Familienrecht -

Versorgungsausgleich und Startgutschriftenproblematik

Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweis: Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes und Startgutschriftenproblematik.

Die Träger der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes haben in ihren Satzungen die Regelungen über die Festlegung des Startguthabens (Startgutschrift) des Versicherten zum 01.01.2002 bundeseinheitlich neu geregelt.

Gegenstand der Neuregelung war die Umstellung von einem endgehaltsbezogenen Gesamtversorgungssystem zu einem auf den Erwerb von Versorgungspunkten (Punktemodell) beruhenden Betriebsrentensystem. Die darin enthaltene Übergangsregelung, nach der in jedem Jahr der Pflichtversicherung lediglich 2,25 % der Vollrente erworben werden, hat der BGH (BGH, FamRZ 2008, 395 ff.; FamRZ 2008, 1343 ff.) für die Gruppe der rentenfernen Versicherten (zum Begriff vgl. den Praxishinweis) für unwirksam erklärt. Für die übrigen Versicherten hat der BGH dagegen die Satzung und die enthaltenen Übergangsbestimmungen für wirksam erklärt (vgl. zuletzt für die rentennahen Versicherten BGH, Urt. v. 24.09.2008 – IV ZR 134/07; ferner OLG Saarbrücken, FamRZ 2008, 1865).

Folge ist, dass für die betroffenen rentenfernen Versicherten derzeit kein verbindliches Regelwerk als ausreichende Grundlage für die Feststellung der Altanwartschaften aus der Zeit vor der Umstellung vorliegt. Vor 2009 ist mit einer Neuregelung der Satzungen der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes nicht zu rechnen. Es fragt sich, wie die insoweit betroffenen Fälle derzeit zu behandeln sind.

Im entschiedenen Fall haben die Eheleute innerhalb der Ehezeit (01.05.1976 bis 31.10.2007) folgende monatliche regeldynamische Anwartschaften erworben:

Ehemann

Dt. Rentenvers. Braunschweig-Hannover

1.141,51 €

Ehefrau Dt. Rentenvers. Bund 961,95 €
Zusatzversorgungskasse des öff. Dienstes, umgewertet 353,88 €
VGH, umgewertet 46,48 €

Der Ehemann ist bereits Rentenbezieher. Für die Ehefrau als rentenferne Versicherte ergibt sich bei der Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes das Problem der Unwirksamkeit der Startgutschriftenregelung.

Entscheidungsgründe

Das OLG führt zunächst aus, dass alle auf Seiten des Ausgleichspflichtigen bestehenden Versorgungsanwartschaften bei der Durchführung des Ausgleichs zwingend heranzuziehen sind (dies betrifft Leitsatz 1). Insoweit folgt das OLG der h.M. (seit BGH FamRZ 1994, 90 ff, zuletzt BGH FamRZ 2008, 677, 678).


Stellt man die Startgutschriftenproblematik zunächst zurück, gilt für die Ausgleichsfolge Folgendes:

Art des Versorgungsrechts Ehemann Ehefrau
gesetzl.Rentenvers. 1.141,51 € 961,95 €
Zusatzversorgung des öff. Dienstes -- 256,64 €
VGH -- 46,48 €
Summe 1.141,51 € 1.265,07 €
Differenz -123,56 €
Hälfte -61,78 €


Dieser Ausgleichsanspruch ist dann durch das OLG teilweise durch analoges Quasisplitting gem. § 1 Abs. 3 VAHRG, i. Ü. durch erweitertes Splitting (Supersplitting) gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG erfüllt worden. Dabei hat das OLG hinsichtlich der bei der Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes und der VGH bestehenden Anwartschaften der Ehefrau die sog. Quotierungsmethode angewandt:

  • analoges Quasisplitting52,31 € zu Lasten der Zusatzversorgungskasse öff. Dienst

  • Supersplitting 9,47 € zu Lasten Deutsche Rentenversicherung Bund

Zur Startgutschriftenproblematik hat das OLG ausgeführt, dass bis zu einer Neuregelung der Satzung die bisherige Übergangsregelung weiterhin anzuwenden und den Versorgungsausgleich auf der Basis der danach erteilten Auskunft durchzuführen sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn – wie es hier der Fall ist – der Ausgleichsberechtigte bereits Rentenbezieher ist. Zudem hätten sich die Eheleute mit dieser Verfahrensweise auch einverstanden erklärt.

