Gewährt die Benutzung von Blaulicht einem Polizeiwagen ein Sonderrecht beim Einfahren in eine durch Rotlicht gesperrte Kreuzung?
Blaues Blinklicht darf nach dem Willen des Gesetzgebers nur zur Warnung an Unfall- oder sonstiges Einsatzstellen, bei Einsatzfahrten oder bei der Begleitung von Fahrzeugen oder von geschlossenen Verbänden benutzt werden, § 38 Abs. 2 StVO. § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO hingegen regelt, dass blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn bedeutet, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben.
In dem vom Kammergericht entschiedenen Fall stand nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass ein polizeiliches Einsatzfahrzeug mit Blaulicht, aber ohne Einsatzhorn in eine für seine Fahrtrichtung Rotlicht anzeigende Kreuzung eingefahren ist. Aufgrund dessen mussten Fahrzeuge des Querverkehrs plötzlich abbremsen. Während die beiden ersten Fahrzeuge noch rechtzeitig abbremsen konnten, fuhr das dritte Fahrzeug auf den vorausfahrenden Wagen auf.
Für das Kammergericht stand damit eine Amtspflichtverletzung des Fahrers des Einsatzfahrzeuges fest. Das Sonderrecht nach § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO mit dem Gebot freie Bahn zu schaffen, darf der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges nur in Anspruch nehmen, wenn beide Sondersignale, Blaulicht und Einsatzhorn, verwendet werden. Nur wenn beide Signale eingesetzt sind, ist das Sonderrecht von allen Verkehrsteilnehmern sofort und unbedingt ohne Prüfung des Wegerechts zu beachten. Blaulicht ohne Einsatzhorn mahnt die übrigen Verkehrsteilnehmer lediglich zu einer erhöhten Aufmerksamkeit.
Da allein die Benutzung des Blaulichts kein Sonderrecht begründet, muss der Fahrer des Einsatzfahrzeugs – wie jeder andere Verkehrsteilnehmer – an der Rotlicht anzeigenden Ampel anhalten.
Das Kammergericht kam zu einer hälftigen Haftung, da ebenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen war, dass der Kläger den Sicherheitsabstand zu den vorausfahrenden Fahrzeugen nicht eingehalten hatte.
KG Berlin, Urteil vom 18.07.2005 – 12 U 50/04
Quelle: KG Berlin - Urteil vom 18.07.05