Familienrecht -

Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

Der Deutsche Bundestag hat am 21.02.2008 das „Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren“ beschlossen. Der Beitrag erläutert die zentrale neue Vorschrift des § 1598a BGB n.F. und das Verfahren zur Durchsetzung des hierdurch begründeten Anspruchs auf zur Vaterschaftsklärung.

Mit dem „Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren“ kommt der Gesetzgeber der Aufforderung des BVerfG (Urteil vom 13.02.2007 –1 BvR 421/05) nach, bis zum 31.03.2008 eine gesetzliche Regelung zur isolierten Feststellung der Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater zu treffen. Das Gesetz beruht auf einem Entwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 16/6561 und BT-Drucks. 16/6649) und auf der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20.02.2008 (BT-Drucks. 16/8219). Zwei Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs sind hierbei hervorzuheben. Die ursprünglich auch für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren vorgesehene Kinderschutzklausel sowie der ursprünglich vorgesehene Neubeginn der Frist für eine Vaterschaftanfechtung nach einem Klärungsverfahren wurden gestrichen.

I. Anspruchsgrundlage

Zentrale Vorschrift des Gesetzes ist § 1598a BGB n.F.. Dieser begründet in Abs. 1 einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung eines Kindes und auf Duldung einer Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe. Anspruchsberechtigte bzw. Anspruchsgegner sind der gesetzliche Vater, die Mutter und das Kind. Von der Aufnahme des biologischen Vaters in den Kreis der Klärungsberechtigten hat der Gesetzgeber ausdrücklich abgesehen. Dies hätte nämlich zur Folge haben können, dass der biologische Vater ein Klärungsrecht hätte, ohne die Pflichten eines rechtlichen Vaters übernehmen zu müssen. Dem biologischen Vater steht unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Ziffer 2, Abs. 2 und Abs. 3 BGB ein Recht auf Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters zu, wobei eine danach erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung nach § 640h Abs. 2 ZPO die Feststellung beinhaltet, dass der anfechtende biologische Vater dann auch automatisch der rechtliche Vater des Kindes wird, was von Amts wegen im Urteilstenor auszusprechen ist.

Weitere Voraussetzungen hat der Gesetzgeber nur für die Probeentnahme aufgestellt. Diese muss nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden (§ 1598a Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.). An die vom Klärungsberechtigten in Auftrag zu gebende gentechnische Untersuchung hat der Gesetzgeber trotz erheblicher Kritik im Gesetzgebungsverfahren keine weiteren Anforderungen gestellt. Dennoch sollte jeder Klärungsberechtigte darauf achten, dass die Abstammungsuntersuchung nach den neuesten Richtlinien der Bundesärztekammer für die Erstattung von Abstammungsgutachten (siehe Deutsches Ärzteblatt 2002, 99(10), A-665;  FamRZ 2002, 1159 ff.) durchgeführt wird. Nur so kann er sicherstellen, dass das eingeholte Gutachten in einem sich möglicherweise anschließenden Anfechtungsverfahren verwertbar ist.

Der Anspruch auf eine genetische Abstammungsuntersuchung unterliegt nicht der Verjährung (§ 194 Abs. 2 BGB n.F.).

Durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1598a Abs. 2 BGB n.F. wird die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage (§ 1600b BGB) gehemmt, vgl. § 1600b Abs. 5 BGB n.F..

Wird ein Abstammungsgutachten eingeholt, hat nach § 1598a Abs. 4 BGB n.F. der Einwilligungspflichtige einen Anspruch auf Einsicht oder Aushändigung einer Abschrift des Gutachtens.

II. Gerichtsverfahren

Verweigert ein Anspruchsgegner die Einwilligung, hat das Familiengericht (§ 1598a Abs. 2 n.F.) die nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen. Auch der Anspruch auf Einsicht in das Gutachten ist vor dem Familiengericht (§ 1598a Abs. 4 S. 2 BGB n.F.) geltend zu machen. Dieses entscheidet durch Beschluss, wenn die Parteien keinen endgültigen Vergleich schließen.

Örtlich zuständig für das Verfahren ist grundsätzlich das für den Wohnsitz des Kindes zuständige Familiengericht. Nach § 640 ZPO n.F. handelt es sich bei den Ansprüchen nach § 1598a BGB n.F. um Kindschaftssachen, wobei nach § 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. jedoch die Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden sind. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich somit nicht aus § 640a ZPO sondern aus den §§ 64 Abs. 3. Satz 2, 36 FGG.

Sobald minderjährige Kinder an einem Verfahren beteiligt sind, stellt sich immer die Frage der Prozessfähigkeit, d.h. wer das Kind in dem Verfahren vertritt. Nach § 1629 Abs. 2a BGB n.F. können weder die Mutter noch der Vater in einem Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB n.F. ein minderjähriges Kind vertreten, mit der Folge, dass in diesen Verfahren immer ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) zu bestellen ist, wenn ein minderjähriges Kind Antragsteller oder Antragsgegner ist. Für Anträge nach § 1598a Abs. 4 BGB n.F. bleibt es bei der Regelung der § 1629 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i.V.m. § 1795 BGB.

Da es sich um Kindschaftssachen im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 10 ZPO (vgl. § 640 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO n.F.) handelt, ist nach § 78 Abs. 2 ZPO vor dem Familiengericht eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich.

