Familienrecht -

Familiensachen mit Auslandsberührung: Eine Einführung

Zunehmend weisen familienrechtliche Fallgestaltungen, die im Inland gerichtlich zu bearbeiten sind, Auslandsbezug auf, sei es, dass eine oder mehrere Personen ausländischer Nationalität beteiligt sind oder Personen inländischer Nationalität sich im Ausland aufhalten.

Bei derartigen grenzüberschreitenden Bezügen ist im Familienrecht zunächst prozessual die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Bearbeitung des Falls angesprochen. Daneben sind jedoch weitere praktisch wichtige prozessuale Fragestellungen aufgeworfen. Beispielhaft seien an dieser Stelle die ausländische Rechtshängigkeit, die Anwendung eines vorgesehenen Schuldausspruchs bei der Scheidung, der Umfang der Beachtung ausländischen Prozessrechts, Zustellung und Ladung im Ausland erwähnt.

Andererseits müssen die Anknüpfungsregeln, die das anwendbare materielle Recht (praktisch wichtigster Fall: Scheidungsstatut) bestimmen, festgestellt werden. Sie können nicht nur wegen der auch heute noch international divergierenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen im aktuellen Stadium erhebliche Bedeutung erlangen, sondern auch künftig wegen ihres Einflusses auf Scheidungsfolgen, wie etwa beim nachehelichen Unterhalt (Art. 18 Abs. 4 EGBGB), haben.

In der anwaltlichen Beratung wird auch bedacht werden müssen, ob eine Regelung (Scheidung) im Ausland möglich ist, welche rechtlichen Folgen sie nach sich ziehen würde und ob Regelungen dort zu Gunsten des Mandanten (etwa solche des Sorgerechts) leichter als in Deutschland mit vergleichbaren Rechtswirkungen zu erwirken sind. Daher sind die Regelungen zur Ermittlung des anwendbaren Rechts von entscheidender Bedeutung.

Die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung gewinnt angesichts der weltweit festzustellenden Mobilität der Menschen im Bereich des Familienrechts zunehmend an Bedeutung. Insbesondere der Zuzug von Menschen ausländischer Nationalität, aber auch die Mobilität der inländischen Staatsangehörigen stellt die kompetente Beratung vor die Aufgabe, sich mit den Regelungen einesuns oft nicht vertrauten Rechts auseinandersetzen zu müssen. Zum schnelleren Überblick und zur raschen Orientierung soll die nachfolgende Schnellübersicht dienen.

DasKollisionsrechtregeltdie Frage, welches Recht Anwendung findet, wenn bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug verschiedene Rechtsordnungen berufen sind, d.h. miteinander konkurrieren. Das verfahrensrechtliche Kollisionsrecht kann zum einen Lösungen aus dem internationalen Verfahrensrecht bieten oder – subsidiär – in Deutschland sich aus der ZPO oder dem FGG ergeben.

Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit beantworten zum einen die Frage, ob ein deutsches Gericht überhaupt in der Sache entscheiden darf. Sie ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung und auch nach der ZPO-Reform vom 01.01.2002 in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Der BGH hat mittlerweile auch mit Blick auf §§ 513 Abs. 2, 545 Abs. 2 ZPO diese – zeitweise bestrittene – Auffassung mehrfach bestätigt.

Der althergebrachte Grundsatz, dass im Zivilrecht die internationale Zuständigkeit im Allgemeinen der örtlichen folgt, die sich aus §§ 12 ff. ZPO oder aus internationalen Verträgen – z.B. dem EuGVÜ – ergibt, wird in Familiensachen, insbesondere in Ehesachen, vor allem mit Blick auf unmittelbar geltende vorrangige Regelungen der Europäischen Union – z.B. der EuGVVO bzw. der Brüssel IIa-VO –, also durch besondere Regelungen modifiziert.

Weil ein Gleichlauf zwischen örtlicher und internationaler Zuständigkeit nicht grundsätzlich besteht, ist daher in der Praxis bei Familiensachen stets zwischen örtlicher und internationaler Zuständigkeit zu unterscheiden. Überraschenderweise wird die Suche nach der internationalen Zuständigkeit in den maßgeblichen Rechtsquellen oftmals mehrfache gleichberechtigte Zuständigkeiten im In- und Ausland ergeben (Mitgliedstaaten, Vertragsstaaten oder Drittstaaten). Dies ist zunächst unproblematisch, soweit – was nahezu regelmäßig der Fall ist – keine Rechtsordnung eine ausschließliche Zuständigkeit für sich in Anspruch nimmt.3 Vgl. für den gegenteiligen Fall OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1382 und Bergmann/Ferid/Henrich, Länderteil Serbien, S. 23 für den Fall, dass der beklagte Ehegatte in Serbien seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat – Art. 61 Abs. 2 IPRG.
Die antragstellende Partei hat dann die Wahl des Gerichtsstands.

