Verkehrsrecht -

Hätten Sie es gewusst?

Geht das Vorfahrtsrecht dadurch verloren, dass der Bevorrechtigte die für ihn linke Fahrbahn befährt?

Nein, denn das Vorfahrtsrecht erstreckt sich auf die gesamte Breite der Vorfahrtstraße.

Das Kammergericht hatte sich in der Berufungsinstanz u.a. mit der Frage der Haftungsverteilung bei einem Zusammenstoß zweier Kraftfahrzeuge im Kreuzungsbereich zu beschäftigen.

Der Kläger befuhr die vorfahrtsrechtlich untergeordnete B-Straße und beabsichtigte an der Kreuzung zum H-Weg nach rechts abzubiegen. Der Beklagte wiederum befuhr den H-Weg und beabsichtigte, in die B-Straße nach links abzubiegen. Für den Beklagten hatte sich auf dem H-Weg ein Rückstau gebildet, der ein Einfahren in die Kreuzung zunächst nicht möglich gemacht hätte.

Aus diesem Grund hat der Beklagte die sich rückstauende Kolonne auf der Gegenfahrbahn des H-Wegs links überholt, um in die B-Straße links abzubiegen. Hierbei kam es zu einer Kollision zwischen den Parteien, wobei die exakte Unfallstelle nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte.

Hinsichtlich der Zweifel an der exakten Unfallstelle hat das Kammergericht entschieden, dass davon auszugehen sei, dass den wartepflichtigen Kläger ein Verschulden treffe. Hierfür streite der Beweis des ersten Anscheins. Ereigne sich ein Unfall in unmittelbarem, zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit einem Abbiegevorgang, ist nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises von einem alleinigen Verschulden des Wartepflichtigen auszugehen.

Die Besonderheit des Falls lag darin, dass der Beklagte seinerseits die für ihn linke Fahrbahn beim Abbiegevorgang befuhr und dadurch die Kurve geschnitten hat. Hierzu hat das Kammergericht unter Verweis auf weitere Rechtsprechung ausgeführt, dass sich das Vorfahrtsrecht des Beklagten auf die gesamte Straßenbreite erstrecke. Das Vorfahrtsrecht geht auch nicht dadurch verloren, dass der Bevorrechtigte die für ihn linke Fahrbahn befährt.

Auf die Frage, ob der Kläger an die Schnittstelle der Kreuzung hätte heranfahren dürfen, weil er mit einem Kurvenschneiden eines Linksabbiegers hätte rechnen müssen, kam es vorliegend nicht an, da die Beklagte die Berufung bereits auf eine Mithaftung von 50 % beschränkt hatte.

Quelle: Deubner Redaktion - Beitrag vom 27.06.06