Erbrecht, Familienrecht -

Testamente: Umdeutung einer Regelung zur Nacherbenauswahl

Die unwirksame Befugnis zur Auswahl des Nacherben durch den Vorerben kann in eine bedingte Nacherbeneinsetzung umgedeutet werden. Das hat das OLG München in einem Erbscheinverfahren entschieden. Gerichte können im Verfahren durch Auslegung und Umdeutung nach dem Wortlaut unwirksame Regelungen doch noch zu einer Geltung im Sinne des Willens des Erblassers verhelfen.

Sachverhalt

Der Erblasser hat mit seiner dritten Ehefrau 1976 ein gemeinschaftliches Testament gemacht, in dem sich die Ehegatten zunächst gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, wobei der Erblasser seine Ehefrau nur zur nicht befreiten Vorerbin einsetzte. Als Nacherben wurden von ihm zu gleichen Teilen seine beiden Söhne aus erster Ehe eingesetzt, wobei der Nacherbfall mit dem Tode der Vorerbin eintritt. Die Einsetzung der beiden Söhne zu Nacherben erfolgte unter der Bedingung, dass die Ehefrau nicht anderweitig letztwillig testiert. Die Ehefrau war aber nur zur Abänderung der Nacherben innerhalb der Abkömmlinge befugt.

Die Ehefrau hat nach dem Tod des Erblassers zwei Einzeltestamente verfügt. In dem ersten Testament legt der Notar die genannte Abänderungsbefugnis dahingehend aus, dass die Ehefrau berechtigt sei, innerhalb der Abkömmlinge des Ehemannes abweichende Verfügungen für ihren Nachlass zu treffen, und dass für diesen Fall die Nacherbfolge nicht eintritt, weil sie auflösend bedingt sei. Sie setzte sodann den ersten der beiden Söhne des Erblassers zu ihrem Alleinerben ein. In einem zweiten Testament wurde dem zuvor zum Alleinerben Eingesetzten die Hälfte des Geldvermögens, Pkw und Hausrat zugewendet. Die andere Hälfte des Geldvermögens wurde einer Dritten zugewendet.

Der erste Sohn beantragte einen Erbschein als alleiniger Nacherbe aufgrund der Testamente der Stiefmutter, der vom Nachlassgericht bewilligt wurde. Der andere Sohn legte dagegen Beschwerde ein, weil die Änderung der Nacherbenbestimmung unwirksam sei. Nach § 2065 Abs. 2 BGB könne der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, nicht einem anderen überlassen. Die Auslegung im Testament würde die Verfügungsbeschränkung der Stiefmutter als Vorerbin nach § 2113 Abs.1 BGB unterlaufen, wonach eine Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam ist, als sie das Recht des Nacherben vereiteln würde. Zum Nachlass des Vaters hatte auch ein Grundstück gehört und die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft hätte dem Zweck gedient, dieses in der Familie zu halten.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die zulässige und teilweise begründete Beschwerde führte zur Zurückverweisung des Erbscheinverfahrens an das Nachlassgericht, verbunden mit der Anregung an den ersten Sohn, seinen Erbscheinantrag dahin umzustellen, dass er Alleinerbe seiner Stiefmutter wurde, damit dem Antrag stattgegeben werden kann.

Die im gemeinschaftlichen Testament der Ehefrau eingeräumte Möglichkeit, nach dem Tode  des Erblassers die Person des Nacherben aus einem Personenkreis zu bestimmen, ist nach § 2065 Abs.2 BGB unwirksam, da der Testierende wesentliche Teile seines letzten Willens – Auswahl des Erben - selber regeln muss und die Entscheidung nicht Dritten überlassen darf.

§ 140 BGB ermögliche aber die Umdeutung einer nichtigen letztwilligen Verfügung in eine andere wirksame Verfügung, wenn deren wirtschaftliche Wirkung dem vom Erblasser ursprünglich erstrebten wirtschaften Zweck entspricht.

Das Beschwerdegericht hat eine dahingehende Umdeutung der strittigen Regelung angenommen, dass der Erblasser wirksam die Nacherben unter der auflösenden Bedingung eingesetzt hat, dass die Vorerbin nicht anderweitig testamentarisch über den Nachlass verfügt. Indem die Vorerbin die auflösende Bedingung durch ihr erstes Testament ausgelöst hat, wurde sie zur Vollerbin, die Einsetzung der Nacherben entfiel und sie konnte dann über den eigenen Nachlass, inklusive des Nachlasses des Erblassers, verfügen.

