Miet- und WEG-Recht -

Eigenbedarf von Gesellschaften

Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann der Vermieter kündigen, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Die Anwendung dieser Vorschrift auf Gesellschaften als Vermieter ist streitig. Bei der BGB-Gesellschaft hat der BGH mit Urteil vom 27.06.2007 – VIII ZR 271/06 den Eigenbedarf eines Gesellschafters der Gesellschaft zugerechnet.

I. Gesellschaften „wohnen“ nicht

1. Juristische Personen
Eigenbedarf im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB bedeutet Eigenwohnbedarf. Eine juristische Person kann als Vermieter keinen Eigenbedarf zum Wohnen haben. Eine AG oder GmbH wohnt nicht. Auch eine Wohnungsgenossenschaft, deren satzungsmäßiger Zweck die Versorgung ihrer Mitglieder mit Wohnraum ist, kann für sich keinen Eigenbedarf haben (BGH, WuM 2003, 691, 692).

2. Gesamthandsgesellschaften
Auch eine Personenhandelsgesellschaft wohnt nicht (BGH, WuM 2007, 457, 458 Rz. 10 und 459 Rz. 10). Darin unterscheidet sich eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft nicht von einer juristischen Person. Das gilt auch für eine BGB-Gesellschaft, die als rechtsfähige Personengesellschaft (BGHZ 146, 341) ebenso wie eine juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft schon begrifflich keinen Eigenbedarf haben kann (BGH, Urteil vom 27.06.2007 – VIII ZR 271/06, Rz. 18).

II. Zurechnung des Eigenbedarfs eines Gesellschafters
Nur eine natürliche Person kann Eigenbedarf haben. Fraglich ist, ob der Wohnbedarf eines Gesellschafters der Gesellschaft als Eigenbedarf zuzurechnen ist. Der Gesellschafter ist freilich weder mit der Gesellschaft identisch noch deren Familien- oder Haushaltsangehörige. Über die Erweiterung in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf Familien- und Haushaltsangehörige hinaus bestehen keine besonderen Zurechnungsnormen für fremde Bedarfspersonen. Die Rechtsgrundlage für eine etwaige weitergehende Zurechnung wird noch gesucht.

1. Juristische Personen
Der Wohnbedarf eines Aktionärs oder GmbH-Gesellschafters ist kein Eigenbedarf der Gesellschaft. Bei juristischen Personen ist der Wohnbedarf von Gesellschaftern oder Geschäftsführern nicht der Gesellschaft zuzurechnen. Das ist unstreitig (Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 Rdn. 45). Eine juristische Person ist gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigt (Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 98 f.). Deren privaten Belange können der juristischen Person nicht als Eigeninteresse zugerechnet werden.

2. BGB-Gesellschaft
Vermieter ist die GbR, nicht die einzelnen Gesellschafter (BGH, Urteil vom 27.06.2007 – VIII ZR 271/06, Rz. 11; BGHZ 146, 341, 343, 348). Bei einer BGB-Gesellschaft soll es aber genügen, wenn bei einem der Gesellschafter Eigenbedarf besteht. So die h.M., für die regelmäßig keine Begründung gegeben oder nur ein „gesteigerten Bezug der Gesellschafter zur Gesellschaft“ bei einer personalistischen GbR herangezogen wird (MK/Häublein, 4. Aufl., § 573 Rdn. 67; Weitemeyer, ZMR 2004, 165 f.).

Neues BGH-Urteil
Der BGH hat in seinem Urteil vom 27.06.2007 – VIII ZR 271/06 offen gelassen, ob aus dem „Wesen“ einer Gesamthandsgesellschaft im Unterschied zu einer juristischen Person eine Zurechnung des Eigenbedarfs eines Gesellschafters möglich ist. Nach Meinung des BGH ist eine Zurechnung im Ergebnis geboten, um einen Wertungswiderspruch zu dem Vergleichsfall, dass eine einfache Vermietermehrheit besteht, zu vermeiden (BGH, a.a.O., Rz. 15).

Vergleichsfall: einfache Vermietermehrheit
Eine einfache Vermietermehrheit ist insbesondere die Bruchteilsgemeinschaft von Miteigentümern (§§ 741 ff., 1008 ff. BGB), wie sie etwa regelmäßig beim Hausgrundstück oder Wohnungseigentum von Ehegatten anzutreffen ist. Bei mehreren Vermietern reicht nach allgemeiner Ansicht der Einzelbedarf eines Vermieters für eine Eigenbedarfskündigung aus (BGH, a.a.O., Rz. 19), die freilich von allen Vermietern gemeinsam erklärt werden muss. Nach Ansicht des BGH hängt es oft nur vom Zufall ab, ob eine Personenmehrheit, etwa ein Ehepaar, dem Mieter die Wohnung als Vermietermehrheit oder als GbR vermietet (BGH, a.a.O., Rz. 15). Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine Personenmehrheit nur als Gemeinschaft (Vermietermehrheit), nicht aber als BGB-Gesellschaft berechtigt sein sollte, sich auf einen eigenen Wohnbedarf eines ihrer Mitglieder zu berufen. Aus der Sicht der Vermieter sei die Interessenlage in beiden Fällen gleich (BGH, a.a.O., Rz. 15; ähnlich zuvor Jacoby, ZMR 2001, 412).

