Bei sog. Vorgriffsstunden handelt es sich um eine Verlagerung und nicht um eine Erhöhung der Arbeitszeit. Vorgriffsstunden für Lehrer müssen daher nicht durch Parlamentsgesetz eingeführt werden. Allerdings bedarf es einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Dies ist nach dem Bundesverwaltungsgericht bei der Regelung für Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt jedoch nicht der Fall.
Darum geht es
Die Antragsteller - eine verbeamtete Lehrerin und ein angestellter Lehrer - haben sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen die in der Rechtsverordnung geregelte Verpflichtung für Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt gewandt, über fünf Jahre hinweg wöchentlich eine sog. Vorgriffsstunde zu leisten.
Die Vorgriffsstunde, die unabhängig von einer etwaigen Teilzeitbeschäftigung angeordnet ist, muss später durch Freizeit oder zeitnah auf Antrag der Lehrkräfte durch eine Ausgleichszahlung ausgeglichen werden.
Das OVG Magdeburg hat die Normenkontrollanträge abgelehnt (Urt. v. 07.03.2024 - 1 K 66/23 und 1 K 67/23).
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision der Antragsteller die angegriffene Bestimmung für unwirksam erklärt.
Zwar handelt sich bei einer Vorgriffsstunde nur um eine Verlagerung der Arbeitszeit, nicht um ihre Erhöhung oder um Mehrarbeit. Ihre Einführung muss dementsprechend nicht durch Parlamentsgesetz erfolgen.
Allerdings fehlt es hier an einer aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlichen und hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung.
§ 63 Abs. 1 Satz 2 und 3 LBG LSA ermächtigt zwar die Landesregierung, Näheres über die Arbeitszeit der Beamten und insbesondere die Verteilung der Arbeitszeit zu regeln.
§ 4b ArbZVO-Lehr LSA geht aber insbesondere mit der eingeräumten Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung der geleisteten Vorgriffsstunden über diese Ermächtigung hinaus und ist deshalb unwirksam.
Die angegriffene Regelung ist auch inhaltlich rechtswidrig, weil nur ein Ausgleich tatsächlich erteilter Vorgriffsstunden vorgesehen ist.
Da die Vorgriffsstunde "echte" Dienstzeit ist, muss auch krankheitsbedingt ausgefallener Dienst berücksichtigt und dem Ausgleichskonto gutgeschrieben oder ausgezahlt werden.
Schließlich begegnet die unabhängig vom Umfang der Teilzeitbeschäftigung angeordnete Verpflichtung zur Leistung einer (vollen) zusätzlichen Pflichtstunde im Hinblick auf den „pro-rata-temporis-Grundsatz“ unionsrechtlichen Bedenken.
BVerwG, Urt. v. 04.09.2025 - 2 CN 1.24 und 2 CN 2.24
Quelle: BVerwG, Pressemitteilung v. 04.09.2025