Verkehrsrecht -

Begriff des Verkehrsunfalls im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB

Es liegt kein Verkehrsunfall im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB vor, wenn beim Be- oder Entladen im stehenden Verkehr ein Gegenstand von einem LKW auf auf daneben stehendes Fahrzeug fällt.

Beim Be- und Entladen im stehenden Verkehr verwirklicht sich kein typisches dem Straßenverkehr innewohnendes Risiko. Anders kann es zu beurteilen sein, wenn ein Schaden im ruhenden Verkehr verursacht wird.

Der Angeschuldigte hatte auf einem öffentlichen Parkplatz eines Baumarkts seinen Transporter beladen. Dabei, so wird ihm vorgeworfen, sei ein Teil seiner Ladung gegen den neben dem Transporter geparkten Pkw gestoßen, wodurch ein Fremdschaden in Höhe von ca. 1.100 € entstanden ist. Obwohl der Angeschuldigte den Schaden bemerkt habe, entfernte er sich unerlaubt von der Unfallstelle. Die Amtsanwaltschaft Berlin hat den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Der Antrag wurde zurückgewiesen.

Das Amtsgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass kein hinreichender Tatverdacht für ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorliegt, mit der Folge, dass der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abzuweisen war.

Zu klären war die Rechtsfrage, ob es sich um einen Unfall im Sinne des § 142 StGB gehandelt hat. Hierbei hat sich das Gericht insbesondere mit zwei Entscheidungen, zum einen des OLG Stuttgart (NJW 1969, 1726) und zum anderen des OLG Köln (VRS 65, 431) auseinandergesetzt.

Das OLG Stuttgart hat in seiner Entscheidung das Herunterklappen der Bordwand eines parkenden LKW, bei dem ein geparktes Fahrzeug beschädigt wurde, als Verkehrsunfall im Sinne des § 142 StGB gewertet. Das OLG hatte in der Entscheidung ausgeführt, dass der Begriff des Verkehrsunfalls nicht nur auf Unfälle im Zusammenhang mit dem fließenden Verkehr beschränkt sei. Es sei ausreichend, wenn sich der Unfall „im Straßenverkehr ereignet“ habe, wozu auch der ruhende Verkehr gezählt werden müsse. Dies ergebe sich aus dem Schutzzweck der Norm des § 142 StGB, die Beteiligung einer Person an einem Unfall festzustellen. Wenn also Ladung von einem Lkw herunter falle, dann spiele es keine Rolle, ob der Lkw im Betrieb, oder ob er geparkt war.

Nach Ansicht des AG war dieser Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da keine Ladung von dem Transporter herunter gefallen sei, sondern – nach dem Akteninhalt – der Schaden beim Beladen des Fahrzeugs entstanden ist. Der Schaden ist damit nicht im ruhenden, sondern vielmehr im stehenden Verkehr entstanden. Eine Teilnahme des Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr nach erfolgter Beladung habe nicht stattgefunden.

Auch die o.g. Entscheidung des OLG Köln war auf den hier zu entscheidenden Fall nicht anwendbar. In dem dortigen Fall war ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort angenommen worden, nachdem anlässlich eines Reifenwechsels ein Wagenheber abrutschte und ein anderes Fahrzeug beschädigte.  Der Reifenwechsel diene in erster Linie der Wiederinbetriebnahme des Fahrzeugs und sei daher den Risiken des Straßenverkehrs zuzuordnen.

Insgesamt habe sich durch den Unfall bei Beladen des Transporters kein typisches Unfallrisiko im Straßenverkehr verwirklicht, mit der Folge, dass ein hinreichender Tatverdacht zu verneinen war, § 203 StPO, und der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurückzuweisen war, § 408 Abs. 2 StPO.

Quelle: Rechtsanwalt Hans-Helmut Schaefer - vom 16.04.09