Erbrecht -

Aufhebung eines gemeinschaftlichen Testaments durch gerichtlichen Vergleich

OLG Bremen, Beschl. v. 01.08.2012 - 5 W 18/12

Die Aufhebung eines gemeinschaftlichen Testaments durch gerichtlichen Vergleich setzt die persönliche Anwesenheit der Eheleute voraus. Durch die Ausschlagung der Erbschaft werden alle Testamente wirksam, die aufgrund der Wechselbezüglichkeit bisher unwirksam waren.

Darum geht es

Die 2009 verstorbene Erblasserin und ihr Ehemann setzten sich 1981 in einem notariellen "Gegenseitigen Testament" gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollte eine Tochter des Ehemannes unter Ausschluss seiner zwei weiteren Töchter Alleinerbin werden. Die Eheleute änderten dieses Testament 1985 dahingehend handschriftlich ab, dass nunmehr auch eine weitere Tochter in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils bedacht werden sollte.

Nachdem sich die Eheleute getrennt hatten, schlossen sie 2001 einen mit "Trennungsvereinbarung" überschriebenen familiengerichtlichen Vergleich. Unter anderem wurden dabei das notarielle Testament von 1981 sowie etwaige weitere gegenseitige Verfügungen von Todes wegen ersatzlos aufgehoben. Bei diesem Gerichtstermin waren lediglich die Parteivertreter und nicht die Eheleute selbst anwesend gewesen.

Beide Eheleute testierten neu. Die Erblasserin bestimmte 2007 durch ein handschriftliches Testament, dass ihr Patenkind Alleinerbe werden sollte. Der Ehemann setzte 2006 mit notariellem Testament seine nunmehrige Lebensgefährtin als Alleinerbin ein.

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte ihr Patenkind einen Erbschein, der es als Alleinerbe ausweist.
Das Nachlassgericht lehnte den Erbscheinsantrag durch Beschluss vom 25.06.2010 mit der Begründung ab, dass das notarielle Testament von 1981 aufgrund der persönlichen Abwesenheit der Testierenden bei der Gerichtsverhandlung nicht formwirksam aufgehoben wurde und damit das spätere Testament der Erblasserin aus dem Jahr 2007 unwirksam sei. Hiergegen legte das Patenkind Beschwerde ein.

Das Amtsgericht half der Beschwerde trotz zwischenzeitlicher Kenntnisnahme von einer Erbausschlagung des Ehemannes nach der Erblasserin und zeitgleichem Widerruf der im gemeinsamen Testament getroffenen Verfügung nicht ab. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass die wirksame Erbausschlagung durch den Ehemann nicht dazu führte, dass die eigentlich wegen des bestehenden gemeinschaftlichen Testaments formunwirksam getroffene Verfügung der Erblasserin von 2007 nachträglich wirksam geworden sei.

Zudem beantragte eine der Töchter des Ehemannes die Zurückweisung der Beschwerde und gleichzeitig einen Erbschein, der die Geschwister als Erben zu 1/3 und 2/3 ausweist.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Patenkindes ist nach Ansicht des OLG Bremen begründet. Die Antragstellerin konnte ihre Erbenstellung auf das handschriftliche Testament von 2007 stützen.

Grundsätzlich war das notarielle Testament von 1981 zum Zeitpunkt der Erstellung des handschriftlichen Testaments von 2007 noch wirksam gewesen. Das notarielle Testament wurde durch den gerichtlichen Vergleich nicht wirksam aufgehoben. Hierzu hätte es der persönlichen Anwesenheit beider Eheleute bedurft.

Durch die Ausschlagung des Ehemannes und einer anderweitigen letztwilligen Verfügung des Ehemannes ist jedoch die wechselbezügliche Verfügung der Erblasserin im gemeinschaftlichen Testament von 1981 aufgrund § 2270 Abs. 1, § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden. Die bloße Ausschlagung hätte die Unwirksamkeit nicht zur Folge gehabt. Es war erforderlich, dass der Ehemann gem. § 2271 Abs. 2 BGB gegenüber dem gemeinschaftlichen Testament abweichend testiert hat. Und dies ist vorliegend durch das Testament des Ehemannes aus dem Jahr 2006 geschehen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Es ist zu beachten, dass die Eheleute beim Tod der Erblasserin noch nicht geschieden waren. Bei dem Vergleich vor dem Familiengericht handelte es sich lediglich um eine Trennungsvereinbarung. Wäre die Ehe schon geschieden gewesen, hätte es wohl keiner Aufhebung bedurft. Denn gem. § 2077 Abs.1 BG ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, in der Regel unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist.

Praxishinweis

as OLG Bremen hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das OLG Karlsruhe im Jahr 1999 konträr zu der hier vorliegenden Entscheidung für Recht erkannt, dass durch die Erbausschlagung nach dem Ehegatten zwar die wechselseitig bindenden testamentarischen Verfügungen ihre Wirksamkeit nach § 2270 Abs. 1 BGB verlieren. Die späteren, aufgrund des zu diesem Zeitpunkt noch wirksamen wechselbezüglichen Testaments unwirksam getroffenen Verfügungen, werden aufgrund der Erbausschlagung hierdurch jedoch nicht nachträglich wirksam.
Ob eine Rechtsbeschwerde eingelegt wurde, ist derzeit nicht bekannt. Daher ist der Berater derzeit gehalten, in ähnlichen Fallkonstellationen die sich widersprechenden oberlandesgerichtlichen Entscheidungen zu berücksichtigen.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 03.12.12