Verkehrsrecht -

Teilkaskoversicherung bei Diebstahl

Besteht Versicherungsschutz in der Teilkaskoversicherung, wenn der Kaufinteressent ein Motorrad anlässlich einer Probefahrt entwendet?

Nach Ansicht des OLG Köln liegt in einem Fall, in dem der Versicherungsnehmer sein versichertes Motorrad ohne den Kraftfahrzeugschein einem vermeintlichen Kaufinteressenten zum Zwecke einer Probefahrt überlässt und das Motorrad bei diesem Anlass entwendet wird, ein von der Teilkaskoversicherung gedeckter Versicherungsfall vor.

Der Kläger bot sein Motorrad im September 2006 im Internet zum Verkauf an. Für das Fahrzeug existierte eine Teilkaskoversicherung bei der Beklagten mit einer vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung von 150 €. Im gleichen Monat kam es nach vorheriger Absprache mit einem Kaufinteressenten zu einer Probefahrt. Der Kläger überließ dem Kaufinteressenten das Motorrad ohne Papiere zu einer Probefahrt. Der Interessent hinterließ ein im Straßenverkehr zugelassenes Motorrad bei dem Kläger. Von der Probefahrt kehrte der Interessent mitsamt dem Motorrad nicht zurück.

Die Klage auf Ersatz des Wiederbeschaffungswerts von 10.800 € vor dem Landgericht blieb erfolglos. Nach Ansicht des LG lag kein Fall eines versicherten Diebstahls vor, da der Kläger bereits keinen Gewahrsam mehr an dem Motorrad besessen habe. In jedem Fall sei von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Kläger auszugehen. Die hiergegen eingelegte Berufung war erfolgreich.

Nach den einschlägigen AKB umfasst die Teilkaskoversicherung Schäden, die durch Entwendung, insbesondere Diebstahl u.ä. verursacht werden. Die Unterschlagung durch denjenigen, an den der Versicherungsnehmer das Fahrzeug unter Vorbehalt seines Eigentums veräußert hat, oder durch denjenigen, dem es zum Gebrauch überlassen wurde, ist von der Versicherung ausgeschlossen.

Das OLG ist entgegen der Ansicht der ersten Instanz davon ausgegangen, dass eine versicherte Entwendung in Form eine Diebstahls vorliegt. Der Diebstahlsbegriff im Versicherungsrecht sei mit dem strafrechtlichen Begriff identisch. Der Bruch fremden Gewahrsams setzt daher begrifflich voraus, dass überhaupt noch ein Gewahrsam bei dem Kläger vorhanden war. Allein die räumliche Distanz zu einer Sache führe nicht zwangsläufig dazu, dass der Gewahrsam nicht mehr besteht. Gehört die Lockerung des Gewahrsams zu den Anschauungen des täglichen Lebens, beispielsweise bei dem Inhaber einer Wohnung im Falle des Urlaubs, endet der Gewahrsam während dieser Zeit nicht. Nach Ansicht des OLG war die Überlassung des Motorrades zum Zwecke der Probefahrt lediglich eine Gewahrsamslockerung. Dies gelte auch für den Fall, dass keine konkrete Vereinbarung über Details der Probefahrt getroffen wurden. Einen Betrug hat das OLG, entgegen der Ansicht des LG, nicht angenommen. Führt die Täuschung nicht zu einer bewussten und gewollten Gewahrsamsübertragung, so schließt sie den Diebstahl nicht aus. Sie dient nur dazu, wie im vorliegenden Fall, den Gewahrsamsbruch des Täters zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.

Weiter führt das OLG aus, dass selbst in einem Fall, in dem ein Diebstahl nicht angenommen werden könne, gleichwohl von einem Versicherungsfall auszugehen sei. Auch ein Betrug kann nach dem Wortlaut des § 12 AKB einen Versicherungsfall begründen, wenn eine mit oder nach dem Betrug begangene Unterschlagung vorliegt. Spätestens hier liege, wenn man einen Diebstahl verneinen würde, gleichwohl ein Versicherungsfall vor. Der Haftungsausschluss des § 12 AKB greife hier nicht ein, da die Täuschung nicht zu einer Gebrauchsüberlassung im Sinne des § 12 AKB führen sollte. Eine solche setze neben einer gewissen Dauer voraus, dass sie den Interessen des Dritten dient. Daran fehlt es bei einer Probefahrt, die auch im Interesse des Versicherungsnehmers liege.

Ein Fall grober Fahrlässigkeit liege ebenfalls nicht vor. Zwar habe der Kläger versäumt, von dem Interessenten Ausweispapiere o.ä. zu verlangen. Dieser hatte aber ein zum Straßenverkehr zugelassenes Motorrad bei dem Kläger zurückgelassen, was die Annahme rechtfertigen durfte, dass der Interessent zurück kommen werde.


OLG Köln, Urteil v. 22.07.2008 – 9 U 188/07, NJW-RR 2008, 1717 = VersR 2008, 1640

Quelle: Rechtsanwalt Hans-Helmut Schaefer - Beitrag vom 16.03.09