Familienrecht -

Mindestunterhalt minderjähriger Kinder

Die Unterhaltsrechtsreform will das Unterhaltsrecht vereinfachen. Ob die Übergangsregelung zum Mindestunterhalt dazu beiträgt, darf bezweifelt werden.

Mit dem voraussichtlichen Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform zum 01.01.2008 wird der Mindestunterhalt für minderjährige Kinder erstmals gesetzlich geregelt. Der folgende Beitrag stellt alte und neue Rechtslage gegenüber und erläutert die überraschende Übergangsregelung.

I. Rechtslage bis 31.12.2007

 

 

Vor dem 01.07.1998 enthielt das BGB in §1615f BGB damaliger Fassung und in §1610 Abs. 3 BGB damaliger Fassung eine Regelung, die den Regelbedarfssätzen der damaligen Regelunterhalts-Verordnung die Funktion zuwies, den Mindestbedarf eines Kindes zu beziffern.

 


Diese Regelungen wurden durch das KindUG zum 01.07.1998 aufgehoben, da die Regelunterhaltsverordnung durch die Regelbetrag-Verordnung ersetzt wurde, deren Funktion es ausdrücklich nicht mehr war, den Mindestbedarf eines Kindes zu definieren, sondern die lediglich dazu diente, eine Bezugsgröße für die Dynamisierung des Unterhalts zur Verfügung zu stellen.

 


Somit kannte das Gesetz bis zum Inkrafttreten der neuerlichen Unterhaltsrechtsreform zum 01.01.2008 keine Definition des Mindestbedarfs mehr. Obwohl nach dem ausdrück-lichen Willen des Gesetzgebers des KindUG die Regelbeträge gerade nicht den Mindest-bedarf definieren sollten, weil bekanntlich zur Deckung des Existenzminimums eines Kindes höhere Beträge erforderlich sind, als die RegelbetragVO aufweist, hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 06.02.2002 (FamRZ 2002, 536 = NJW 2002, 1269) allen Versuchen, für die Beweislastverteilung von einem Mindestunterhalt oberhalb der Regelbeträge auszugehen, eine Absage erteilt.

 


Dies wurde allgemein als unbefriedigend empfunden, zumal der BGH an anderer Stelle das Existenzminimum des Kindes mit 135 % der Regelbeträge der RegelbetragVO als Einsatzbetrag für die Mangelfallberechnung anerkannte (vgl. BGH, FamRZ 2003, 363 = NJW 2003, 1112).

 

 

II. Rechtslage ab 01.01.2008

 

 

1. Mindestunterhalt gem. § 1612a BGB

 

 

Mit der am 01.01.2008 in Kraft tretenden Unterhaltsrechtsreform hat der Gesetzgeber die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung des Mindestbedarfs minderjähriger Kinder aufgegriffen und den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder in §1612a BGB und –abweichend hiervon– in §35 Nr. 4 EGZPO gesetzlich geregelt .

 


Nach künftigem Recht definiert §1612a Abs. 1 BGB den Mindestunterhalt , der zugleich die Bezugsgröße für eine Dynamisierung darstellt.

 


Der Mindestunterhalt orientiert sich am steuerlichen Existenzminimum (§1612a Abs. 1 Satz 2 BGB), nämlich an dem doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (so genannter Kinderfreibetrag, §32 Abs. 6 Satz 1 EStG).

 


Die bisherigen Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern, wie sie bislang die RegelbetragVO noch kennt, entfallen künftig. Es gilt ein einheitlicher Mindestunterhalt . Dies ist eine zwangsläufige Folge der Anknüpfung an den steuerlich zu berücksichtigenden Bedarf der Kinder, der nur einheitlich festgestellt werden kann.

 

Da das Steuerrecht kein nach Altersstufen abgestuftes steuerliches Existenzminimum kennt, familienrechtlich jedoch der Bedarf eines Kindes danach variiert, welcher Altersstufe das Kind angehört, sieht §1612a Abs. 1 Satz 2 BGB vor, dass die Prozentsätze, die ein Kind auf der Grundlage des steuerlichen Existenzminimums verlangen kann, ebenfalls nach Altersstufen variieren. Insofern bleibt es bei den bisherigen Altersstufen. In der ersten Altersgruppe (von 0–6 Jahren) sollen 85 %, in der zweiten (7– 12 Jahre) 100 % und in der dritten (13–17 Jahre) 115 % maßgebend sein.