Beschränkt wird der Anspruch nach § 1598a Abs. 1 BGB n.F. im Ergebnis ausschließlich durch die Möglichkeit einer Verfahrensaussetzung nach § 1598a Abs. 3 BGB n.F. (Kinderschutzklausel). Nach dieser Vorschrift hat das Familiengericht unter engen Voraussetzungen die Möglichkeit, ein Vaterschaftsklärungsverfahren auszusetzen. Da im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, hat das Familiengericht bei entsprechenden Anhaltspunkten gegebenenfalls auch Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben. Zu beachten ist bei der Auslegung der Kinderschutzklausel, dass durch den Begriff der erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls der Ausnahmecharakter betont werden soll und dass auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.2007 grundsätzlich den Interessen des Klärungsberechtigten der Vorrang gegenüber anderslautenden Interessen des Kindes einzuräumen ist (BT-Drucks. 16/6561, S. 13).

Für das Verfahren ist zu beachten, dass nach § 49a Abs. 2a FGG n.F. das Familiengericht vor einer Entscheidung über die Ersetzung der Einwilligung eines minderjährigen Kindes und die Anordnung der Duldung einer Probeentnahme das Jugendamt anhören kann. Zwar hat der Gesetzgeber eine Anhörung des Jugendamts in das Ermessen des Gerichts gestellt. Da im Rahmen der Kinderschutzklausel jedoch das Kindeswohl zu berücksichtigen ist, wird eine Beteiligung des Jugendamts in der Regel notwendig sein, es sei denn dieses ist als Ergänzungspfleger für das Kind sowieso schon am Verfahren beteiligt.

In dem Verfahren sind nach § 56 Abs. 1 FGG n.F. vor einer Entscheidung nach § 1598a Abs. 2 BGB n.F. beide Elternteile sowie Kinder, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, persönlich anzuhören. Die Anhörung jüngerer Kinder steht im pflichtgemäßen Ermessen des Familiengerichts und kann insbesondere für eine etwaige Aussetzung des Verfahrens von Bedeutung sein.

Für Entscheidungen nach § 1598a Abs. 4 BGB n.F. gelten keine besonderen Anhörungspflichten.

Entgegen § 16 Abs. 1 FGG werden Entscheidung nach § 1598a Abs. 2 BGB n.F. aus Gründen der Rechtssicherheit erst mit Rechtskraft wirksam (§ 56 Abs. 2 FGG n.F.). Für Entscheidungen nach § 1598a Abs. 4 BGB n.F. gilt demgegenüber § 16 Abs. 1 FGG.

Entscheidung nach § 1598a Abs. 2 und Abs. 4 BGB n.F. sind mit der befristeten Beschwerde und der Rechtsbeschwerde anfechtbar (§ 621e Abs. 1 und 2 ZPO n.F.).

Da es sich um Kindschaftssachen im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 10 ZPO (vgl. § 640 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO n.F.) handelt, gilt nach § 78 Abs. 3 ZPO vor dem Oberlandesgericht Anwaltszwang.

Beschwerdeberechtigt sind nach § 56 Abs. 3 FGG n.F. ausschließlich die Antragsberechtigten nach § 1598a Abs. 1 BGB n.F.. Fraglich könnte sein, ob auch das Jugendamt nach den §§ 57 Ziffer 9, 64 Abs. 3 S. 3 FGG beschwerdeberechtigt ist, z.B. um eine Verfahrensaussetzung nach § 1598a Abs. 3 BGB n.F. zu erreichen, oder ob § 56 Abs. 3 FGG n.F. abschließend ist.

III. Vollstreckung

Rechtskräftige Entscheidungen nach § 1598a Abs. 2 und 4 BGB n.F. oder entsprechende gerichtliche Vergleiche sind nach den § 56 Abs. 4 FGG n.F. i.V.m. § 33 FGG vollstreckbar, d.h. mit Zwangsgeld. Bei wiederholter unberechtigter Verweigerung der Untersuchung kann auch unmittelbarer Zwang, insbesondere die zwangsweise Vorführung zur Untersuchung aufgrund einer besonderen Verfügung des Familiengerichts, das die Entscheidung erlassen hat, angeordnet werden (§ 56 Abs. 4 FGG n.F. i.V.m. § 33 Abs. 2 FGG). Die Vollstreckung der Duldung einer Probeentnahme ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn die Art der Probeentnahme der zu untersuchenden Person nicht zugemutet werden kann (vgl. § 56 Abs. 4 Satz 1 FGG n.F.). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn durch die Art der Probeentnahme gesundheitliche Schäden für den zu Untersuchenden zu befürchten sind (BT-Drucks. 16/6561, S. 16). Über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung entscheidet das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, nach Anhörung der Parteien (§ 56 Abs. 4 Satz 2 FGG n.F.) durch Beschluss. Die Ersetzung der Einwilligung erfolgt automatisch mit Rechtskraft der Entscheidung (§ 894 ZPO).

IV. Ausblick

Auch wenn der Gesetzgeber nun ein sachgerechtes Verfahren für eine einfache Vaterschaftsklärung unabhängig von einem Anfechtungsverfahren geschaffen hat und heimliche Vaterschaftstest nach unserer Rechtsordnung nicht anerkannt werden dürfen, bleibt zu befürchten, dass auch in Zukunft heimliche Vaterschaftstests durchgeführt werden. In einem rechtsstaatlichen Verfahren müssen alle Betroffenen eingebunden sein und genau diese Offenheit dürften viele Väter, die Zweifel an einer Vaterschaft haben, scheuen. Heimliche Vaterschaftstests könnten erst durch ein auch im Gesetzgebungsverfahren mehrfach angesprochenes Gendiagnostikgesetz wirklich erschwert werden. Durch ein derartiges Gesetz könnten die Labors dazu verpflichtet werden, nur noch genetische Untersuchungen von Proben durchzuführen, die auf legalem Wege, d.h. mit dem Einverständnis der Personen von denen die zu untersuchenden Proben stammen, erlangt wurden.


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Quelle: Richter am Amtsgericht Stefan Knoche - Beitrag vom 10.03.08