Familienrecht -

Fazit der Frühjahrsveranstaltung des Darmstädter Kreises

Der Darmstädter Kreis hat am 11.04.2008 seine alljährliche Frühjahrsveranstaltung, diesmal in den Räumlichkeiten des ZDF in Mainz, durchgeführt. Thema war „Die Strukturreform im Versorgungsausgleich – Strategisches Vorgehen im Hinblick auf die Übergangsregelungen“.

Es erfolgte nicht nur eine deskriptive Gegenüberstellung von altem und neuem Recht, sondern es wurden auch Strategien vorgestellt, die bereits jetzt in die anwaltliche Beratung einfließen sollten.

Im Einzelnen:

  1. Im Hinblick auf die geplanten Änderungen des Versorgungsausgleichs ist bis zu deren Inkrafttreten zu überlegen, ob für die vertretene Partei die Vorschriften des neuen Versorgungsausgleichgesetzes (VersAusglG) oder die bisherigen Regelungen des § 1587 BGB bzw. des VAHRG günstiger sind.

    Nach § 48 VersAusglG gilt ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens für alle Versorgungsausgleichsverfahren das neue Recht, wenn das Verfahren nach diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist, maßgebend ist also nicht mehr der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit. Es muss daher entweder der Scheidungsantrag oder der entsprechende Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichsverfahrens nach Inkrafttreten des VersAusglG anhängig gemacht worden sein.

    Die Anwendung des neuen Rechts gilt auch für diejenigen Fälle, in denen das Verfahren zwar noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingeleitet wurde, jedoch dann ausgesetzt und nach Inkrafttreten des Gesetzes wieder aufgenommen wurde. Unerheblich ist dabei, ob das Verfahren vor oder nach Inkrafttreten des Gesetzes ausgesetzt wurde. Entscheidend ist allein, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Inkrafttreten erfolgte.

    Die vorstehenden Regelungen haben auch Auswirkungen auf Abänderungsverfahren nach § 10a VAHRG: Ein nach derzeitigem gleich altem Recht eingeleitetes Abänderungsverfahren ist auch nach Inkrafttreten der Reform nach altem Recht zu entscheiden.

    Im Zusammenhang mit den vorstehenden Regelungen ist zunächst wesentlich darauf zu achten, welches Recht für die vertretene Partei günstigerweise angewandt werden sollte.

  2. Bei der Gegenüberstellung von altem und neuem Recht ist bei Anrechten der betrieblichen Altersversorgung zunächst die geänderte Einbeziehung betrieblicher Kapitalleistungen von Bedeutung:

    Nach der derzeitigen Rechtsprechung des BGH sind betriebliche Versorgungsanwartschaften, die vorrangig auf die Zahlung eines Kapitalbetrags gerichtet sind, ausschließlich beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn nachrangig eine Rentenzahlung zugesagt ist.

    Nach den vorgesehenen Neuregelungen des VersAusglG werden alle unter die Bestimmungen des BetrAVG fallenden Anrechte der betrieblichen Altersversorgung vom Versorgungsausgleich erfasst.

    Die Zuordnung einer betrieblichen Versorgung zum Zugewinnausgleich hat gegenüber der Zuordnung zum Versorgungsausgleich für beide Ehegatten je nach Sachlage unterschiedliche Auswirkungen. Es ist deshalb bei der Beratung des/der Mandanten/in zu prüfen, welches Recht (alt oder neu) bei betrieblichen Kapitalzusagen zu einem günstigeren Ergebnis führt.

  3. Die zukünftige Art des Ausgleichs betrieblicher Anrechte ist auch für diejenigen Fälle von Bedeutung, bei denen nach bisherigem Recht eine Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht kam. In diesen Fällen ist regelmäßig die zukünftige Regelung für beide Ehegatten gegenüber dem geltenden Recht günstiger.

  4. Statische oder teildynamische auszugleichende Anrechte werden nach den derzeitigen Regelungen entweder durch Barwertbildung oder mit Hilfe eines Deckungskapitals in ein vergleichbares Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet. Diese Umrechnung führt in aller Regel zu einer absoluten Benachteiligung des anderen Ehegatten.

    Nach den Neuregelungen der §§ 10 bis 12 VersAusglG erfolgt der Ausgleich der vorg. Versorgungen unter Zugrundelegung ihres Nominalwerts im Wege der internen Teilung, vergleichbar der jetzigen Realteilung, was zu einer wesentlichen Besserstellung des berechtigten Ehegatten führt.

