Miet- und WEG-Recht -

BGB-Strukturen beim WEG-Mandat

Rechtsanwalt Thomas Hannemann ist Seniorpartner der Anwalts- und Steuerkanzlei Hannemann, Eckl & Moersch in Karlsruhe und Vorsitzender der ARGE Mietrecht und Immobilien im DAV. Beim Deubner Verlag ist er Mitherausgeber des "Handbuch des Mietrechts" und des "PraxisModul Mietrecht". Zusammen mit Hans-Joachim Weber, Vors. Richter am LG Konstanz, gibt er nun das neue "Handbuch des Wohnungseigentumsrechts" heraus. Rechtsanwältin Sigrid Fiebig, Online-Redakteurin im Deubner Verlag, sprach mit Hannemann darüber, welche Bedeutung die WEG-Reform für die anwaltliche Praxis hat.

Es gibt jetzt also eine Dreiviertelmehrheit?
Das bedeutet eine Art doppeltes Quorum. Z.B. brauchen wir Dreiviertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer bei einer Modernisierung, gleichzeitig muss diese Mehrheit mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile sein. Für normale Instandsetzungen, d.h. Mängelbeseitigung, reicht nach wie vor die einfache Mehrheit. Wenn ich aber darüber hinaus gehe und gleichzeitig auch modernisiere, brauche ich diese qualifizierte Mehrheit.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist jetzt teilrechtsfähig. Sind damit Vorteile verbunden?
Die Gemeinschaft ist insoweit teilrechtsfähig, als es die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums betrifft. Der BGH hat diese Teilrechtsfähigkeit geschaffen. Die Frage war, was ist eigentlich Vermögen der Gemeinschaft und wie wird es im Fall der Rechtsnachfolge übertragen. Beispielsweise zahlen alle Eigentümer in einen Topf eine Instandhaltungsrücklage ein. Damit kann sich im Laufe der Jahre ein erkleckliches Sümmchen ansammeln. Fraglich war, wie kann der Erwerber der einzelnen Eigentumseinheit in die Rechte an dieser Rücklage eintreten. Hierfür musste der Jurist einige Klimmzüge machen.

Und jetzt tritt der Erwerber in dieses anteilige Recht an der Instandhaltungsrücklage ein?
Jetzt haben wir einen Verband, der teilrechtsfähig ist und dem die Rücklage gehört. Ändert sich der Mitgliederbestand, gibt es juristisch gar kein Problem mehr, denn jeder eintretende neue Eigentümer erhält zugleich anteilige Rechte am Gemeinschaftsvermögen.

Ist die Höhe der Außenhaftung der Wohnungseigentümer jetzt begrenzt?
Ursprünglich waren alle Eigentümer Partei eines Vertrages mit einem Dritten und diesem Gläubiger gegenüber als Gesamtschuldner unbeschränkt haftbar. Er konnte sich damit einen der Eigentümer heraussuchen und ihn in voller Höhe in Anspruch nehmen. Der BGH hat diese fast bis zur Pleite des einzelnen Eigentümers führende Außenhaftung als misslich erachtet und auch deswegen auf einen Verband erkannt, wenn es um das Gemeinschaftseigentum geht, hinter dem sich insoweit die einzelnen Eigentümer verstecken können.

Der Verband haftet jetzt also mit seinem Vermögen?
Ja. Aber: Die Wohnung als solche gehört nicht zum Verband, sondern dem einzelnen Eigentümer und bleibt damit vor unmittelbaren Zugriffen geschützt! Allerdings ist daneben auch der einzelne Eigentümer im Außenverhältnis im Obligo, aber beschränkt auf seinen Miteigentumsanteil.

Nun gibt es ein begrenztes Vorrecht für Hausgeldforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft vor Grundpfandrechten in der Zwangsvollstreckung?
Wenn ein Eigentümer wirtschaftlich notleidend wird, hat das zur Folge, dass die anderen Eigentümer für seinen Gesamtkostenanteil (Strom, Wasser und Wärme) einspringen müssen. Wenn dann versucht wurde, auf den einzigen Vermögenswert des Eigentümers – eben seine Wohnung – zuzugreifen,  die in der Regel vollständig belastet war, dann gingen die Rechte der Banken vor. Jetzt sind die Ansprüche der Eigentümergemeinschaft im Ranking des § 10 ZVG nach oben geschoben worden.

