Familienrecht -

Erweitertes Führungszeugnis zum Kindesschutz

Wer wie Ärzte oder Anwälte beruflich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, darf künftig trotzdem das Jugendamt alarmieren, wenn das Wohl eines Kindes gefährdet erscheint.

Das Bundeskabinett hatam 21.01.2009 einen Gesetzentwurf zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beschlossen.So genannte erweiterte Führungszeugnisse sollen dem Arbeitgeberkünftigin weit größerem Umfang als bisher Auskunft darüber geben, ob Stellenbewerber wegen bestimmter Sexualdelikte an Kindern und Jugendlichen vorbestraft sind. Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeiten will, muss damit rechnen, dass schon leichte Sexualvergehen in seinem Führungszeugnis stehen.

Berufsgeheimnisträger

Für Berufsgeheimnisträger bestand bisher die Gefahr, sich damit strafbar zu machen. Hier schafft das neue Kinderschutzgesetz Rechtssicherheit.

Zur besseren Absicherung ihrer Einschätzung dürfen die Betroffenen auch Expertenrat einholen. Vorrang hat allerdings das Gespräch mit den Eltern und die Aufforderung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Verschiedene Bundesländer haben bereits Regelungen über die Weitergabe von Befugnissen an die Jugendämter getroffen. Beim Schutz des Kindeswohls darf es aber nicht darauf ankommen, wo ein Kind wohnt. Deshalb hatten sich die Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin beim Kindergipfel 2008 geeinigt, hierfür eine bundeseinheitliche Rechtslage zu schaffen.

Verbindliche Regelung für Fachkräfte des Jugendamts

Auch die Verfahren beim Jugendamt werden verbessert. Hausbesuche sollen in Zukunft zum Standard gehören. Die Fachkräfte des Jugendamts sollen sich einen persönlichen Eindruck von dem gefährdeten Kind, seinen Eltern und dem persönlichen Umfeld machen können.

Tragische Fälle haben gezeigt, dass Jugendämter Gefährdungen trotz gewichtiger Anhaltspunkte ohne ausreichende Begutachtung falsch einschätzen können. Etwa weil sich die Beamtinnen und Beamten vertrösten lassen. Oder weil glaubwürdige Dritte die Gefährdungslage nicht erkennen, nicht erkennen können oder nicht erkennen wollen.

Optimiert wird auch die Zusammenarbeit der Jugendämter untereinander. Bei einem Wohnortwechsel übermittelt künftig das bisherige dem neuen Jugendamt alle erforderlichen Informationen über ein gefährdetes Kind und seine Situation. Das soll dem so genannten Jugendamts-Hopping einen Riegel vorschieben. Damit hatten sich in der Vergangenheit auffällig gewordene Familien dem Zugriff des Jugendamts mitunter entzogen.

Erweitertes Führungszeugnis bietet Schutz vor Pädophilen

Wer mit jungen Menschen arbeitet, zum Beispiel als Betreuer, trägt eine besondere Verantwortung. Männer mit pädophilen Neigungen suchen sich jedoch häufig gezielt Arbeits- und Beschäftigungsfelder im Umfeld von Kindern.

Dies soll verhindert werden. Arbeitgeber der Kinder- und Jugendarbeit sollen sich künftig noch besser über einschlägige Vorstrafen von Bewerbern und Beschäftigten informieren können. Dafür wird das Bundeszentralregistergesetz geändert.

Bislang stehen im Führungszeugnis Erst­ver­urteilungen erst ab einer bestimmten Mindeststrafe oder aber bei bestimmten schweren Sexualstraftaten. Künftig werden in einem "erweiterten Führungszeugnis" auch minderschwere Verurteilungen aufgenommen: beispielsweise wegen Exhibitionismus oder Verbreitung von Kinderpornographie. Menschen mit einschlägigen Vorstrafen ist der Berufsweg in Kindergärten, Jugendämter oder als ehrenamtliche Sporttrainer damit versperrt. Die Regelung gilt nur für kinder- und jugendnahe Tätigkeiten.

