Sozialrecht -

Feststellung des Grades der Behinderung bei Auslandswohnsitz

Die Feststellung des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht ist bei Personen mit Wohnsitz im Ausland nur in engen Grenzen möglich.

Grundsätzlich steht ein Wohnsitz im Ausland einer (weiteren) Feststellung des Grades der Behinderung entgegen, weil das insoweit einschlägige Neunte Buch Sozialgesetz­buch (SGB IX) nur auf Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland an­wendbar ist.

Zu dieser Problematik hat das Bundessozialgericht in zwei Fällen entschieden:

Der Kläger des Verfahrens B 9/9a SB 2/07 R ist italienischer Staatsangehöriger. Im Jahre 1991 stellte das für seinen damaligen Wohnort zuständige Versorgungsamt Soest einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest. Einen im Mai 2000 gestellten Erhöhungsantrag lehnte das Versorgungsamt ab. Während des anschließenden Klagever­fahrens gegen das Land Nordrhein‑Westfalen verzog der Klä­ger im März 2001 nach Italien. Das So­zialgericht wies die Klage ab, weil sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht wesentlich ver­schlechtert habe. Das vom Kläger angerufene Landessozialgericht lud zunächst den Freistaat Bayern bei, weil das Versorgungsamt München I für Personen mit Wohn­sitz in Italien zuständig ist. Sodann bestätigte es die Entscheidung des Sozialgerichts für die Zeit bis März 2001. Im Übrigen hielt es die Berufung des Klägers für unzulässig, weil dieser im Hinblick auf seinen Auslandswohnsitz für die Zeit ab April 2001 keine GdB-Feststellung mehr beanspruchen könne.

Der Kläger des Verfahrens B 9/9a SB 2/06 R ist deutscher Staatsangehöriger. Bei ihm stellte das Amt für Familie und Soziales Chemnitz - Versorgungsamt - 1994 (und erneut 1998) einen GdB von 50 fest. Daraufhin erhielt er einen Schwerbehindertenausweis. Im April 2003 teilte der Kläger dem Amt mit, dass er im Okto­ber 2001 in die Schweiz umgezogen sei. Daraufhin hob das Amt den letzten Fest­stel­lungs­bescheid von 1998 auf und erklärte, dass wegen des Wohnsitzes des Klägers in der Schweiz ein GdB nicht mehr festgestellt werde. Die gegen den Freistaat Sachsen gerichtete Klage wurde vom Sozialge­richt abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens lud das Landessozialgericht das Land Ba­den‑Württemberg bei, da das Versorgungsamt Freiburg für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz zuständig ist. Sodann hob es die erstinstanzliche Entscheidung und den angefochtenen Verwaltungs­akt mit der Begründung auf, dass auch ein im Ausland wohnender Deutscher ein berechtigtes Inter­esse an der Feststellung seines GdB habe.

Das Bundessozialgericht hat zunächst geprüft, ob die Klagen gegen die richtigen Beklagten gerichtet sind. In der ersten Sache ist es davon ausgegangen, dass mit dem Wechsel der Verwaltungszustän­digkeit der Freistaat Bayern als Beklagter an die Stelle des Landes Nordrhein-Westfalen getreten ist, weil nur dieser die begehrte Feststellung treffen kann. Demgegenüber richtet sich die in der zweiten Sache erhobene Anfechtungsklage weiter gegen den Freistaat Sachsen, der den Aufhebungs­bescheid erlas­sen hat.

In beiden Fällen sind die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen an die jeweilige Vorinstanz zurückverwiesen worden. Grundsätzlich steht ein Wohnsitz im Ausland einer (weiteren) Feststellung des Grades der Behinderung entgegen, weil das insoweit einschlägige Neunte Buch Sozialgesetz­buch (SGB IX) nur auf Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland an­wendbar ist. Etwas anderes gilt allerdings für im Ausland wohnende Personen, die den Nachweis ihres GdB benötigen, um in Deutschland bestimmte Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu können, die keinen Inlandswohnsitz voraussetzen. Zu denken ist zB an die Schwerbehindertenpauschbeträge im Einkommensteuerrecht sowie ‑ jedenfalls bei Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Euro­päischen Union oder eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes ‑ an die (vorzeitige) Altersrente für schwerbehinderte Menschen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Ob das bei den Klägern der Fall ist, wird nunmehr zu ermitteln sein.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 05.07.07