Nur personalistische GbR?
Die Zurechnung des Eigenbedarfs eines Gesellschafters ist nach Meinung des BGH nicht auf eine personalistischen GbR, bei welcher der Gesellschafterkreis überschaubar und dem Mieter namentlich bekannt ist, beschränkt (BGH, a.a.O., Rz. 16). Auch im Vergleichsfall einer einfachen Vermietermehrheit hängt die Berechtigung der Gemeinschaft, wegen des Einzelbedarfs eines Mitglieds zu kündigen, nicht von der Zahl der Vermieter ab.

Altgesellschafter
Zur Vermeidung einer Besserstellung der GbR beschränkt der BGH den zurechenbaren Einzelbedarf aber auf den Eigenbedarf von Gesellschaftern, die bereits bei Abschluss des Mietvertrags der BGB-Gesellschaft angehörten (BGH, a.a.O., Rz. 17). Der Wechsel im Mitgliederbestand einer GbR hat keinen Einfluss auf den Fortbestand des mit der Gesellschaft geschlossenen Mietvertrags. Ein Eigenbedarf von später hinzugetretenen Gesellschaftern ist der GbR aber nicht zuzurechnen und berechtigt sie daher nicht zu einer Eigenbedarfskündigung.

3. Personenhandelsgesellschaften
Rechtsprechung

Veröffentliche Rechtsprechung zur Eigenbedarfskündigung einer OHG oder KG gibt es nur wenig. Das AG Rendsburg hat einer OHG verwehrt, Eigenbedarf für einen Familienangehörigen eines ihrer Gesellschafter geltend zu machen (WuM 1996, 544). Nach LG Karlsruhe kann eine KG nicht wegen des Eigenbedarfs ihres persönlich haftenden Gesellschafters kündigen (WuM 1985, 148).

Schrifttum
Im Schrifttum überwiegt die Meinung, dass auch bei einer Personenhandelsgesellschaft der Eigenbedarf eines Gesellschafters der Gesellschaft zuzurechnen ist (Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2006, § 573 Rdn. 70). Trotz der in §§ 124, 161 Abs. 2 HGB ausdrücklich geregelten Rechtszuständigkeit der Gesellschaft bestehe aufgrund der persönlichen Haftung der Gesellschafter keine hinreichende rechtliche Trennung zwischen Gesellschafter und Gesamthandsgesellschaft.

Rechtsprechung des BGH
Der BGH hat im Urteil vom 23.05.2007 - VIII ZR 122/06 - offen gelassen, ob die KG Eigenbedarf für einen Gesellschafter geltend machen kann (WuM 2007, 457, 458 Rz. 10).

Das Urteil vom 27.06.2007 zur BGB-Gesellschaft lässt keine eindeutigen Rückschlüsse zu. Der Vergleich mit einer Gemeinschaft taugt für eine Personenhandelsgesellschaft freilich überhaupt nicht. Die Rechtsformwahl ist keineswegs zufällig. In Bruchteilsgemeinschaft von Miteigentümern lässt sich kein Betrieb führen.

Ob das „Wesen“ einer Gesamthandsgesellschaft, die keine juristische Person ist, die Zurechnung des Eigenbedarfs eines Gesellschafters zu begründen vermag, hat der BGH offen gelassen (Rz. 14). Jedenfalls rechtfertigt die persönliche Haftung der Ge-sellschafter nach seiner Ansicht nicht die Zurechnung eines Wohnbedarfs (Rz. 15).

Kritik
Für eine Zurechnung des privaten Wohnbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Familien- und Haushaltsangehörigen als Eigenbedarf einer Personenhandelsgesellschaft gibt es keinen rechtlichen Grund. Hinsichtlich ihrer Rechtszuständigkeit stehen sich Gesamthandsgesellschaft und juristische Person grundsätzlich gleich (Flume, a.a.O., S. 93). Die Gesellschafter sind durch den gemeinsamen Zweck des Betriebs eines Handelsgewerbes verbunden (§ 105 Abs. 1 HGB). Weder nach außen gegenüber dem Mieter noch im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern besteht bei der Vermietung einer Wohnung durch eine Personenhandelsgesellschaft eine Beziehung zum privaten Wohnbedarf der Gesellschafter (Harke, ZMR 2002, 407).

III. Betriebsbedarf
Für alle Gesellschaften gilt, dass sie als Vermieter nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben können, wenn die Wohnung für einen Mitarbeiter frei gemacht werden soll. Zu den Anforderungen an den sog. Betriebsbedarf hat der BGH in zwei neuen Urteilen vom 23.05.2007 – VIII ZR 113/06 und 122/06 ausgeführt, dass das Wohnen des Mitarbeiters gerade in dieser Wohnung nach seiner betrieblichen Funktion und Aufgabe für den Betriebsablauf von nennenswertem Vorteil sein muss (WuM 2007, 457 und 459). Der Gesellschaft ging es nach den tatsächlichen Feststellungen im Räumungsprozess in beiden Fällen im Wesentlichen darum, ihren Mitarbeitern nach langer und ungeregelter Arbeitszeit zu einem kurzen Heimweg zu verhelfen. Dies würde für eine Eigenbedarfskündigung als nachvollziehbarer und vernünftiger Grund ausreichen. Beim Betriebsbedarf geht es jedoch nicht um die privaten Interessen des Mitarbeiters, sondern um den betrieblichen Vorteil, den ein kürzerer Heimweg des Mitarbeiters aber nicht verschafft.

Quelle: RA Karl Friedrich Wiek - Beitrag vom 30.08.07