Familienrecht -

Reform familienrechtlicher Verfahren

Das Bundeskabinett hat eine grundlegende Reform familienrechtlicher Verfahren beschlossen.

Darüber hinaus soll das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Betreuung, Unterbringung, Nachlass, Register, Freiheitsentziehung) neu geregelt werden. Das Gesetz soll Mitte 2009 in Kraft treten.

I. Reform des familiengerichtlichen Verfahrens

Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen wird erstmals in einer einzigen Verfahrensordnung zusammengefasst und inhaltlich vollständig neu geregelt. Im Hinblick auf familiengerichtliche Verfahren sind u. a. folgende Änderungen vorgesehen:

  • Dringliche Kindschaftssachen, insbesondere Streitigkeiten über das Umgangsrecht müssen vorrangig und beschleunigt bearbeitet werden. Beiden Elternteilen soll der Umgang mit dem Kind auch während eines anhängigen Verfahrens möglich sein, damit die Beziehung nicht leidet. Die Verfahrensdauer in umgangsrechtlichen Verfahren (2005: im Schnitt 6,8 Monate) soll verkürzt werden. Einvernehmliche Lösungen der Eltern werden gefördert und auf eine klare Rechtsgrundlage gestellt.
  • Die Verfahren sollen zeitnah verhandelt werden. Das Gericht soll den Fall spätestens einen Monat nach Eingang des Antrags mit allen Beteiligten erörtern. Erste Priorität soll die einvernehmliche Lösung des Konflikts haben. Gelingt dies nicht, muss das Gericht über eine einstweilige Anordnung nachdenken.
  • In Fällen von Kindeswohlgefährdung kann das Gericht früher als bisher eingeschaltet werden. Es kann mit den Eltern ein sogenanntes „Hilfegespräch“ führen, um zu klären, wie die Familie unterstützt werden kann.
  • Die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte des betroffenen Kindes werden verstärkt. In schwierigen Fällen wird das Kind künftig von einem Verfahrensbeistand unterstützt. Dessen Aufgabe ist es, im gerichtlichen Verfahren die Interessen des Kindes zu vertreten und das Kind über den Ablauf des Verfahrens und die Möglichkeiten der Einflussnahme zu informieren. Im Gegensatz zum bisherigen Verfahrenspfleger kann der Verfahrensbeistand eine aktive Rolle in dem Konflikt übernehmen und zu einer einvernehmlichen Umgangsregelung – etwa durch Gespräche mit den Eltern – beitragen.
  • Die Beteiligung von Pflegepersonen am Verfahren wird erweitert. Pflegepersonen - z.B. Pflegeeltern - können künftig in allen Verfahren, die das Kind betreffen, hinzugezogen werden, wenn das Kind seit längerer Zeit bei ihnen lebt.
  • Die Vollstreckung von Sorge- und Umgangsentscheidungen wird schneller und effektiver. Bei Verstößen gegen Sorge- und Umgangsentscheidungen werden nicht mehr Zwangsmittel, sondern Ordnungsmittel verhängt. Diese können – anders als Zwangsmittel – auch noch nach Ablauf der Verpflichtung wegen Zeitablaufs festgesetzt und vollstreckt werden.
  • Künftig soll es möglich sein, einen Umgangspfleger zu bestellen. Dieser soll bei schwierigen Konflikten über den Umgang sicherstellen, dass der Kontakt des Kindes zu dem Umgangsberechtigten nicht abbricht.
  • Mit dem Großen Familiengericht soll die sachliche Zuständigkeit der Familiengerichte erweitert werden. Damit können künftig alle Streitigkeiten, die Ehe und Familie betreffen, von einem Gericht entschieden werden. Derzeit sind die Familiengerichte zwar für Scheidungsverfahren, Unterhaltsfragen und Streitigkeiten aus ehelichem Güterrecht zuständig. Zahlreiche vermögensrechtliche Streitigkeiten, die für die Unterhaltspflicht oder den Zugewinnausgleich bedeutsam sind, fallen aber in die Zuständigkeit der Amts- und Landgerichte. 

Das Bundesjustizministerium hatte darüber hinaus vorgeschlagen, das Scheidungsverfahren in bestimmten Fällen auch ohne Rechtsanwalt zu ermöglichen. Eine entsprechende Regelung ist im Kabinettentwurf nicht mehr enthalten, da die Vorbehalte im Bundestag dagegen zu groß sind. Vorgesehen war, dass Ehegatten ohne gemeinsame Kinder im gerichtlichen Scheidungsverfahren dann keinen Anwalt brauchen, wenn sie sich über den Ehegattenunterhalt (notariell beglaubigt) sowie über Hausrat und Ehewohnung (formfrei) geeinigt hatten. Es bleibt abzuwarten, ob die Länder, die sich mehrheitlich für das vereinfachte Scheidungsverfahren ausgesprochen haben, eine entsprechende Ergänzung des Reformentwurfs vorschlagen. Die Stellungnahme ist für Juli vorgesehen.

 

II. Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Das geltende Verfahrensgesetz (FGG) für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Betreuungs-, Unterbringungs-, Nachlass- und Registersachen) stammt aus dem Jahre 1898 und wurde vielfach geändert. Dieses Gesetz wird durch eine vollständige, moderne Verfahrensordnung mit verständlichen, überschaubaren und – soweit möglich - einheitlichen Strukturen für die verschiedenen Materien ersetzt.

Die neue Verfahrensordnung definiert erstmals umfassend die Verfahrensrechte und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten und sichert ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.

Das zersplitterte Rechtsmittelsystem der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird neu strukturiert und effizienter gestaltet. Um zügig Rechtssicherheit zu erhalten, wird die Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen künftig generell befristet. Die bisherige weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht wird ersetzt durch die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn eine Entscheidung geboten ist, um das Recht zu vereinheitlichen oder fortzubilden. Den Beteiligten wird damit in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erstmals der unmittelbare Zugang zum Bundesgerichtshof eröffnet. Dieser kann dadurch viel stärker als bisher die Materien der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Leitentscheidungen prägen und fortentwickeln, was mehr Rechtssicherheit für jeden Einzelnen bringt.

Umfassende Informationen finden Sie zu diesem Themen entnehmen Sie dem Gesetzesentwurf zum FGG-Reformgesetz (pdf).

Quelle: BMJ - Pressemitteilung vom 09.05.07