Da aber erst beim Tode der Ehefrau feststeht, welche testamentarischen Verfügungen bestehen, bleiben die Nacherbfolgeregelung und die Stellung als unbefreite Vorerbin solange bestehen. Diese Umdeutung bietet sich an, weil im Testament bereits von einer Nacherbeneinsetzung unter einer Bedingung die Rede ist.

Die auflösende Bedingung für die Nacherbeinsetzung beider Söhne ist aufgrund der Umdeutung dahingehend zu beschränken, dass sie nur eintritt, wenn durch die abändernde Verfügung erstens von der Ehefrau ein Erbe aus dem Kreis der Nacherben bestimmt wird und zweitens zu Lebzeiten der Vorerbin keine Verfügung über das Grundstück getroffen wurde. Beides ist hier der Fall. Damit ist auch der Wunsch des Erblassers gesichert, dass das Grundstück in der Familie bleibt.

Die zunächst im gemeinschaftlichen Testament vorgenommene Einsetzung der Söhne als Ersatzerben durch die Stiefmutter stellt keine Neubestimmung der Nacherben dar und steht damit der Umdeutung nicht im Wege.

Der Einwand, die Stiefmutter hätte mit ihrem ersten Testament nur – unwirksam - die Nacherben des Erblassers ausgewählt und erst im zweiten Testament über ihren eigenen Nachlass verfügt, greift nicht. Erstens hat sie im ersten Testament nach Bezug auf die auflösende Bedingung den ersten Sohn zum Alleinerben ihres eigenen Nachlasses eingesetzt und nicht einen Nacherben für ihren Mann ausgewählt. Zweitens sind die Verfügungen im zweiten Testament als Verfügungen über Nachlassgegenstände (Geld, Pkw, Hausrat) Vermächtnisse, die keine Erbeinsetzung darstellen (§ 2087 Abs.2 BGB). Eine Änderung der Erbeinsetzung im ersten Testament ist damit erkennbar nicht gewollt.

Folgerungen aus der Entscheidung

Auch auf den ersten Blick nach dem Wortlaut unwirksame Regelungen können durch Auslegung und Umdeutung doch noch zur Geltung kommen. Ziel für das Gericht im Erbscheinverfahren ist immer, letztlich dem Willen des Erblassers Geltung zu verschaffen.

Die Regelung zur Änderung der Nacherbenbestimmung zerfällt praktisch in einen wirksamen ersten Teil (bezüglich der Nacherbeneinsetzung unter der Bedingung, dass der überlebende Ehegatte nicht anders verfügt) und einen zweiten unwirksamen Teil (bezüglich der möglichen Auswahl der Vorerbin unter den Nacherben des Erblassers). Im Rahmen dieser Umdeutung wurden die Elemente der Zuwendungsbeschränkung des Nachlasses auf die Abkömmlinge des Erblassers und die Vorerbschaftsbeschränkungen bezüglich des Hauses zu Voraussetzungen für den Bedingungseintritt erklärt. Und somit kamen diese doch noch zur Geltung, obwohl die ursprüngliche Nacherbschaftsregelung mit dem ersten Testament der Ehefrau weggefallen ist.

Praxishinweis

Bei einem Ehegattentestament mit gegenseitiger Erbeinsetzung der Ehegatten zu Alleinerben und Erbeinsetzung der gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen durch beide Elternteile für den zweiten Erbfall ist es möglich festzustellen, dass bezüglich der Erbeneinsetzung der Kinder keine Bindungswirkung bestehen soll – und dem überlebenden Ehegatten damit eine Abänderungsbefugnis eingeräumt ist. Er kann also nach dem Tod des Ehegatten z.B. ein Kind enterben und das andere zum Alleinerben einsetzen. Manchmal wird die Bindungswirkung, welche der freien Regelung der Testierenden unterliegt, auch nur soweit gelockert, dass der überlebende Ehegatte das Erbe unter mehreren Kindern ungleich verteilen darf.

Diese zulässige Gestaltung hatte der Notar, der das streitige gemeinschaftliche Testament im vorliegenden Fall entworfen hat, wahrscheinlich vor Augen. Allerdings geht es bei der Gestaltung um den eigenen Nachlass des überlebenden Ehegatten, sodass dieser bei der Enterbung eines Kindes nur seine eigenen Erben ändert. Damit greift die Unwirksamkeitsregel des § 2065 Abs.2 BGB nicht ein. Bei Änderung der Nacherben durch den Vorerben wird aber in eine fremde, bereits getroffene Erbregelung nachträglich ändernd eingegriffen, was nichtig ist.

OLG München, Beschl. v. 27.01.2016 - 31 Wx 168/15

Quelle: Rechtsanwalt Ralf Mangold