Das Bundeszentralregistergesetz (BZRG) regelt, dass jeder Person ab 14 Jahren auf Antrag und ohne Angaben von Gründen ein Führungszeugnis erteilt wird. Ob eine Verurteilung in ein Führungszeugnis aufgenommen wird, richtet sich grundsätzlich nach der Höhe des Strafmaßes; das zugrundeliegende Delikt spielt dabei in der Regel keine Rolle. Nach geltendem Recht erscheinen im Führungszeugnis Erstverurteilungen nur bei einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten, um dem verfassungsrechtlich verankerten Resozialisierungsgebot Rechnung zu tragen. Von diesen Grenzen sind derzeit nur bestimmte schwere Sexualstraftaten (§§ 174 bis 180 oder 182 StGB, insb. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen und Vergewaltigung) ausgenommen, nicht aber alle anderen kinder- und jugendschutzrelevante Sexualdelikte. Lässt sich ein Arbeitgeber bei der Einstellung ein Führungszeugnis vorlegen, erlangt er von diesen Erstverurteilungen bis zu 90 Tagessätzen oder 3 Monaten Freiheitsstrafe keine Kenntnis und kann nicht verhindern, dass der betroffene Bewerber im kinder- und jugendnahen Bereich beschäftigt wird.

Künftig soll durch eine Änderung des BZRG sichergestellt werden, dass im Interesse eines effektiven Kinder- und Jugendschutzes sexualstrafrechtliche Verurteilungen auch im niedrigen Strafbereich in einem sogenannten erweiterten Führungszeugnis aufgenommen werden.

Der Gesetzentwurf sieht zielgerichtet die Einführung eines erweiterten Führungszeugnisses für kinder- und jugendnahe Tätigkeiten vor. Personen, die bei ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Beschäftigung mit Kindern und Jugendlichen in der Regel keinen Kontakt aufnehmen können, sind daher von den neuen Regelungen nicht erfasst.

Betroffener Personenkreis

Das erweiterte Führungszeugnis wird nach dem neuen § 30a BZRG erteilt,

  • wenn dies in einem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.
    Beispiele: Die praktisch bedeutsamste Vorschrift ist § 72a des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII). Sie richtet sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die für die Wahrnehmung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe keine Person beschäftigen oder vermitteln dürfen, die rechtskräftig wegen einer bestimmten Straftat verurteilt worden ist (in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung: Straftaten nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184f oder den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB). Ein vergleichbares Beschäftigungsverbot enthält auch § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz für Personen, die Lehrlinge ausbilden.
  • demjenigen, der eine Tätigkeit ausüben will, die geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, wie die berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger.
    Beispiele: Erzieher in Kindergärten, Kinder- oder Jugendheimen, Pflegepersonen für die Kindertages- und Vollzeitpflege, Lehrer in Privatschulen, Schulbusfahrer, Bademeister in Schwimmbädern, Jugendsporttrainer, Leiter von Kinder- und Jugendfreizeitgruppen.


Inhalt des erweiterten Führungszeugnisses

Bereits nach geltendem Recht werden in ein Führungszeugnis regelmäßig alle Verurteilungen - unabhängig vom Strafmaß - wegen bestimmter schwerer Sexualstraftaten nach den §§ 174 bis 180 und § 182 StGB aufgenommen. Für das erweiterte Führungszeugnis wird dieser Katalog um weitere kinder- und jugendschutzrelevante Verurteilungen wegen Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB erweitert. Künftig wird daher auch beispielsweise eine Verurteilung zu 60 Tagessätzen wegen Verbreitung von Kinderpornographie oder Exhibitionismus im erweiterten Führungszeugnis erscheinen. Bislang erhielt der Arbeitgeber von einer solchen Verurteilung durch ein Führungszeugnis keine Kenntnis.


Frist zur Aufnahme in das Führungszeugnis

Derzeit werden Verurteilungen bei einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr wegen schwerer Sexualstraftaten nach den §§ 174 bis 180 und § 182 StGB mindestens 10 Jahre lang in das Führungszeugnis aufgenommen. Künftig wird diese Frist auch für entsprechende Verurteilungen wegen Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB gelten, die in ein erweitertes Führungszeugnis aufgenommen werden.


Rückwirkung

In das erweiterte Führungszeugnis sind auch alle Eintragungen wegen Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB aufgenommen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits im BZR vorhanden sind. Die Zustimmung des Bundesrates ist nicht erforderlich. Ziel ist es, das parlamentarische Verfahren noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen.


Weitere Informationen im Internet:

Quelle: Bundesregierung und BMJ - Pressemitteilung vom 21.01.09