 

 

Damit würden sich folgende Mindestunterhaltsbeträge ergeben:

 

 

 

0–6 Jahre 265 € Ost und West
7–11 Jahre 304 € Ost und West
ab 12 Jahre 356 € Ost und West

Diese Neufestsetzung der Mindestunterhaltsbeträge würde allerdings teilweise zu einer Absenkung der Zahlbeträge führen, die den betroffenen Kindern tatsächlich zufließen. Dies hängt damit zusammen, dass zum 01.01.2008 zugleich eine Änderung des Rechts der Kindergeldanrechnung (§1612b BGB) eintritt und das Kindergeld künftig –bei minderjährigen Kindern hälftig und bei volljährigen Kindern in voller Höhe– bedarfsmindernd auf den Unterhalt des Kindes angerechnet wird.

Die bisherige Regelung des §1612b Abs. 5 BGB, wonach eine Kindergeldanrechnung nur erfolgte, soweit das Kindergeld mit dem Unterhalt 135 % des jeweiligen Regelbetrags übersteigt, ist aufgehoben. Deshalb kann künftig auch vom Mindestunterhalt minderjähriger Kinder das halbe Kindergeld in Abzug gebracht werden. Dies würde zu Zahlbeträgen führen, die in den unteren Einkommensgruppen unterhalb dessen liegen, was nach bisherigem Recht im Hinblick auf die durch §1612b Abs. 5 BGB a.F. eingeschränkte Kindergeldanrechnung zu zahlen war.

2. Übergangsmindestunterhalt des § 35 Nr. 4 EGZPO

Um eine Absenkung der Zahlbeträge zu vermeiden , hat der Gesetzgeber für die Praxis völlig überraschend eine Regelung in §35 Nr. 4 EGZPO eingeführt, die erstmals mit der Zuleitung eines Formulierungsvorschlags an den Rechtsausschuss am 05.11.2007 der Öffentlichkeit bekannt wurde.

Nach dieser Regelung beläuft sich der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder für eine Übergangszeit auf folgende Beträge:

0–6 Jahre 279 € Ost und West
7–11 Jahre 322 € Ost und West
ab 12 Jahre 365 € Ost und West

Mit der Einführung dieser neuen Beträge will der Gesetzgeber einen schonenden Übergang vom bisherigen System der Regelbeträge nach der RegelbetragVO zu der neuen Bezugsgröße des Mindestunterhalts nach §1612a BGB n.F. erreichen. Ausgangspunkt hierfür ist, dass wegen der durch die Neufassung des §1612b BGB geänderten Kindergeldanrechnung bei den in §1612a BGB n.F. genannten Regelbeträgen sich ein im Vergleich zum bisherigen Recht erheblich nach unten abweichender Zahlbetrag ergäbe. Mit der Regelung in §35 Nr. 4 EGZPO soll sichergestellt werden, dass das bislang geltende Unterhaltsniveau für den Kindesunterhalt durch die Unterhaltsrechtsreform nicht absinkt .

Dies wird dadurch erreicht, dass die in §35 Nr. 4 EGZPO genannten Beträge sich aus den bisherigen Regelbeträgen nach §1 RegelbetragVO, erhöht um das hälftige Kindergeld (77 €), errechnen. Es bleibt beim Wegfall der unterschiedlichen Behandlung in den alten und neuen Bundesländern, so dass sich das Unterhaltsniveau in den neuen Bundesländern deutlich erhöht.

Durch die „Übergangsmindestunterhaltsbeträge“ ergeben sich nach Abzug des anrechenbaren Kindergelds Zahlbeträge, die den jetzigen Zahlbeträgen nach den Regelbeträgen des §1 RegelbetragVO unter der Geltung des §1612b Abs. 5 BGB entsprechen.

Bei einem Kindergeldbezug von 154 € für das Kind ergeben sich auf der Grundlage der Mindestunterhaltsbeträge des §35 Nr. 4 EGZPO folgende Zahlbeträge:

0–6 Jahre 202 € Ost und West
7–11 Jahre 245 € Ost und West
ab 12 Jahre 288 € Ost und West

Weiterführende Informationen im Internet zum Download:

Quelle: Richter am Oberlandesgericht Klaus-Jürgen Grün - Beitrag vom 21.11.07