Familienrecht -

Die Strukturreform des Versorgungsausgleichs – Über das VAStrRefG

Teil 1: Zur Ausgangslage und Geschichte des Versorgungsausgleichs

Der Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund wurde durch das 1. EheRG v. 14.06.1976 mit Wirkung zum 01.07.1977 als ein dem Zugewinnausgleich nachgebildetes Rechtsinstitut eingeführt und – angesichts der Anbindung an das Recht unterschiedlichster Versorgungssysteme in gewisser Weise sachfremd – in die Verantwortung der Familiengerichte gestellt.

Die Vereinbarkeit des Versorgungsausgleichs mit der Verfassung hat das BVerfG seinerzeit im Wesentlichen zwar bestätigt:

  • BVerfG, FamRZ  1980, 326, 331 ff. zum öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich;

  • BVerfG, FamRZ  1986, 543 ff. zum schuldrechtlichem Versorgungsausgleich, Supersplitting und verlängertem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich;

  • BVerfG, FamRZ 1993, 405, 407;

  • BVerfG, FamRZ 1996, 341 ff. zur Kürzung der Versorgungsbezüge von Beamten bei vorzeitiger Dienstunfähigkeit und zum sog. Pensionistenprivileg).



Zugleich hat das BVerfG aber verfassungsrechtliche Kritik am Fehlen einer Abänderungsmöglichkeit und der Möglichkeit der Rückabwicklung in bestimmten Härtefällen (siehe BVerfG, FamRZ 1980, 326 ff.) sowie der umfassenden Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen und Begründung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 3 BGB a.F. geäußert (siehe BVerfG FamRZ 1983, 342 ff ).

Diese Kritik führte zum Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich v. 21.02.1983 (VAHRG), und zum Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiete des Versorgungsausgleichs v. 08.12.1986 (VAwMG), das nach einem Probelauf seit dem 01.01.1992 als Dauerrecht gilt (vgl. Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung – RRG 1992 – v. 18.12.1989, BGBl. I, S. 2261). Mit dem VAHRG verließ der Gesetzgeber weitgehend die durch den Zugewinnausgleich vorgegebenen Strukturen und machte den Ver-sorgungsaugleich zu einem deutlich sozial- oder unterhaltsrechtlich geprägten Institut.

Art. 30 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung – RÜG – v. 25.07.1991 strich dann die erst zum 01.11.1987 eingeführte Bagatellklausel des § 3c VAHRG wegen – nach Meinung des Gesetzgebers – zu leichtfertiger Anwendung dieser Klausel vor allem durch die OLG.

Änderungsbedarf für das Recht des Versorgungsausgleichs ergab sich nach 1990 weiter aus der deutschen Wiedervereinigung und der Notwendigkeit, völlig unterschiedliche Versorgungssysteme aufeinander abzustimmen. Mit dem Gesetz zur Überleitung des Versorgungsausgleichs auf das Beitrittsgebiet – VAÜG – Art. 31 RÜG – v. 25.07.1991 wurde ein unmittelbarer Vergleich von Ost- und Westanrechten verboten und der Ausgleich – mit Ausnahme von vorzeitigen Rentenfällen – auf den Tag der Einkommensangleichung, wenn also in Ost und West derselbe aktuelle Rentenwert gelten wird, verschoben. Ursprünglich nahm man an, dass das VAÜG nur einen kurzen Übergangszeitraum betreffen würde. Schließlich waren den Beitrittsländern binnen Kurzem wirtschaftlich blühende Landschaften versprochen worden. Diese Erwartungen haben sich als völlig verfehlt erwiesen. Das für einen kurzen Übergangszeitraum akzeptable gesetzliche Verbot der Verrechnung von Ost- und Westanrechten erweist sich immer mehr als schwere Störung des vom Versorgung angestrebten Gesamtausgleichs. Überdies wurden für die Gerichte kaum rechtzeitig abzuarbeitende Anzahlen von Verfahren mit erheblichen Rentennachteilen für die betroffenen Ausgleichsberechtigten auf den immer noch fernen Tag der Einkommensangleichung verschoben.

Eine weitere Dauerbaustelle des Versorgungsausgleichs war die BarwertVO. Nach wiederholter verfassungsrechtlicher Kritik des BGH an der ursprünglichen BarwertVO (siehe u.a. BGH, FamRZ 2001, 1695) wurde diese durch die 2. VO zur Änderung der BarwertVO v. 26.05.2003 zum zweiten Mal geändert. Die Änderung wurde vom Gesetzgeber auf den 31.05.2005 befristet. Er meinte, durch eine baldige umfassendere Reform die erkennbaren Strukturprobleme des Versorgungsausgleichs lösen zu können (siehe BR-Drucks. 198/2003, S. 11 f.).