Also, vor die dinglich abgesicherten Ansprüche der Kreditinstitute?
Im Fall einer Verwertung der Eigentumswohnung ist die Gemeinschaft vorrangig zu befriedigen. Immerhin besteht die Chance, jetzt einen Teil der Rückstände - die der letzten zwei Jahre - realisieren zu können. Die Gemeinschaft ist damit also besser gestellt – ohne schon einen Titel in den Händen halten zu müssen!

Die Beschlüsse müssen jetzt gesondert erfasst werden?
Ja. Anders ist es bei Gemeinschaftsordnungen oder sonstige Vereinbarungen, die nur dann für und gegen einen Sonderrechtsnachfolger wirken, wenn sie im Grundbuch eingetragen sind. Wenn man sich also über ihren Inhalt informieren kann, muss sich ein Erwerber den Inhalt von Beschlüssen – die z.B. jetzt sogar eine Vereinbarung ändern können, auch ohne eigene Kenntnis zurechnen lassen. Die Frage war daher, wie kann sichergestellt werden, dass ein Erwerber - bevor er kauft - auch genau weiß, was in dieser Eigentümergemeinschaft passiert ist und woran er gebunden ist. Um beim Wohnungskauf Sicherheit zu haben, gibt es jetzt die Beschlusssammlung. D.h., der Verwalter ist verpflichtet, alle Beschlüsse und gerichtlichen Entscheidungen in diese Beschlusssammlung unverzüglich aufzunehmen.

Und jetzt gilt das ZPO-Verfahren?
Das ist auch für die Anwälte wichtig: Das Verfahren läuft nun nach der ZPO. Früher galt das Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Daraus ergeben sich auch praktische Konsequenzen, z.B. sind nun strengere Fristen zu beachten. Ich muss vor Gericht die richtige Partei verklagen und gleich die richtigen Anträge stellen. Wer verliert, muss grundsätzlich die Kosten tragen.

Ende August erscheint jetzt das Praxishandbuch „Handbuch des Wohnungseigentumsrechts“, herausgegeben von Ihnen, Herr Hannemann, und Hans-Joachim Weber. Welche wichtigen Inhalte für die Praxis liefern Sie darin?
Wir haben im Buch die bisherige Rechtsprechung – soweit sie fortgilt – vollständig verarbeitet. Die materiell-rechtlichen und prozessualen Neuerungen stellen wir ausführlich dar. Und: Die Gesetzesmaterialen werden vollständig im Wortlaut, jeweils direkt der einzelnen Gesetzesnorm zugeordnet, abgedruckt.

Das WEG ist erst 1951 in Kraft getreten und unterscheidet sich vom klassischen BGB. Der „normale“ Gesetzesanwender hat oft „über dem Gesetz“ liegende Erwägungen angestellt und musste nach der Anspruchsgrundlage für sein Begehren suchen. Wir haben jetzt versucht, das WEG auf BGB-Strukturen zurückzuführen, indem wir, soweit es geht, an die entsprechende Anspruchsgrundlage angeknüpft haben. Damit wollen wir auch dem jungen Anwalt die Möglichkeit an die Hand geben, mit seinem gewohnten Instrumentarium zu arbeiten: „Wer will was von wem woraus“.

Geben Sie noch einen Praxistipp mit auf den Weg?
Wenn ich etwas ändern möchte, was nach altem Recht nur einstimmig möglich ist, empfiehlt es sich, dies auf jeden Fall nach dem 01.07.2007 zu machen, denn dann habe ich erleichterte Änderungsmöglichkeiten. Stehen Vollstreckungen im Raum – z.B. wegen rückständiger Wohngelder -, sollte man erst nach dem 01.07.2007 vorgehen, weil dann das bessere Ranking besteht. Jetzt habe ich noch die schlechtere Situation! Also, allgemein formuliert: Man muss jetzt genau überlegen, welche Rechtsänderungen kommen und ob es für den Mandanten günstiger ist, gewissermaßen jetzt noch schnell zuzuschlagen oder noch die geringfügige Zeit bis nach dem 01.07.2007 zu warten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: Sigrid Fiebig - Interview über die WEG-Reform mit RA Hannemann vom 28.06.07