Familienrecht -

Ein Jahr nach der Unterhaltsrechtsreform

Vor einem Jahr trat die Reform des neuen Unterhaltsrechts in Kraft. Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) blickt auf die ersten Entscheidungen des BGH und der Oberlandesgerichte zurück.

Der von manchen Medien angekündigtefundamentale Umsturz ist nach Ansicht desInteressenverbands Unterhalt und Familienrechtnicht eingetreten. ISUV-Bundespressesprecher und Rechtsanwalt Hans-Peter Peine stellt folgende Tendenzen der Rechtsprechung fest:

Was hat der BGH bisher zum neuen Unterhaltsrecht festgelegt?

Peine: Am wichtigsten erscheinen mir die Impulse des BGH zum Betreuungsunterhalt. Das oberste Zivilgericht hat beispielsweise einen Fall an ein Oberlandesgericht zurückverwiesen und das Gericht aufgefordert, quasi ein neues Altersphasenmodell zu entwickeln, das in Übereinstimmung mit dem ab 01.01.2008 geltenden Unterhaltsrechtsreformgesetz steht.

Ist das Altersphasenmodell durch die Unterhaltsrechtsreform nicht vom Tisch?

Peine: Das starre „alte“ Altersphasenmodell ist vom Tisch, aber Richter und Anwälte brauchen Anhaltspunkte für die Rechtsprechung. Ich betone aber auch, nicht zuletzt die Betroffenen selbst haben einen Anspruch darauf zu wissen, was sie vor Gericht erwartet.

Was sagt der BGH, wie lange muss Betreuungsunterhalt gezahlt werden?

Peine: Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH kann von dem Elternteil, der Kinder betreut, nicht verlangt werden, dass er nach drei Jahren wieder ganztätig arbeitet, d.h. wenn der so genannte Basisunterhalt von drei Jahren endet.

Gilt dies auch, wenn Betreuungseinrichtungen vorhanden sind?

Peine: Ja, dies gilt auch, wenn Kinderbetreuung ganztags möglich wäre; denn auch bei einer ganztägigen Kinderbetreuung bestände immer noch ein Betreuungsbedarf, so dass eine ganztägige Erwerbstätigkeit unzumutbar ist.

Wann „muss“ der betreuende Elternteil wieder ganztags arbeiten?

Peine: Ich denke folgende Tendenzen zeichnen sich in der Rechtsprechung ab, allerdings ist darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen. Drei Jahre nach der Geburt muss der betreuende Elternteil zumindest einer Teilzeitarbeit nachgehen, dass er ganztags arbeitet, wird wohl während der Grundschulzeit nicht gefordert werden. Allerdings hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung vom 01.10.2008 auf den Einzelfall verwiesen, der jeweils geprüft werden muss.

Was sagt der BGH zu der Konstellation, wenn Erst- und Zweitehefrau Anspruch auf Unterhalt haben?

Peine: Treffen Unterhaltsansprüche der geschiedenen und der neuen Ehefrau zusammen, ist nach BGH Rechtsprechung (Urteil vom 30.07.2008) der Unterhaltsbedarf jedes Berechtigten im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen und beider Unterhaltsberechtigter zu ermitteln. Hierbei ist der Vorteil aus dem Ehegattensplitting aus der aktuellen Ehe in das Gesamteinkommen mit einzubeziehen.

Das heißt also alle drei Einkommen werden addiert und dann durch den Faktor Drei dividiert?

Peine: So ist es. Der BGH hat in seinem Urteil vom 30.07.2008 -XII ZR 177/06, hierzu auf folgende Beispielsrechnung verwiesen:

Unterhaltsrechtliches Einkommen des Pflichtigen3.000 €

Der Bedarf des früheren und des neuen Ehegatten, die in dem Beispielsfall nicht erwerbsverpflichtet sind, beläuft sich auf je 1/3, so dass dem Pflichtigen der Selbstbehalt von1.000 €verbleibt, und der geschiedene Ehegatte und der aktuelle Ehegatte je 1.000 €erhalten.

