Miet- und WEG-Recht -

Geltendmachung von Wohnraummietzinsansprüchen im Urkundenprozess

Die Einwendung des nicht erfüllten Vertrags führt nicht zur Unstatthaftigkeit des Urkundenprozesses.

Mietforderungen aus Wohnraummietverhältnissen können auch dann im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn der Mieter wegen nachträglich entstandener – streitiger – Mängel der Mietsache die Nichterfüllung des Vertrags gem. § 320 BGB einwendet.

Worum ging es?

Die Revisionsklägerin war von ihrer Vermieterin unter Vorlage des Mietvertrags auf Zahlung von 3.680,08 € als rückständige Miete nebst Zinsen in Anspruch genommen worden. Sie verteidigte sich mit der Einrede des nichterfüllten Vertrags und trug weiterhin vor, die Geltendmachung von Mietzinsansprüchen im Urkundenprozess sei jedenfalls bei Wohnraummietverträgen nicht statthaft.

Das AG verurteilte sie unter Vorbehalt ihrer Rechte. Ihre Berufung hiergegen zum LG Berlin blieb - wie schließlich auch die Revision zum BGH - erfolglos.

Wie hat der BGH entschieden?

Mit seiner Entscheidung führt der BGH seine mit BGH, Urt. v. 01.06.2005 - VIII ZR 216/04, WuM 2005, 526 begonnene Rechtsprechung zur Geltendmachung von Mietzinsansprüchen im Urkundenprozess fort.

Seinerzeit hatte der BGH Minderungsansprüche wegen nachträglich aufgetretener Mängel zurückgewiesen. Er begründete dies damit, dass die Mangelfreiheit der Mietsache bei Vertragsabschluss nicht zu den vom Vermieter mittels Urkunden zu beweisenden anspruchsbegründenden Tatsachen i.S.v. § 592 ZPO gehöre. Die infolge einer Mangelhaftigkeit der Mietsache eintretende Mietminderung begründe eine materiellrechtliche Einwendung des Mieters, die im Prozess vom Mieter darzulegen und zu beweisen sei.

Der BGH hatte damals jedoch die Frage offen gelassen, ob dies auch dann gelte, wenn der Mieter sich wegen der behaupteten Mängel nicht (nur) auf sein Minderungsrecht berufe, sondern wie in dem nun zu entscheidenden Fall - auf die Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 BGB.

Der Senat beantwortet diese Frage nun dahingehend, dass die Klage des Vermieters im Urkundsprozess jedenfalls dann statthaft ist, wenn der Mieter die Wohnung unstreitig in vertragsgemäßem Zustand erhalten hat und er die Einrede des nichterfüllten Vertrags darauf stützt, ein Mangel sei nachträglich eingetreten. Hat nämlich der Mieter die Mietsache unstreitig mangelfrei erhalten, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, wenn er später eingetretene Mängel geltend macht und darauf gestützt die Einrede des nichterfüllten Vertrags erhebt.

Nach Auffassung des BGH vermeidet allein diese Ansicht einen ansonsten nicht lösbaren Widerspruch. Denn wenn sich ein Mieter auf während der Mietzeit eingetretene Mängel beruft und deshalb Mietminderung geltend macht, ist er grundsätzlich für deren Vorhandensein darlegungs- und beweispflichtig. Erhebt er darüber hinaus auch noch die Einrede des nichterfüllten Vertrags, kann dies nicht dazu führen, nunmehr dem Vermieter die Darlegungs- und Beweislast aufzuerlegen.

Auch wer die Einrede aus § 320 BGB geltend macht, muss beweisen, dass ihm eine unter das Gegenseitigkeitsverhältnis fallende Gegenforderung zusteht. Der das Zurückbehaltungsrecht des Mieters begründende, auf Mängelbeseitigung gerichtete Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB setzt bei einer mangelfrei übergebenen Mietsache das nachträgliche Eintreten eines Mangels voraus, für den der Mieter die Beweislast trägt.

Achtung:

Der BGH hat in dieser Entscheidung ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob etwas anderes gilt, wenn der Mieter geltend macht, er habe die Mietsache entweder überhaupt nicht oder Mängeln behaftet überlassen bekommen. Ist das Vorhandensein eines nachträglich eingetretenen Mangels hingegen unstreitig, ist der Urkundenprozess unstatthaft (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 536 Rdn. 474; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.04.2004 – 24 U 227/03, WuM 2004, 416).

Praxistipp:

Bei Abschluss des Mietvertrags sollte daher ein möglichst detailliertes Übergabeprotokoll angefertigt werden, in dem der Zustand der - zuvor gemeinsam besichtigten - Wohnung festgehalten wird.

Von formularmäßigen „Mangelfreiheitsbestätigungen“ ist hingegen abzuraten, da sie bei Wohnraummietverträgen gegen § 309 Nr. 12 b BGB verstoßen und der Mieter auch sonst nicht an ein formularmäßiges Anerkenntnis der Mängelfreiheit gebunden ist, wenn er den Mangel tatsächlich nicht kannte (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 536b Rdn. 13).

Quelle: RA Th. Emmert - Urteilsanmerkung vom 13.02.07