Familienrecht -

Möglichkeit der Reduzierung des Selbstbehalts durch gemeinsame Haushaltsführung

Leitsatz der Entscheidung: "Der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen kann um die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretende Ersparnis, höchstens jedoch bis auf sein Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen herabgesetzt werden."

Die grundsätzlichen Ausführungen des Bundesgerichtshofes in der Entscheidung vom 09.01.2008 zur Höhe des notwendigen Selbstbehalts und den Möglichkeiten einer Reduzierung dieses Selbstbehalts könnten zur Folge haben, dass in Zukunft Unterhaltsverfahren mit einem wesentlich höheren Aufwand betrieben werden müssen und dass eine rechtliche Beratung wesentlich schwerer wird. Ob die damit einhergehende Rechtsunsicherheit durch eine höhere Einzelfallgerechtigkeit ausgeglichen wird, wird die Zukunft zeigen.

Zunächst billigt der Bundesgerichthof in dieser Entscheidung nicht nur die Differenzierung zwischen dem notwendigen Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltsschuldners und demjenigen eines nicht erwerbstätigen Unterhaltsschuldners, sondern fordert diese sogar. Die Oberlandesgerichte, die in ihren Leitlinien bewusst auf eine derartige Differenzierung verzichtet haben - wie das Oberlandesgericht Frankfurt - werden darüber nachdenken müssen, ob sie insoweit ihre Leitlinien nicht ändern müssen.

Schade ist insoweit, dass der Bundesgerichtshof sich in der Entscheidung mit den Argumenten die gegen eine Differenzierung sprechen, nicht auseinandersetzt. Wie soll z.B. ein Arbeitsloser seiner Verpflichtung, sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen, nachkommen, wenn ihm der Selbstbehalt aufgrund seiner Arbeitslosigkeit auch noch gekürzt wird? Wie ist es einem Unterhaltsgläubiger zu vermitteln, wenn er aufgrund eines reduzierten Selbstbehalts von einem arbeitslosen Elternteil einen höheren Unterhalt beanspruchen kann als von einem vollerwerbstätigen Elternteil, dessen monatliches Nettoeinkommen unter Berücksichtigung von berufsbedingten Aufwendungen nur knapp über 900,00 € liegt? Ist es im Bereich des notwendigen Selbstbehalts wirklich möglich, Ausgaben durch eine sparsamere Lebensführung weiter zu reduzieren?

Ferner stellt der Bundesgerichtshof in der Entscheidung ausdrücklich fest, dass der notwendige Selbstbehalt im Falle einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufgrund ersparter Kosten für die Wohnung oder die allgemeine Lebensführung reduziert werden kann. Sehr ausführlich setzt der Bundesgerichtshof sich mit der Gegenmeinung auseinander, die in diesen Fällen grundsätzlich eine Reduzierung ablehnt.

Aber auch eine Pauschalierung der ersparten Kosten, die vielfach vertreten wird, dürfte nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht möglich sein. Vielmehr wird in jedem Einzelfall konkret zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang eine Reduzierung des Selbstbehalts gerechtfertigt ist, wobei das Existenzminimum nach den sozialhilferechtlichen Vorschriften die absolute Untergrenze darstellen soll. Nach den Unwägbarkeiten des neuen Unterhaltsrechts eröffnet sich hier eine weitere Unwägbarkeit, die die anwaltliche Beratungstätigkeit erheblich erschweren wird. Ob der dadurch bedingte Verlust an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden durch eine erhöhte Einzelfallgerechtigkeit ausgeglichen wird, darf durchaus bezweifelt werden.

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Quelle: Richter am Amtsgericht Stefan Knoche - Urteilsbesprechung vom 20.02.08