Alternativ hat der BGH die Bedarfsbemessung mit Einkommen eines Unterhaltspflichtigen wie folgt erläutert:

Unterhaltsrelevantes Einkommen des Pflichtigen3.000,00 €

Eigenes Einkommen eines Unterhaltsberechtigten600 €

Unterhaltsrechtliches Gesamteinkommen des Pflichtigen und eines der beiden Berechtigten3.600 €

Bedarf des früheren und des neuen Ehegatten je 1/3 =1.200 €

So erfolgt rechnerisch die Drittelteilung. Der Ehegatte (geschieden oder aktuell), der ein Einkommen von600 €hat, hat sich auf den vollen Bedarf von1.200 €sein Eigeneinkommen von € 600,00 anrechnen zu lassen, so dass die Höhe seines Unterhaltsanspruchs sich noch auf600 €beläuft.

Was ist, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht reicht?

Peine: Dann ist eine Mangelfallberechnung gem. § 1609 Nr. 2 und 3 in Verbindung mit § 1581 BGB durchzuführen. Rangbevorrechtigt gem. § 1609 Nr. 1 BGB sind die Kinder des Verpflichteten. Haben der geschiedene und der aktuelle Ehegatte Kinder zu betreuen, sind sie beide ranggleich gem. § 1609 Nr. 2 BGB. Hat der geschiedene Ehegatte aber keine Kinder mehr zu betreuen, steht er aber nur dann im gleichen Rang wie der aktuelle kinderbetreuende Ehegatte, wenn der geschiedene Ehegatte sich auf erhebliche ehebedingte Nachteile berufen kann. Der im Gesetzestext genannten „Ehe von langer Dauer“ kommt nach der Rechtsprechung des BGH nur untergeordnete Bedeutung zu.

Da gibt es noch den Aufstockungsunterhalt, welche Maßgabe trifft da der BGH?

Peine: Einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gem. § 1573Abs. 2BGB gibt es dann, wenn der früher kinderbetreuende Ehegatte die Verpflichtung zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit hat. Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf Aufsto-ckungsunterhalt ist nur dann ranggleich gem. § 1609 Nr. 2 BGB mit dem kinderbetreuenden aktuellen Ehegatten, wenn die Ehe des geschiedenen Ehegatten von langer Dauer war und wenn nach langer Ehedauer ehebedingte Nachteile gem. § 1578bAbs. 1, Satz2 u. 3 BGB vorliegen. Die ehebedingten Nachteile sind das entscheidende Kriterium.

Was ist nach Auffassung des BGH eine lange Ehe?

Peine: Nach der früheren Rechtsprechung des BGH bis zur Änderung seiner Rechtsprechung 2006 im Vorgriff auf das Unterhaltsrechtsreformgesetz ergab sich eine lange Ehedauer bei einer Ehezeit von 10 bis 12 und ausnahmsweise 15 Jahren, wobei nach altem Recht die Kinderbetreuungszeit in die Ehedauer einzurechnen gewesen war. Dies führte dazu, dass der geschiedene Ehegatte, wenn er Kinder zu betreuen hatte, sich in aller Regel auf eine lange Ehedauer berufen konnte. Es galt daher für ihn die Lebensstandsgarantie, weshalb in den seltensten Fällen die Unterhaltsansprüche eines solchen Ehegatten befristet wurden.

Was hat sich also durch die Unterhaltsrechtreform geändert?

Peine: Nach der Rechtsprechung des BGH und überwiegend auch der Oberlandesgerichte werden Unterhaltsansprüche in aller Regel der Höhe nach herabzusetzen oder zu befristen sein gem. § 1578b BGB. Am wichtigsten ist: Eine Lebensstandartsgarantie nach der Scheidung gibt es nicht mehr. Weiterhin gilt: Das letzte Wort haben aber die Gerichte im Einzelfall.

Quelle: ISUV - Pressemitteilung vom 17.01.09