    Übrigens: Falls ein Ausgleich der vorgenannten Anrechte nach altem Recht erfolgt ist, kann in vielen Fällen eine Abänderung der damals vorgenommenen Umrechnung beantragt werden (§ 51 Abs. 3 VersAusglG).

  5. Das sogenannte Rentner- bzw. Pensionärsprivileg, wonach gem. § 101 Abs. 3 SGB bzw. gem. § 57 Abs. 1 BeamtVG VI eine gesetzliche Rente bzw. eine beamtenrechtliche oder beamtenähnliche Pension oder eine von einem öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger bezahlte Rente aufgrund der Durchführung des Versorgungsausgleichs erst dann gekürzt wird, wenn der Berechtigte eine Rente bezieht, fällt künftig weg. Eine Kürzung der Rente erfolgt bereits im Kalendermonat, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Im Falle der Scheidung eines ausgleichspflichtigen Rentners sollte angestrebt werden, dass die Rechtskraft der Scheidung vor Inkrafttreten des VersAusglG erfolgt.

  6. Unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls findet nach § 27 VersAusglG künftig der Versorgungsausgleich dann nicht statt, wenn er grob unbillig ist. Eine darüber hinausgehende Konkretisierung entsprechend den derzeitigen Regelungen der §§ 1587c und 1587h BGB ist vom Gesetzgeber nicht vorgenommen worden. Letztendlich wird es die Aufgabe des Prozessbevollmächtigten sein, umfangreich hierzu vorzutragen, um dem Familiengericht die Möglichkeit einer Abwägung zu bieten.

  7. Die bisherigen Einschränkungen zur Genehmigung einer Vereinbarung gem. § 1587o BGB entfallen bei Anwendung des neuen Rechts. Das Familiengericht kann zukünftig eine Vereinbarung der Parteien nur insoweit prüfen, als Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse bestehen, die Vereinbarung muss einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten.

  8. Von Bedeutung sind bei der Beratung der Mandanten auch die Änderungen der bisherigen Regelungen des § 4 VAHRG (Rückfallprivileg) und § 5 VAHRG (Unterhaltsprivileg). Die entsprechenden Regelungen gelten zukünftig nur für Anrechte aus
    -der gesetzlichen Rentenversicherung
    -der Beamtenversorgung oder einer beamtenähnlichen Versorgung
    -einer berufsständischen Versorgung
    -der Alterssicherung der Landwirte
    -den Versorgungssystemen der Abgeordneten und derRegierungsmitglieder im Bund und in den Ländern
    -für Versorgungen, die zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung führen oder führen können.

    Der Rückfall von ausgeglichenen Anrechten der vorgenannten Art wird für den Verpflichteten gegenüber der bisherigen Regelung günstiger: Wenn der Berechtigte bis zu seinem Tod nicht mehr als 36 Monatsrenten in Anspruch genommen hat, wird der Versorgungsausgleich rückgängig gemacht.

    Die Regelungen zur Anrechnung nachehezeitlichen Ehegattenunterhalts sind zukünftig für den Unterhaltsschuldner wesentlich ungünstiger: Die Anrechnung erfolgt nur in Höhe des tatsächlich gezahlten Unterhalts.

    Bei Verfahren, die vor Inkrafttreten des VersAusglG eingeleitet worden sind, gilt weiterhin das alte Recht.

  9. Abschließend ist noch einmal auf die in Mainz ausführlich diskutierte Möglichkeit aktuelle Versorgungsausgleichsverfahren durch Aussetzung in das neue Recht zu transferieren. Zwar sieht das Gesetz eine einvernehmliche Aussetzung des Verfahrens nicht vor. Es besteht jedoch für die Beteiligten die Möglichkeit, einen Rechtsstreit über eine Anwartschaft oder eine Aussicht auf eine Versorgung gerichtlich derart anhängig zu machen, dass die Aussetzung des Versorgungsausgleichsverfahrens nach § 53 c Abs. 2 Satz 1 Abs. 2 S. 1 FGG erforderlich ist.

  10. Sowohl die Anwälte als die Familiengerichte werden sich in der Übergangsphase verstärkt mit den Alt- und Neuregelungen des Versorgungsausgleichs beschäftigen müssen, um eine interessengerechte Regelung im Einzelfall herbeizuführen.

Quelle: Klaus Weil, Fachanwalt für Familienrecht - Beitrag für den Darmstädter Kreis vom 18.06.08