Familienrecht -

Keine ehebedingten Nachteile wegen verringerter Rentenanwartschaft

Urteilsbesprechung mit Praxishinweis: Der Wegfall der öffentlichen Zusatzversorgung infolge einer Berufsunterbrechung steht der Befristung des Aufstockungsunterhalts entgegen.

Dier Entscheidung: OLG Celle, Urt. v. 08.08.2008 — 21 UF 65/08, OLGReport Celle 2009, 176

Leitsätze

1. Grundsätzlich können ehebedingte Nachteile nicht mit den durch Berufsunterbrechungen während der Ehe bedingten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist.

2. Dennoch ist der nacheheliche Unterhaltsanspruch nicht zu befristen, wenn die Berufsunterbrechung während der Ehe dazu geführt hat, dass sie keinen Anspruchs auf Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben hat und dieser Nachteil wegen des Eintritts in die Altersrente nicht mehr ausgeglichen werden kann.

Darum geht es
Die Ehefrau (geb. 28.08.1942) hat nach Abschluss der Handelsschule eine Berufsausbildung zur Fotolaborantin erfolgreich absolviert. Die Heirat erfolgte 1968, die Scheidung 1990. Aus der Ehe sind zwei Kinder (geb. 1968 und 1970) hervorgegangen.
Von 1963 bis 1970 war sie als Verwaltungsangestellte tätig. Diese Tätigkeit hat sie in Absprache mit dem Ehemann aufgegeben, um die Kinder zu betreuen. Es handelt sich dabei um ein gemeinsames Familienkonzept, das der Ehemann 17 Jahre lang mitgetragen hat. In der Folgezeit hat sie nur noch Aushilfstätigkeiten ausgeübt. Seit 1987 war sie bis zum Eintritt in die Altersrente (2005) in Vollzeit bzw. zuletzt in Teilzeit (3/4—Stelle) als kaufmännische Angestellte beschäftigt.

Entscheidungsgründe
Mit Urteil vom 25.09.1991 wurde der Ehemann verurteilt, nachehelichen Unterhalt (Aufstockungsunterhalt) in Höhe von jeweils monatlich 385,34 € (=753,66 DM) Elementarunterhalt und 93,03 € (= 181,95 DM) Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Die Klage, mit welcher der Ehemann den Wegfall seiner Unterhaltspflicht für den Zeitraum seit 01.11.2007 erstrebt hat, wurde abgewiesen. Die Berufung blieb ohne Erfolg.

Die geschiedene Ehefrau hat Umstände dargelegt, die trotz der — von ihr auch erfüllten — Obliegenheit zur Übernahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit fortdauernde ehebedingte Nachteile begründen, nämlich dass sie infolge der Aufgabe ihrer Tätigkeit als Verwaltungsfachangestellte über ein geringeres Einkommen verfügt, als es ohne die Ehe und Kindererziehung der Fall wäre. Zwar ergeben sich die ehebedingten Nachteile nicht aus den nicht unerheblich reduzierten eigenen Rentenanwartschaften. Denn ehebedingte Nachteile können regelmäßig nicht mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe und den dadurch bedingten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit der Versorgungsausgleich — wie hier — vollständig durchgeführt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2007 — XII ZR 16/07, DRsp Nr. 2007/22815 = FamRZ 2008, 134).

Hätte die Beklagte indes auch im Zeitraum nach der Ehescheidung bis zum Eintritt in die Altersrente, d.h. für rund 15 Jahre, weiterhin ihre Tätigkeit als Verwaltungsangestellte ausgeübt, stünde ihr neben der gesetzlichen Rente jedenfalls ein Anspruch auf eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu. Insoweit wirkt sich die Tatsache, dass sie ihre Tätigkeit als Verwaltungsangestellte während der Ehe zugunsten von Kinderbetreuung und Haushaltsführung aufgegeben hat, noch immer und gerade seit Eintritt in die Altersrente nachteilig für sie aus. Da die Beklagte seit September 2005 Altersrente bezieht, besteht für sie auch keine Möglichkeit mehr, diesen ehebedingten Nachteil auszugleichen, so dass von einem dauerhaften ehebedingten Nachteil auszugehen ist.

