Verkehrsrecht -

Hätten Sie es gewusst?

Ist das Fehlen einer Fahrerlaubnis bei der Abwägung des Mitverschuldens zu berücksichtigen?

Nach dem Urteil des BGH vom 21.11.2006 ist dieser Umstand nur zu berücksichtigten, wenn er sich in dem Unfall tatsächlich ausgewirkt hat.

Sachverhalt:

Der Beklagte hatte, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein, den betrunken auf der rechten Fahrbahnseite liegenden Vater der Klägerin mit einer überhöhten Geschwindigkeit mit seinem Fahrzeug erfasst. Dieser verstarb noch an der Unfallstelle. Die minderjährige Klägerin verlangte in dem vom BGH entschiedenen Fall von dem Beklagten Ersatz für entgangenen Unterhalt sowie für entstandene Beerdigungskosten aufgrund des Todes ihres Vaters.

Das Landgericht ist zunächst von einer Mithaftung des Vaters der Klägerin von 1/4 ausgegangen. In der Berufung wurde die Mitverursachung in Höhe von 2/5 geringer angesetzt.

Die Revision hatte insbesondere gerügt, dass der Umstand, dass der Beklagte ohne Fahrerlaubnis gefahren sei, bei der Haftungsabwägung nicht berücksichtigt wurde.

Die Entscheidung des BGH:

Der BGH hat in Fortsetzung seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass bei einer Haftungsabwägung nach § 254 BGB, § 9 StVG alle, aber auch nur diejenigen Faktoren einzubeziehen sind, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind. Der Umstand, dass der Beklagte ohne Fahrerlaubnis gefahren ist, wäre dann nur zu berücksichtigten, wenn feststehen würde, dass sich dieser Umstand in dem Unfall tatsächlich ausgewirkt hat.

Der BGH ist insoweit dem Berufungsgericht gefolgt, dass das Fehlverhalten des Beklagten den Schaden nicht beeinflusst habe. Der charakterliche Mangel einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr (der zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hatte) habe sich nicht ausgewirkt, denn der Beklagte habe zum Zeitpunkt des Unfalls keinen Alkohol im Blut aufgewiesen. Die Verletzung des Sichtfahrgebots sei auch bei Inhabern einer Fahrerlaubnis zu beobachten.

Der Argumentation der Revision, dass das Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit nur deshalb möglich gewesen sei, weil der Beklagte ohne die erforderliche Fahrerlaubnis gefahren sei, ist der BGH nicht gefolgt. Nach Ansicht des Gerichts sei nicht ersichtlich, dass sich das Fahren ohne Fahrerlaubnis als zusätzliches Gefahrenmoment auf den Unfall ausgewirkt hat.

Im Rahmen der Haftungsabwägung hat der BGH darüber hinaus auch ausgeführt, dass die Regeln über den Anscheinsbeweis im vorliegenden Fall nicht greifen. Zwar könne bei einem Fahrfehler des Unfallverursachers zu Gunsten des Geschädigten grundsätzlich ein Anscheinsverweis für den Ursachenbeitrag einer fehlenden Fahrerlaubnis sprechen. Dies hatte der BGH auch bereits in der Vergangenheit entschieden. Indes spreche die Lebenserfahrung nicht dafür, dass eine überhöhte Geschwindigkeit mit einer fehlenden Fahrerlaubnis in Zusammenhang stehe.

Allein der Umstand der überhöhten Geschwindigkeit war bei der Haftungsabwägung zulasten des Beklagten zu berücksichtigen.

Quelle: RA Schaefer - Beitrag vom 06.03.07