Baurecht -

Berlin unterliegt im Streit um Grundstücke des „Rückfallvermögens"

BVerwG, Urt. v. 11.09.2013 - 8 C 11.12

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in einem Musterverfahren entschieden, dass dem Land Berlin keine Ansprüche gegen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in Fällen des sog. Rückfallvermögens zustehen.

Darum geht es

Im vorliegenden Fall ging es um Grundstücke, die vor 1945 vom ehemaligen Staat Preußen dem Deutschen Reich unentgeltlich überlassen worden waren („Rückfallvermögen") und die zum 01.01.2005 ins Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gelangt sind.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Für Ansprüche auf Auskehr des Erlöses aus dem Verkauf von Rückfallvermögen durch den Bund vor 2005 ist die BImA nicht zuständig; derartige Klagen muss Berlin direkt gegen den Bund richten.

Insgesamt beansprucht das Land im früheren Westteil von Berlin gelegene Grundstücke mit einer Gesamtfläche von etwa 6,8 Mio. qm im Gesamtwert von über 200 Mio. € sowie Veräußerungserlöse in Höhe von über 55 Mio. €.

Art. 134 GG bestimmt, dass Grundstücke, die Kommunen oder (frühere) Länder dem Reich unentgeltlich überlassen hatten, auf Verlangen zurückzugeben sind, sofern der Bund keinen Eigenbedarf geltend macht. Das vorgesehene Ausführungsgesetz wurde 1961 erlassen; es sah für die Geltendmachung solcher Rückfallansprüche eine Frist von einem Jahr und für die Geltendmachung von Eigenbedarf des Bundes daran anschließend ein weiteres Jahr vor.

Das Gesetz galt während der Dauer der alliierten Vorbehaltsrechte zunächst nicht in Berlin (West). Nach der Wiedervereinigung wurde es mit Wirkung ab 03.10.1990 in vollem Umfang auf das Land Berlin übergeleitet.

Erst dadurch hatte der Kläger die Möglichkeit, Ansprüche für das im Westteil von Berlin belegene Rückfallvermögen gegenüber dem Bund innerhalb eines Jahres geltend zu machen. Die dafür geltende Ausschlussfrist endete mit Ablauf des 02.10.1991.

Berlin hatte dem Bund zwar schon 1956 eine Liste von Grundstücken übergeben, die es als Rückfallvermögen ansah. Diese diente jedoch nur als Grundlage für Verhandlungen und erübrigte nicht, danach noch streitig gebliebene Ansprüche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 03.10.1990 geltend zu machen.

Dies geschah jedoch erst nach Fristablauf im Juli 1993. Auf eine ausdrückliche oder zumindest konkludente Anmeldung nach dem 03.10.1990 konnte auch deshalb nicht verzichtet werden, weil erst die Anmeldung die Frist für die gegenläufige Pflicht des Bundes in Lauf setzte, etwaigen Eigenbedarf geltend zu machen.

Über die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Reichsvermögengesetz in Berlin (West) in Kraft getreten ist, hatte zwischen den Parteien Unklarheit und Streit bestanden, den das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 15.01.2008 dahin entschieden hat, dass das Gesetz in Berlin (West) seit dem 03.10.1990 gilt.

Im vorliegenden Prozess berief sich das Land Berlin darauf, es habe wegen der zunächst unklaren Rechtslage erst frühestens durch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Kenntnis von seinem Rückfallrecht erlangt, so dass die Jahresfrist erst ab dann zu laufen begonnen habe.

Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Streit über Beginn und Dauer einer gesetzlichen Ausschlussfrist vermag diese nicht außer Kraft zu setzen. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, warum es für den Kläger unmöglich oder unzumutbar gewesen sein sollte, wenigstens vorsorglich den Rückfallanspruch fristgerecht geltend zu machen.

Der Bundesgesetzgeber verstieß mit der Normierung der gesetzlichen Ausschlussfrist nicht gegen seine Verpflichtung, die gebotene Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates und auf die Belange der Länder zu nehmen. Durch die Jahresfrist für die Geltendmachung des Rückfallrechts wird sichergestellt, dass die Rechtsverhältnisse in überschaubarer Frist geklärt werden und nicht viele Jahre in der Schwebe bleiben.

Das Land Berlin hatte die Möglichkeit, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Die Weigerung des Bundes, die vom Kläger zu spät geltend gemachten Ansprüche zu erfüllen, verletzte auch nicht seine aus dem Gebot der Bundestreue abgeleitete verfassungsrechtliche Pflicht, nicht auf die Durchsetzung rechtlicher Positionen zu dringen, die elementare Interessen eines Landes schwerwiegend beeinträchtigen.

Denn mit Ablauf der Ausschlussfrist waren die Ansprüche des Landes Berlin auf das Rückfallvermögen kraft Gesetzes erloschen; sie standen und stehen nicht mehr zur Disposition des Bundes. Die Vereinbarkeit dieser Gesetzeslage mit dem Grundsatz der Bundestreue hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt.

Mit ihrer Weigerung, die Ansprüche Berlins auf das Rückfallvermögen zu erfüllen, verstieß die Beklagte schließlich nicht gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben. Es liegt weder ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung noch eine Verletzung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens oder der Verpflichtung vor, aus einem treuwidrig selbst herbeigeführten oder verhinderten Ereignis Vorteile zu ziehen. Das Verhalten des Bundes war nicht ursächlich dafür, dass das Land Berlin die gesetzliche Frist versäumt hat.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung - vom 11.09.13