Familienrecht, Sozialrecht -

Abgesenkte Regelleistung für Kinder verfassungsgemäß?

Das Bundessozialgericht hält die Vorschrift über die abgesenkte Regelleistung für Kinder unter 14 Jahren (§ 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II) für verfassungswidrig.

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts ist der Ansicht, dass § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II, der die Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres auf 60 % der für alleinstehende Erwachsene maßgebenden Regelleistung festsetzt, gegen das Grundgesetz verstößt. Das Gericht hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

§ 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II verstoße gegen:

a) Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1, 6 Abs. 2, 20 Abs. 1 GG, weil die Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres um 40 % gegenüber der maßgebenden Regelleistung für Erwachsene herabgesetzt worden ist, ohne dass der für Kinder notwendige Bedarf ermittelt und definiert wurde,

b) Art. 3 Abs. 1 GG, weil das Sozialgeld für Kinder von Empfängern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II abschließend und bedarfsdeckend sein soll, während Kinder von Sozialhilfeempfängern nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII abweichende Bedarfe geltend machen können und

c) Art. 3 Abs. 1 GG, weil § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II die Höhe der Regelleistung für alle Kinder und Jugendlichen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich mit 60 % festsetzt, ohne dabei weitere Altersstufen vorzusehen.

Nach Auffassung des Senats wäre der Gesetzgeber gehalten gewesen, in dem grundrechtssensiblen Bereich der Sicherung des Existenzminimums von Kindern den Regelsatz auf der Basis einer detaillierten normativen Wertung des Kinder- und Jugendlichenbedarfs festzusetzen. Nur eine solche Festsetzung ermöglicht den Gerichten, eine begründete Entscheidung darüber zu treffen, inwieweit der Betrag von 207 € noch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers lag.

Der Senat geht weiterhin davon aus, dass der Gesetzgeber den ihm von Verfassungs wegen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat, als er die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für alleinstehende Erwachsene (nach § 20 Abs. 2 SGB II) mit 345 € festgesetzt hat. Die Annahme von Verfassungswidrigkeit der Vorschrift über die Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres lässt nicht den Schluss zu, dass der Betrag von 207 € in jedem Fall als nicht ausreichend anzusehen ist, um den Lebensunterhalt von Kindern unter 14 Jahren zu sichern.

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat durch Beschluss vom 27.01.2009 in beiden Fällen gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II verfassungsgemäß ist.

Betroffen sind die Verfahren:

Az.: B 14/11b AS 9/07 R (K.-S. ./. JobCenter ARGE Dortmund) und

Az.: B 14 AS 5/08 R ( K. ./. Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung und Grundsicherung Landkreis Lindau)

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 27.01.09