Für eine Übergangszeit hielt der BGH die geltende BarwertVO für verfassungsgemäß (siehe dazu BGH, FamRZ 2003, 1639). Auch der BGH war aber der Meinung, dass der Gesetzgeber aufgrund der seit 1977 zu beobachtenden grundlegenden Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Versorgungsrecht binnen Kurzem das Recht des Versorgungsausgleichs an verschiedenen Stellen nachzubessern oder gar grundsätzlich zu reformieren habe.

Nicht zuletzt wegen der verkürzten Legislaturperiode, aber auch wegen Widerstands gegen die beabsichtigte obligatorische Realteilung bei den Interessenverbänden der betrieblichen Altersversorgung und Versicherungswirtschaft hat der Gesetzgeber die von ihm selbst gesetzte Frist nicht einhalten können und deshalb die bisherige BarwertVO durch die 3. VO zur Änderung der BarwertVO v. 03.05.2006 bis zum 30.06.2008 verlängert. Zugleich wurden die Barwertfaktoren um ca. 30 % angehoben, weil sich die bisherige Annahme zum fiktiven Rechnungszins zu weit von der Wirklichkeit entfernt hatte und allein aus diesem Grund ein erneutes Verdikt der Verfassungswidrigkeit durch BGH oder BVerfG drohte.

Nach wie vor bestehen aber erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken sowohl an der Notwendigkeit einer Umrechnung überhaupt wie auch an der der jetzigen BarwertVO zugrunde liegenden Annahmen (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 2006, 1389, das die BarwertVO in ihrer jetzigen Form für verfassungswidrig hält; a.A. u.a. OLG Celle FamRZ 2006, 1762). Für einen Übergangszeitraum wurde wiederholt die Aussetzung jeder Umrechnung gefordert (vgl. Darmstädter Kreis, FamRZ 2005, 1223; Darmstädter Kreis, FamRZ 2006, 313; Anm. Rotax zu OLG Oldenburg, ZFE 2006, 435).

Seit 30 Jahren also macht der Versorgungsausgleich Familienrichtern und den am Scheidungsverfahren beteiligten Rechtsanwälten wegen seiner detailverliebten, komplizierten Regelung das Leben schwer. Viele Parteien verstehen weder seine Grundgedanken noch seine Regelungen im Einzelnen. Es gab und gibt deshalb heftige Kritik an der Grundstruktur sowie an Einzelheiten des Versorgungsausgleichs in seiner jetzigen Form. Mehr als einmal wurde aus der Praxis der Ruf nach einer Verlagerung dieses Rechtsinstituts in die Hände von Experten aus den jeweiligen Versorgungssystemen laut.

Zuletzt wurde diese "Erlösung vom Versorgungsausgleich" in der vom BMJ eingesetzten Kommission "Strukturreform des Versorgungsausgleichs" diskutiert, die am 27.10.2004 einen Abschlussbericht von 110 Seiten und einem Anhang von 81 Seiten vorgelegt hat: Die Strukturkommission des BMJ hat alle Strukturen des Versorgungsausgleichs einer Grundüberprüfung unterzogen. Aufgabe der Kommission war es, Antworten des Gesetzgebers auf viele Fragen fachkundig vorzubereiten (Abschlussbericht, S. 8). Mit ihren insgesamt acht Empfehlungen an den Gesetzgeber und drei Bitten an die Bundesregierung bzw. die Landesjustizverwaltungen hat die Kommission ihren Auftrag weitestgehend erfüllt.

Auf der Grundlage dieses Berichtes, im Ergebnis jedoch mit erheblichen Abweichungen davon, wurde im BMJ nach Maßgabe eines sog. Eckpunktepapieres vom 28. 01. 2006 (vgl. den weitgehenden Auszug in FPR 2007, 108 f.) an einem aus dem BGB ausgegliederten Gesetz über den Versorgungsausgleich gearbeitet, in dem alle den Versorgungsausgleich betreffenden materiell-rechtlichen Regelungen zusammengestellt, systematisch neu geordnet und sprachlich teilweise neu gefasst werden sollen. Diese Arbeiten haben zum Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 29.08.2007 geführt.

Ob das künftige Gesetz über den Versorgungsausgleich auch alle verfahrensrechtliche Regelungen, vor allem die zum Abänderungsverfahren, enthalten wird, oder ob die Abänderungs-regelungen ausschließlich im neuen FamFG, dem reformierten FGG, das vom Bundeskabinett am 09.05.2007 beschlossen wurde, enthalten sein werden, ist derzeit noch unklar. Parallel zu einem Referentenentwurf für ein VAStrRefG wird derzeit vor allem an den bisher noch nicht ausformulierten Übergangsbestimmungen gearbeitet. Diese werden schon als Referentenentwurf unmittelbare Bedeutung für die gerichtliche Praxis haben, weil aus ihnen ablesbar sein wird, ob es sich lohnt, mit einem Versorgungsdausgleich zu warten, bis das neue Recht in Kraft sein wird oder nicht.

Quelle: Richter am Amtsgericht Horst-Heiner Rotax - Fortsetzungsbeitrag vom 13.02.08