Praxishinweis:
Quotierungsmethode und Startgutschriftenproblematik

1.Quotierungsmethode
Die Quotierungsmethode gilt für Versorgungsträger, die auf der gleichen Ausgleichsstufe stehen, d. h. der gleichen Ausgleichsform unterliegen. Ein einfaches Beispiel (Abwandlung zu BGH FamRB 2005, 323) soll dies verdeutlichen:

Ausgleichsbilanz

Art des Versorgungsrechts Ehemann Ehefrau
berufsständ. Versorgung bei öff.-recht. Träger 400,00 € --
Zusatzversorgung des öff. Dienstes 200,00 € 150,00 €
umgewertete priv. Rentenvers. -- 150,00 €
Summe 600,00 € 300,00 €
Differenz 300,00 €
Hälfte = Ausgleichsbeitrag 150,00 €

Der Ehemann ist ausgleichspflichtig. Eine Realteilung der Rechte sehen die Versorgungen nicht vor.

Ein Ausgleich in Form des Splitting oder Quasisplitting, § 1587b Abs. 1 oder 2 BGB, scheidet mangels des Bestehens von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung auf Seiten des ausgleichspflichtigen Ehemannes aus. Eine Realteilung, § 1 Abs. 2 VAHRG, ist nicht möglich, siehe zuvor.

Das analoge Quasiplitting, § 1 Abs. 3 VAHRG, ist möglich, da beide Anrechte des ausgleichspflichtigen Ehemannes bei öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgern bestehen. Welcher dieser Versorgungsträger heranzuziehen ist, regelt dass Gesetz nicht. In derartigen Fällen sind die Versorgungsrechte gleichmäßig heranzuziehen, d. h. nach dem Verhältnis der ehezeitlichen Versorgungswerte zu verteilen (Quotierungsmethode).

Die Formel lautet:

Ausgleichsbetrag x auszugleichendes Recht : Summe der auszugleichenden Rechte


Im Beispielsfall ergibt sich folgende Verhältnisrechnung:

Ausgleichsbetrag 150,00 € 150,00 €
x auszgl. berufsständ. Versorgung 400,00 €

x auszgl. Zusatzversorgung öff. Dienst

200,00 €
: Summe auszgl. Rechte 600,00 € 600,00 €
ergibt 100,00 € 50,00 € 150,00 €


Es werden also im Wege des analogen Quasisplittings zu Lasten der Zusatzversorgung öffentlicher Dienst des Ehemannes 50 € sowie zu Lasten der berufsständischen Versorgung des Ehemannes weitere 100 € an Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung auf dem Rentenversicherungskonto der Ehefrau begründet.

Die Quotierungsmethode gilt zwischen mehreren Rechten, die der gleichen Ausgleichsform nach § 1 Abs. 2 oder 3 VAHRG unterliegen, d.h.

  • bei mehreren der Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG unterliegenden Rechten

  • bei mehreren dem analogen Quasisplitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG unterliegenden Rechten.

Die Quotierungsmethode gilt aber auch im Verhältnis von § 1 Abs. 2 VAHRG zu § 1 Abs. 3 VAHRG! Trifft also ein der Realteilung unterliegendes Recht mit einem dem analogen Quasisplitting unterliegenden Recht zusammen, so muss ebenfalls quotiert werden.
Die Quotierungsmethode gilt allerdings nicht im Bereich des § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, also zwischen mehreren möglichen erweiterten Ausgleichsformen. Hier steht es also dem Gericht frei, welches Recht es zum Ausgleich heranzieht (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2006, 275).