Zum anderen wird die Frage der internationalen Zuständigkeit erheblich für die Frage, welche Rechtswirkungen ausländischen Entscheidungen im Inland zukommen. Insoweit gibt es insbesondere mit Blick auf die EU-Mitgliedstaaten kaum noch Probleme in Fällen mit aktuellem Bezug, denn Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten werden im Grundsatz automatisch anerkannt. Allerdings gilt diese Vereinfachung im Verhältnis zu Drittstaaten nicht. Für Entscheidungen aus solchen Drittstaaten bedarf es ausdrücklicher Anerkennungsregelungen (Anerkennungsinstrumente). Ebenso muss bei inländischen Entscheidungen, die Angehörige von Drittstaaten betreffen, die spätere Anerkennungsfähigkeit im Heimatland bedacht werden.

Nationales Verfahrensrecht – Berücksichtigung ausländischen Verfahrensrechts bei Familiensachen mit Auslandsberührung

Das Verfahrensrecht richtet sich – unabhängig von der Frage des etwa anzuwendenden materiellen ausländischen Rechts – für die deutschen Gerichte immer nach der lex fori.

Damit finden bei den in Deutschland geführten Verfahren im Wesentlichen die Vorschriften der ZPO und des FGG Anwendung.

Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist von besonderer Bedeutung für die spätere Anerkennung von Entscheidungen im Herkunfts- bzw. Heimatstaat der Parteien. Dabei beschränkt sich die Problematik dank Brüssel IIa-VO heute im Wesentlichen nur noch auf das Verhältnis zu Nicht-EU-Staaten. Denn im Bereich der EU-Mitgliedstaaten ist heute weitgehend von genereller gegenseitiger Anerkennungsfähigkeit und automatischer Anerkennung der Entscheidungen aus den jeweils anderen EU-Mitgliedstaaten auszugehen.

So schreibt etwa die türkische Rechtsordnung mit der Scheidung zwingend eine Regelung der elterlichen Sorge als Folgesache vor. Das deutsche Verfahrensrecht sieht dies im Regelfall des Verbleibens gemeinsamer elterlicher Sorge nicht mehr vor. Daher empfiehlt es sich, in einem in Deutschland geführten Verfahren auch eine gerichtliche Entscheidung zur elterlichen Sorge herbeizuführen, wenn es bei der gemeinsamen Sorge für das Kind bleibt und kein Elternteil einen Regelungsantrag gestellt hat. Unterbleibt dieser (deklaratorische) Ausspruch, ist die Anerkennungsfähigkeit in der Türkei gefährdet.

Vereinzelt werden Sühneversuche als obligatorisch für eine Scheidung vorausgesetzt (Algerien, Island, Italien, Kroatien, Polen, Portugal). Andere Staaten verlangen einen Ausspruch über das Verschulden der Parteien am Scheitern der Ehe (Portugal, Polen) oder sehen jedenfalls einen auf Antrag vorzunehmenden Ausspruch hierüber vor (Italien, Türkei).

In solchen Fällen ist darauf zu achten, dass dieses Verschulden im Trennungs- oder Scheidungsurteil durch Aufnahme in den Tenor – was nach deutschem Verfahrensrecht nicht vorgesehen ist – festgestellt wird, wenn die Möglichkeit besteht, dass eine Partei sich hiervon Vorteile, etwa für ein nachfolgendes Unterhaltsverfahren, versprechen kann.

Mit Blick auf vermeidbare Anerkennungsprobleme sollte daher auf Tatbestand und Entscheidungsgründe eines Scheidungsurteils grundsätzlich nicht verzichtet werden, wenn auch nur ein Ehegatte Ausländer ist.

Nicht mit unserem Verfahrensrecht vereinbar ist jede Form der Scheidung, die anders als durch Urteil erfolgt (Art. 17 Abs. 2 EGBGB). Dies betrifft vor allem die sogenannte Privatscheidung des islamischen Rechts durch Verstoßung oder durch Übergabe des Scheidungsbriefs nach israelischem Recht („Get-Scheidung“). An einer solchen Scheidung muss eine im Inland lebende Partei nicht mitwirken.

Weiterführende Informationen zu Familiensachen mit Auslandsberührung finden Sie in www.rechtsportal.de/familienrecht.

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Quelle: Martin Streicher, Vors. Richter am LG Tübingen - Auszug aus rechtsportal.de, Familiensachen mit Auslandsberührung vom 03.06.09