Familienrecht -

Stellungnahme des ISUV zum BGH-Urteil "nachehelicher Unterhalt"

Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) kritisiert das Grundsatzurteil des BGH zur Dauer des nachehelichen Unterhalts als unklar.

Wie lange „darf“ man betreuen, wann „muss“ man voll arbeiten? So betitelt der ISUV seine Stellungnahme zum Urteil des BGH vom 18. 03.2009 - XII ZR 74/08. Der Interessenverband sieht das Grundsatzurteil sehr kritisch, "weil es den Kampf um Unterhalt anheizt".

Der ISUV erklärt:

Der BGH stellt zwar auf den individuellen Einzelfall ab, was zu begrüßen ist, von einer „Billigkeitsprüfung der individuellen Umstände“ ist die Rede. Der Bundesvorsitzende Josef Linsler kritisiert: „Zur Überprüfung der individuellen Umstände werden jedoch Kriterien genannt, über die sich nach unseren Erfahrungen so richtig schön streiten lässt, weil sie schwer nachweisbar, weil sie im subjektiven Ermessen eines Richters liegen: ¿überobligatorische Belastung¿, ¿in der Ehe gewachsenes Vertrauen¿, ¿kindbezogene Verlängerungsgründe¿.“ „Zu begrüßen ist, dass der BGH die Schema-F Regelung nach dem alten Altersphasenmodell, mit Hilfe dessen man sich praktisch aus dem Berufsleben katapultieren konnte, ausdrücklich ablehnt.“, hebt Linsler hervor.

Sprecher des Bundesforums der ISUV-Kontaktanwälte, Rechtsanwalt Ralph Gurk ordnet die BGH-Rechtsprechung ein:

„Mit seiner Entscheidung hat es der BGH leider versäumt, den im Familienrecht tätigen Richtern und Anwälten klare Vorgaben für zukünftige Entscheidungen zu geben. Zwar überrascht es wenig, wenn der Senat es einem Kinder betreuenden Elternteil in Zukunft freistellen will, eine bereits aufgenommene Erwerbstätigkeit nach der Geburt des Kindes wieder aufzugeben, sofern das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Diese Rechtsprechung galt in der Vergangenheit bereits unter dem „Altersphasen-Modell“. Die heutige Entscheidung lässt aber für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes zu viel Raum für Unwägbarkeiten und Spekulationen. So findet sich in den Entscheidungsgründen eine auffällig intensive Auseinandersetzung mit dem Themenbereich von Einkünften aus sog. „überobligatorischen Tätigkeiten“, einem Aspekt also, der in der Vergangenheit mehr und mehr in Vergessenheit geraten war bzw. vernachlässigt wurde.

Außerdem heißt es in der Entscheidung weiter, dass der betreuende Elternteil sich in Zukunft zwar nicht (mehr) auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen kann, wenn die Betreuung des Kindes auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden kann. Im Umkehrschluss soll dieser Umstand aber nicht dazu führen, dass der Unterhaltsanspruch gänzlich entfällt und den betreuenden Elternteil die Obliegenheit trifft, seinen Lebensunterhalt durch eigene (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit zu decken.

Vielmehr sollen rechtlich nicht greifbare Gesichtspunkte wie beispielsweise „in der Ehe gewachsenes Vertrauen“ über die Frage, inwieweit trotzdem Unterhaltsansprüche fortbestehen (mit-) entscheidend sein. Eine klare „Marschrichtung“ bleibt der BGH also weiter schuldig.“

Der ISUV-Vorsitzende Josef Linsler glaubt:

„Tendenziell ist der BGH seiner Linie treu geblieben auf Einzelfallentscheidungen abzustellen. Tendenziell wird es noch vieler Urteile bedürfen, bis das neue Unterhaltsrecht ein geschlossen transparentes Bild ergibt, so dass das neue Recht für Betroffene vorhersehbar wird. Es steckt jedenfalls genügend Streitpotential im neuen Unterhaltstrecht, das die Bundesrichter nicht entschärft, sondern fast noch verschärft haben. Es ist noch ein weiter Weg bis dann hoffentlich feststeht, was „normal“ ist.“

Quelle: Interessenverband Unterhalt und Familienrecht - Pressemitteilung vom 18.03.09