicht zu verantworten und ein Urteil viel zu zeitaufwendig! Ein kurzer knackiger Standardbeschluss tut es doch auch und alle sind zufrieden.

Nicht so die Mandantin, die zur gleichen Zeit, als sie dem Fax des Klägervertreters entnimmt, dass sich sein Mandant im Ausland befindet, in der Zeitung lesen muss, dass ebendieser am Ort des Kanzleisitzes seines Rechtsanwalts ein „Technologiezentrum“ eröffnen will.

Wie nicht anders zu erwarten, verstreicht die großzügige Schriftsatzfrist ungenutzt. Auf mehrmalige schriftliche Hinweise der Rechtsanwältin, erfährt sie schließlich von der Geschäftsstelle, dass die Vorsitzende in Elternzeit sei: „Wenn sie wieder kommt    so gegen Ende Mai    dann kommen auch sie dran, aber ich weiß noch nicht wann.“ Tröstlich!

Die Mandantin hat zwischenzeitlich den Glauben an die Justiz und die Gerechtigkeit verloren.

Nun mag sich der eine oder andere Leser fragen, weshalb sich die Rechtsanwältin so ärgert. Der Streitwert ist nicht überragend und jeder ist schon einmal den Mühlen der Justiz zum Opfer gefallen.

Sicherlich, Fehler passieren jedem. Aber man muss sich doch fragen, ob solche Verhaltensweisen eine gute Werbung für die Anwaltschaft darstellen. Es wird immer „unbeliebte“ und kleine Mandate geben. Aber auch hier gelten die gleichen Rechte, wie für die spannenden Großmandate. Es ist schon schwer genug, den Mandanten die eine oder andere Vorgehensweise der Gerichte zu erklären. Wenn man dem Mandanten dann aber keine anwaltliche Kompetenz zeigt, öffnet man nichtjuristischen Mitbewerbern auf dem Rechtsberatungsmarkt, die mit entsprechendem Service werben, Tür und Tor. Es darf nicht vergessen werden, dass nur ein zufriedener Mandant auch entsprechend weiter empfiehlt und die Mitbewerber längst erkannt haben, dass jede Stimme zählt, um sich behaupten zu können.

Übrigens, was die Rechtsanwältin und ihre Mandantin angeht, so harren diese noch immer - allerdings nicht mehr frohgemut - , der Dinge, die da in Form einer erneut anberaumten Kammerverhandlung kommen mögen.

Erlebniss dieser Art sind nicht ungewöhnlich und sicher können auch Sie die eine oder andere Anekdote zu einem Ihrer Mandate erzählen. Schreiben Sie uns doch und lassen Ihre Kollegen an Ihren Erfahrungen teilhaben!

Quelle: Rechtsanwältin Veronika Raithel - Beitrag vom 14.06.07