Erbrecht -

Anfechtung eines Erbvertrags gem. § 2078 Abs. 2 BGB

BGH, Beschl. v. 09.03.2011 - IV ZB 16/10

Die Anfechtungsfrist nach § 2283 Abs. 2 BGB beginnt mit der Kenntnis vom Anfechtungsgrund. Ein Rechtsirrtum ist beachtlich, wenn er die Unkenntnis einer zur Anfechtung berechtigenden Tatsache zur Folge hat.

Daru geht es:

Die kinderlose Erblasserin verstarb im Juli 2009. Mit ihrem ersten Ehemann schloss sie 1975 einen Erbvertrag, in dem er sie als Alleinerbin und sie dessen beide Kinder aus erster Ehe – die Beteiligte zu 3 und eine schon vorverstorbene Tochter – zu ihren Erben einsetzte.
Ein einseitiges Rücktrittsrecht behielten sich die Erbvertragsparteien nicht vor.

Als der Ehemann 1988 verstarb, schlug die Erblasserin die Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses aus. Sie heiratete erneut und schloss mit dem zweiten Ehemann verschiedene Erbverträge. Nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes errichtete die Erblasserin zudem ein notarielles Testament, in welchem sie ihre Schwestern, die Beteiligten zu 1 und 2, als Erbinnen zu jeweils 1/2 benannte.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten nach dem Tod der Erblasserin einen entsprechenden Erbschein. Mit späterem Schriftsatz erklärten sie die Anfechtung des Erbvertrags von 1975 wegen eines Motivirrtums i.S.d. § 2078 Abs. 2 BGB. Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Das OLG Köln hat die Rechtsbeschwerde beim BGH zugelassen.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Der BGH hat die Rechtsbeschwerde gem. § 74a Abs.1 FamFG zurückgewiesen, da die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen und die Rechtsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.

An die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden. Daher nimmt der BGH vorliegend ausführlich zu den Erfolgsaussichten der Rechtsbeschwerde Stellung, stellt aber auch klar, dass die Rechtsbeschwerde nicht hätte zugelassen werden dürfen. Denn gem. § 70 Abs. 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Sämtliche Zulassungsgründe liegen hier nicht vor.

Ein Anfechtungsrecht wegen des geltend gemachten Motivirrtums wäre zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits erloschen gewesen. Die Anfechtungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt.
Vorliegend macht die Beschwerdeführerin als Motivirrtum geltend, dass die Erblasserin bei Ausschlagung des Nachlasses wegen Überschuldung nicht von einer Bindungswirkung des Erbvertrags und eines eigenen späteren Vermögenszuerwerbs ausgegangen ist.
Die Erblasserin kannte jedoch sämtliche vorgenannte, für die Anfechtung maßgeblichen Umstände schon zum Zeitpunkt des Todes des Ehemannes.
Zudem handelt es sich bei einem Irrtum darüber, dass sich die Bindungswirkung des Erbvertrags nicht auf die Zuerwerbe erstreckt bzw. die Bindungswirkung durch die Ausschlagung erloschen ist, um einen unbeachtlichen Rechtsirrtum.

Folgerungen aus der Entscheidung

In der Entscheidung verdeutlicht der BGH, dass die Jahresfrist für die Anfechtung eines Erbvertrags nach § 2283 Abs. 2 BGB in Irrtumsfällen nach § 2078 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Dabei ist die Kenntnis aller für die Anfechtung wesentlichen Tatumstände erforderlich.
Ein diesbezüglicher Rechtsirrtum ist nur dann beachtlich, wenn er die Unkenntnis einer die Anfechtung begründenden Tatsache zur Folge hat.
Er ist dagegen unbeachtlich, wenn es sich nur um eine rechtsirrtümliche Beurteilung des Anfechtungstatbestandes selbst handelt.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 16.08.11