Praxishinweis
Wenn die Unterhaltsberechtigte wieder vollschichtig in ihrem erlernten Beruf arbeitet und damit das Einkommen erzielt, das sie ohne Ehe erzielen würde, ist davon auszugehen, dass dieses Einkommen ihren gesamten Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen deckt.

Folglich bestehen insofern keine ehebedingten Nachteile und daher steht einer Befristung des Nachscheidungsunterhaltes allenfalls noch ein besonderer Vertrauensschutz im Wege.

Dann ist es Sache der Unterhaltsberechtigten, solche Tatsachen substantiiert vorzutragen, aus denen sich dennoch fortwirkende ehebedingte Nachteile ergeben und diese ggf. nachzuweisen (BGH, Urt. v. 16.04.2008 — XII ZR 107/06, DRsp Nr. 2008/12035 = FamRZ 2008, 1325; siehe auch BGH, Urt. v. 14.11.2007 — XII ZR 16/07, DRsp Nr. 2007/22815 = FamRZ 2008, 134, 136; OLG Brandenburg, Urt. v. 22.04.2008 — 10 UF 226/07, DRsp Nr. 2008/10364 = FamRZ 2008, 1952).

Auch die Möglichkeit einer Tätigkeit im erlernten Beruf ist als Indiz für das Fehlen ehebedingter Nachteile anzusehen (OLG Stuttgart, Urt. v. 05.08.2008 — 17 UF 42/08, FamRZ 2008, 2208).

Berufsunterbrechungen während der Ehe führen auch zu Nachteilen beim Erwerb eigener Rentenanwartschaften , die aber über den Versorgungsausgleich ausgeglichen werden (vgl. Viefhues/Mleczko, Das neue Unterhaltsrecht, 2008, Rdnr. 352, 451, 455). Die gleichen Überlegungen gelten auch zu dem Argument, die Berechtigte habe mangels eigener Einkünfte kein eigenes Vermögen ansparen können. Denn diese Nachteile werden im Rahmen des Zugewinns ausgeglichen.

Ergeben sich aber nach dem Ende der Ehe daraus weitere Nachteile , so steht der durchgeführte Versorgungsausgleich nicht als Grund entgegen, diese Nachteile als ehebedingt im Sinne des § 1578b BGB anzuerkennen. Im konkreten Fall konnte die Ehefrau nach der Scheidung keine Anwartschaften in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes mehr erwerben.

Ähnliches gilt, wenn die Berechtigte ab Rechtskraft der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit mehr finden und damit für diesen Zeitraum auch keine entsprechenden Rentenanwartschaften erzielen kann (OLG Zweibrücken, Urt. v. 08.02.2007 — 2 UF 138/07,  DRsp Nr. 2008/19594 = FuR 2009, 60; ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.09.2008 — II - 8 UF 212/07, DRsp Nr. 2008/19487 = FamRZ 2009, 123, 124).

Ob bei einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs bzw. bei Gütertrennung etwas anderes gilt, ist fraglich. Teilweise wird hier ein Nachteil iSd § 1578b BGB anerkannt (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.09.2008 — 2 UF 5/02, DRsp Nr. 2009/3507 = FF 2008, 466 = FUR 2008, 614). Dagegen lässt sich jedoch argumentieren, dass mit der wirksamen Regelung über den Ausschluss diese Positionen abschließend geregelt und einvernehmlich dem Ausgleich entzogen worden sind und dies nicht über den Unterhalt konterkariert werden dürfe. Der BGH hat bislang lediglich einen Fall entschieden, in dem die Ehefrau durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs besser gestellt worden ist (BGH, Urt. v. 25.06.2008 — XII ZR 109/07, DRsp Nr. 2008/13903 = BGH NJW 2008, 2644 = FamRZ 2008, 1508).

Weiterführende Informationen in rechtsportal.de/familienrecht:
  • Bibliothek, Lexikon des Unterhaltsrechts, Stichwort „Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB)


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Quelle: Dr. Wolfram Viefhues, weiterer aufsichtführender Richter am AG Oberhausen - Urteilsbesprechung vom 27.07.09