Im Fall des OLG Oldenburg waren 2 Versorgungsträger betroffen, die öffentlich-rechtlich organisiert sind (Zusatzversorgungskasse und VGH; mit VGH ist das entsprechende Versicherungsunternehmen anscheinend genannt). Für beide gilt dann (mangels Realteilung) das analoge Quasisplitting des § 1 Abs. 3 VAHRG als Ausgleichsform. Das OLG Oldenburg hat daher zu Recht die Quotierung angewandt. M. E. hätte dann aber der Betrag von 9,47 € nicht durch das Supersplitting des § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, sondern durch das vorrangige analoge Quasisplitting des § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der VGH ausgeglichen werden müssen.

2. Startgutschriftenproblematik
Die Startgutschriftenproblematik betrifft alle Versorgungen rentenferner Versicherter bei Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes. Rentenferne Versicherte sind Personen, die am 01.01.2002 noch keine 55 Lebensjahre alt gewesen sind. Die Startgutschriftenproblematik greift deshalb ein, wenn (vgl. auch Borth, FamRZ 2008, 326 f.)

  • der Versicherte ab dem 01.01.1947 geboren worden ist,

  • die Ehe vor dem 01.01.2002 geschlossen worden ist,

  • der Versicherte vor dem 01.01.2002 noch keine Versorgung bezogen hat.

Für diese Versichertengruppe kann derzeit die Höhe ihrer bei den Zusatzversorgungskassen bestehenden Versorgungen nicht abschließend bestimmt werden. Wie weiter vorzugehen ist, ist derzeit umstritten:

  • z.T. wird vertreten, dass der Versorgungsausgleich gleichwohl auf der Grundlage der erteilten Auskünfte durchzuführen ist, jedenfalls wenn nicht mit einem zeitnahen Eintritt des Versicherungsfalls zu rechnen ist (OLG Zweibrücken, FamRZ 2008, 1083),

  • nach überwiegender Ansicht ist der Versorgungsausgleich grds. auszusetzen (vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.09.2008 - 6 UF 158/07):

    eine Ansicht wendet dafür § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG analog an (OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 1086; OLG Naumburg, NJW 2008, 2594; OLG Köln, Beschl. v. 13.06.2008 - 4 UF 70/08),

    eine andere Ansicht stützt dies auf § 148 ZPO analog (OLG Brandenburg, NJ 2008, 373).


Bezieht der Ausgleichsberechtigte bereits eine Rente, so geht die derzeit wohl überwiegende Meinung wie hier das OLG Oldenburg davon aus, dass der Versorgungsausgleich dann durchzuführen ist (OLG Nürnberg, FamRZ 2008, 1087; Borth, FamRZ 2008, 326, 327 re. Sp.; tendenziell auch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.09.2008 - 6 UF 158/07 sowie OLG Köln, Beschl. v. 13.06.2008 - 4 UF 70/08). Grundlage sind dann die erteilten Auskünfte der Zusatzversorgungskasse auf der Grundlage der (unwirksamen) Übergangsregelungen. Ein Einvernehmen der Eheleute ist dabei sicherlich wünschenswert, m. E. aber nicht zwingend notwendig. Soweit nach einer Neuregelung der Satzung eine Änderung in dem Wert der Zusatzversorgung, der für den Versorgungsausgleich zu Grunde zu legen ist, erfolgt, sind die Parteien ausreichend durch die Abänderungsmöglichkeit nach § 10a VAHRG geschützt. Dass die Abänderung möglicherweise fehlschlägt, weil die dafür geforderten Mindestwerte nicht erreicht werden, ist aus Gründen der Rechtssicherheit und –klarheit hinzunehmen.

Quelle: Richter am OLG Frank Götsche - Entscheidungsbesprechung vom 03.11.08