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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Aufrechterhaltung der U-Haft

Die Verfassungsbeschwerde eines Angeklagten, der sich seit einem Jahr und neun Monaten wegen des Verdachts der Vergewaltigung seiner Ehefrau in Untersuchungshaft befindet, war erfolgreich.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit einem Jahr und neun Monaten wegen des Verdachts der Vergewaltigung seiner Ehefrau in Untersuchungshaft. Das Landgericht Mannheim verurteilte den Beschwerdeführer im Dezember 2004 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Zugleich beschloss es die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft. Auf die Revision des Beschwerdeführers hin hob der Bundesgerichtshof im Oktober 2005 das Urteil des Landgerichts wegen eines Verfahrensfehlers auf und verwies die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Termine zur Durchführung der erneuten Hauptverhandlung sind für März und April 2006 bestimmt.

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, mit der er sich gegen die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wandte, war erfolgreich. Die Gerichte hätten sich bei der Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht hinreichend mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass durch eine unzureichende Arbeitserledigung im nichtrichterlichen Bereich, der vor allem Schreib- und Routinearbeiten betraf, erhebliche Verfahrensverzögerungen eingetreten sind. Dies sei wegen des Beschleunigungsgebots in Haftsachen nicht hinnehmbar.

Der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit sei durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen Rechnung zu tragen. Die mit Haftsachen betrauten Gerichte hätten sich bei der Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. Diesen Anforderungen würden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht.

Folgende Faktoren hätten in die Abwägung einbezogen werden müssen:

Das Protokoll der Hauptverhandlung wurde erst mehr als zwei Wochen nach der schriftlichen Abfassung des Urteils fertig gestellt. Diese Verfahrensverzögerung sei von Belang, da das Urteil zuvor nicht zugestellt werden dürfe und sie sich daher auf die zügige Durchführung des Revisionsverfahrens auswirke.

Hinzu trete, dass die Zustellung des Urteils auch nach dem Vorliegen des fertig gestellten Protokolls erst drei Wochen später verfügt und diese Verfügung schließlich erst knapp zwei Wochen später ausgeführt wurde. Dass für Schreib- und Routinearbeiten in diesem Bereich mehr als sechs Wochen vergingen, sei kaum zu rechtfertigen. Die Organisation des Schreibdienstes und der Geschäftsstellen sowie des Aktentransports habe dem Beschleunigungsgebot ebenfalls Rechnung zu tragen.

Von Belang sei dieser Gesichtspunkt auch für den weiteren Verlauf des Revisionsverfahrens. Die Verfügung, nach deren Inhalt die Akten nebst der Revisionsbegründung an die Staatsanwaltschaft versandt werden sollten, wurde erst mehr als fünf Wochen später ausgeführt. Auch dies sei unter der Geltung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen nicht hinnehmbar.

Eine weitere Verfahrensverzögerung liege darin, dass die dienstlichen Erklärungen der erkennenden Richter zu der schriftsätzlich erhobenen Verfahrensrüge erst über einen Monat später abgegeben wurden.

Schließlich hätten auch die Arbeitsabläufe im Rahmen der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofes Anlass zur Prüfung geben müssen. Obwohl die Kanzleitätigkeit bereits abgeschlossen war, wurde der Beschluss erst neun Tage später versandt.

Quelle: BVerfG - Pressemitteilung vom 17.03.06