Sozialrecht -

Brustasymmetrie als Krankheit?

Das Bundessozialgericht hat entschieden, wann eine Brustasymmetrie als Krankheit im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung anzuerkennen ist.

Erforderlich ist demnach, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt.

Sachverhalt:

Bei der 1988 geborenen Klägerin, bei der beklagten Betriebskrankenkasse krankenversichert, bildete sich die linke Brust größer aus als die rechte. Die Beklagte gewährte deshalb der damals 15-jährigen im Juli 2003 Brustprothesen für den BH und den Badeanzug. Eine hormonelle Behandlung blieb ohne Erfolg. Die Beklagte lehnte den auf Bescheinigungen von Prof. Dr. J. und Dr. Z. gestützten Antrag der Klägerin von Anfang 2004 ab, die Kosten einer Brustvergrößerungsoperation zu übernehmen: Entsprechend der Beurteilung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung bestehe kein krankhafter Befund, dessen Behandlung zur Zeit medizinisch eine Mammaprothetik erfordere. Das Wachstum der Brust sei noch nicht abgeschlossen. Die Klägerin ließ im Zeitraum Mai bis August 2004 ihre rechte Brust operativ von Prof. Dr. J. vergrößern. Ihre Eltern trugen die Kosten. Klage und Berufung, gerichtet auf Erstattung von 4.642,50 Euro Behandlungs- und 677,60 Euro Fahrkosten abzüglich gesetzlicher Zuzahlungen, sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, die Klage auf Zahlung der Fahrkosten sei unzulässig, da die Beklagte hierzu weder ein Verwaltungs- noch ein Widerspruchsverfahren durchgeführt habe. Die Klägerin könne Kostenerstattung für die ärztliche Behandlung schon deshalb nicht beanspruchen, weil die ihr in Rechnung gestellten Pauschalbeträge keine Honorarforderungen begründeten. Im Übrigen hätte die Klägerin die Brustvergrößerungsoperation nicht als Naturalleistung beanspruchen können. Die Asymmetrie der Brüste habe weder ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtigt noch entstellend gewirkt. Psychische Probleme seien vorrangig mit Mitteln der Psychotherapie oder Psychiatrie zu behandeln gewesen. Die entwicklungsbedingte Situation der Klägerin sei mit einer krebsbedingten Brustamputation nicht vergleichbar.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der § § 27 Abs 1, 28, 39 SGB V, 106, 153 SGG und des Art 3 Abs 1 GG. Das LSG hätte terminvorbereitend, nicht erst in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen, dass es die Pauschalrechnungen für unzureichend und ein Verwaltungsverfahren wegen der Fahrkosten für erforderlich halte, um der Klägerin eine Nachbesserung zu ermöglichen die sich daraus ergebenden Hindernisse für eine Entscheidung über den Leistungsanspruch beseitigen zu können. Deshalb lege sie nunmehr GOÄ-konforme Rechnungen vor. In der Sache sei der überdeutliche Größenunterschied beider Brüste - in die rechte Brust sei ein 350 cm3 großes Implantat eingeführt worden - entstellend gewesen. Das sei mit einer krebsbedingten Brustamputation vergleichbar, bei der ebenfalls eine Mammaplastik zur Krankenbehandlung gehöre.

Entscheidung:

Das Bundessozialgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Die Klägerin konnte von der Beklagten weder die Brustangleichungsoperation als Naturalleistung verlangen noch - infolgedessen - die anlässlich einer solchen Hauptleistung erforderlichen Fahrkosten. Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V sind nicht erfüllt. Die Brustasymmetrie der Klägerin war keine Krankheit im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nach der Rechtsprechung des Senats nicht schon jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt. Beides war nach den Feststellungen des LSG bei der Klägerin nicht der Fall, insbesondere wirkte die Brustasymmetrie nicht entstellend. Eine Entstellung besteht, wenn Versicherte objektiv an einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit leiden, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Dieses Ausmaß war bei der Klägerin nicht erreicht. Das LSG durfte hierfür als entscheidend ansehen, dass sich bei der Klägerin die Asymmetrie der Brüste im Alltag durch die vorhandenen Prothesen verdecken ließ, die auch unter einem Badeanzug getragen werden konnten. Die Brustoperation ist auch nicht zur Behandlung einer psychischen Erkrankung notwendig gewesen. Eine psychische Erkrankung hätte lediglich einen Anspruch auf psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung begründen können.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 29.02.08