Verkehrsrecht -

Autotechnik - Verständlich erklärt

Dieses Mal aus der Kategorie passive Fahrzeugsicherheit: Fußgängerschutz

Beim Zusammenstoß einer ungeschützten Person wie Fußgänger oder Radfahrer mit einem Kraftfahrzeug, sind in Abhängigkeit von der Unfallsituation und der Konstitution der Person die fahrzeugspezifischen Eigenschaften der Frontpartie für die Unfallfolgen maßgebend.

In Europa beträgt der Anteil der Fußgänger an den Verkehrsopfern derzeit ca. 16 %.

Viele Fahrzeughersteller werben mit der Anzahl der Sterne für die Insassensicherheit ihrer Fahrzeuge, die sie im Rahmen des wichtigsten europäischen Crashtests, dem EURO-NCAP-Crashtest, als Beurteilung ihrer Konzepte und Konstruktionen erhalten haben. Diese Ergebnisse beziehen sich zumeist ausschließlich auf die „Insassensicherheit“.

Der EURO-NCAP-Crashtest bewertet allerdings schon seit Jahren auch den Fußgängerschutz. Da die daraus resultierenden Ergebnisse bisher nicht besonders schmeichelhaft waren, wurde die Öffentlichkeit darüber nicht informiert. Dennoch sind seit vielen Jahren schon Bemühungen des Gesetzgebers und der Automobilindustrie im Gange, um das Gefährdungspotenzial für Fußgänger drastisch zu reduzieren.

Innerhalb der europäischen Union wurden die dazu notwendigen Prüfverfahren zum Ende des Jahres 2003 in einer Richtlinie (70/156/EWG) für das Typengenehmigungsverfahren von Kraftfahrzeugen integriert. Die darin festgelegten Parameter müssen stufenweise bis zum Jahr 2010 durch die Hersteller eingehalten werden.

Die Fahrzeugfrontkonstruktion muss für folgende Unfallszenarien optimiert werden:

  • Beinaufprall gegen den Stossfänger
  • Oberschenkelaufprall auf der vorderen Haubenkante
  • Kopfaufprall auf die Motorhaube


Weiterhin müssen Scheinwerfer, Windschutzscheibe und Karosserieteile wie Kotflügel und A-Säule festgelegte Energieabsorptionen realisieren.
Im Testverfahren selbst werden Dummy-Körperteile mit bis zu 40 km/h gegen die jeweiligen Fahrzeugteile katapultiert. Durch Sensoren werden die Energien ermittelt, die dann Aussagen zur Intensität der Verletzungen zulassen.

Nicht unerhebliche Probleme ergeben sich bei dem Versuch der gleichwertigen Berücksichtigung von Insassen- und Fußgängerschutz. Benötigt man für eine effektive, passive Sicherheit der Insassen eine möglichst steife Fahrzeugfrontkonstruktion, so ist für den passiven Schutz des Fußgängers eine relativ weiche Frontpartie des Fahrzeugs von Vorteil. Diese Diskrepanz kann letztlich nur mit Kompromissen in beiden Bereichen zufriedenstellend behandelt werden. Je „weicher“ die Fahrzeugfront, desto besser für den Fußgänger, aber eben desto schlechter für die Insassen bei einem Aufprall auf ein „hartes“ Hindernis.

Die Technik

Einige Fahrzeughersteller haben schon in den neuen Fahrzeuggenerationen Lösungen in Serienreife realisiert.

Die Optimierung der Fahrzeugfrontpartie hinsichtlich des Fußgängerschutzes kann durch Auswahl der Werkstoffe und konstruktive Maßnahmen im passiven Bereich oder durch aktive Systeme, die während des Unfallgeschehens eingreifen, erzielt werden.

Ein Lösungsansatz basiert auf der Neuverteilung der Aggregate und deren Anbauteile im Motorraum. Harte Bauteile werden im Motorraum in den unteren Bereich verlagert, weichere Bauteile werden nach oben gesetzt. Hierdurch wird bei einem Aufprall eines Körpers oder eines Körperteils auf die Motorhaube die jeweilige Energieabsorption begünstigt und die Verletzungsgefahr reduziert. Bei dieser Neuanordnung der Bauteile wird versucht, den Raum zwischen Motorhaube und der darunter befindlichen Bauteile zu vergrößern. Weiterhin spielt neben der Motorhaubenbefestigung die Materialwahl und die konstruktive Ausführung eine tragende Rolle. Wabenstrukturen und Aluminium oder Verbundwerkstoffe helfen die gesetzten Ziele zu erreichen.

Diesen Weg ist neben anderen Herstellern Volkswagen gegangen. Zu den zahlreichen Maßnahmen beim Fußgängerschutz von Volkswagen gehören unter anderem spezielle Deformationselemente im vorderen Stoßfänger und ein möglichst großer Abstand zwischen Motorhaube und Motor und nachgiebige Kotflügel, zum Teil auch aus Kunststoff, wie im Phaeton. Auch dürfen keine scharfen Ecken und Kanten und keine hervorstehenden Teile wie Embleme oder Zierteile vorhanden sein.

Bei Honda sind die Scheibenwischerhalterungen nachgiebig gelagert, Scheinwerfer- und Kotflügelhalterungen haben Sollbruchstellen. Allerdings sind diese Möglichkeiten gerade bei kompakt gebauten Fahrzeugen nur sehr beschränkt. Die Vielzahl der notwendigen Technik und die Bauform des Fahrzeugs lassen diese Veränderungen nur bedingt zu. Bei Sportwagen ist es kaum noch machbar und somit wurden andere Systeme favorisiert. Honda hat daher ein so genanntes Pop-Up-System entwickelt.

Bei diesem aktiven System wird über Sensoren in der vorderen Stoßfängerabdeckung und weiteren Parametern, wie z.B. der Fahrzeuggeschwindigkeit über verschiedene Programme und Algorithmen die Aufprallsituation analysiert. Findet der Aufprall eines Fußgängers statt, wird durch die Zündung eines pyrotechnischen Satzes, ähnlich wie bei den bekannten Airbagsystemen, die Motorhaube binnen Sekundenbruchteilen im hinteren Bereich um ca. 10 cm angehoben. Hierdurch entsteht die gewünschte Distanz zwischen Motorhaube und Motorraum sowie anderen harten Bauteilen des Fahrzeugs. Das Risiko von schweren Verletzungen wird gemindert.

Bedingt durch die verwendete Pyrotechnik ist dieses System relativ teuer und führt bei anderen Unfallschäden zu hohen Reparaturkosten. Diesen Nachteil haben die Konstrukteure von Siemens VDO erkannt und einen „Haubenheber“ entwickelt, der mehrfach zu verwenden ist. Gearbeitet wird dabei mit einem „pneumatischen Muskel“.

Fazit

Der Fußgängerschutz ist eines der wichtigen Kriterien bei der äußeren Sicherheit eines Fahrzeugs. Die Hersteller sind nun auch durch den Gesetzgeber angehalten, die Fahrzeuge so zu konstruieren, dass auch andere Verkehrsteilnehmer möglichst geringen Gefährdungen ausgesetzt sind. Ziel dieser Maßnahmen ist es, das Risiko von Verletzungen zu minimieren, indem die „Kontaktzonen“ möglichst nachgiebig gestaltet sind. Leider werden diese Veränderungen im Bereich der Wiederherstellung von verunfallten Fahrzeugen zu einer weiteren Kostensteigerung führen.

Quelle: Moser - Techniklexikon (Beitrag Nr. 4) vom 03.01.07