Windkraftanlagen nur mit Rücktrittsrecht?

Das Verwaltungsgericht Gießen hat entschieden, dass die Stadt Braunfels Pacht- oder Nutzungsverträge für Windkraftanlagen vorläufig nur unter der Maßgabe unterzeichnen darf, dass der Vertrag ein Rücktrittsrecht für den Fall eines erfolgreichen Bürgerbegehrens enthält. Im gerichtlichen Eilverfahren genügt es demnach, dass ein Bürgerbegehren nicht offensichtlich unzulässig ist.  

Darum geht es

Im März 2025 beantragte eine Mitunterzeichnerin des Bürgerbegehrens „Erhaltet den Braunfelser Wald“ zunächst erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Gießen, der Stadt Braunfels aufzugeben, vor einer rechtskräftiger Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens keine Pacht- oder Nutzungsverträge für Windkraftanlagen in Teilflächen des Braunfelser Waldes unterzeichnen zu dürfen (Beschl. v. 16.04.2025 - 8 L 1632/25.GI). 

Auf die Beschwerde der Stadt Braunfels änderte der Hessische VGH mit Beschluss vom 25.06.2025 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung ab und lehnte den Antrag der Antragstellerin ab (Az. 8 B 787/25). 

Der Hessische VGH führte zur Begründung insbesondere aus, die Gefahr einer endgültigen Rechtsvereitelung sei gebannt, da die Stadt Braunfels in der Beschwerdebegründung die Absicht erklärt habe, sich ein einseitiges Rücktrittsrecht für den Fall eines erfolgreichen Bürgerbegehrens vorzubehalten.

Auf einen am 27.08.2025 eingereichten Eilantrag der genannten Mitunterzeichnerin hin verpflichtete das Verwaltungsgericht Gießen die Stadt Braunfels mit Beschluss vom 01.10.2025, im Falle eines Vertragsabschlusses ein Rücktrittsrecht zu Gunsten der Stadt aufzunehmen. 

Dies begründete die Kammer damit, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ein Anspruch der genannten Mitunterzeichnerin des Bürgerbegehrens bestehe, dieses nicht durch die Schaffung von Tatsachen obsolet werden zu lassen. Die gegen diesen Beschluss durch die Stadt Braunfels eingereichte Beschwerde ist derzeit beim Hessischen VGH anhängig (Az. 8 B 2161/25).

Mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 09.10.2025 erklärte die Stadt Braunfels das eingereichte Bürgerbegehren für unzulässig. Daraufhin reichte die hiesige Antragstellerin, eine weitere Mitunterzeichnerin des Bürgerbegehrens, am 29.10.2025 ebenfalls einen Antrag auf Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht Gießen ein. 

Mit ihrem Antrag begehrte die Antragstellerin primär, dass der Stadt Braunfels vorläufig generell untersagt werde, Pacht- oder Nutzungsverträge zum Zwecke der Errichtung und des Betriebs von Windkraftanlagen im Braunfelser Wald zu unterzeichnen und hilfsweise, dass der Stadt Braunfels (erneut) aufgegeben werde, sich bei einer etwaigen Vertragsunterzeichnung ein vertragliches Rücktrittsrecht vorzubehalten. 

Dies sei insbesondere notwendig, da aufgrund der gegen den Beschluss vom 01.10.2025 erhobenen Beschwerde zu erwarten sei, dass ein entsprechendes Rücktrittsrecht nicht vereinbart werde. 

Ferner sei die Entscheidung 09.10.2025 über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens rechtswidrig, da die Stadtverordnetenversammlung befangen und ein Kostendeckungsvorschlag entgegen der Ansicht der Stadtverordnetenversammlung nicht erforderlich gewesen sei.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Verwaltungsgericht Gießen hat dem Eilantrag insoweit stattgegeben, als er auf die Aufnahme eines vertraglichen Rücktrittsrechts durch die Stadt Braunfels gerichtet war. 

Dem steht nach Auffassung der Kammer nicht entgegen, dass bereits eine andere Mitunterzeichnerin des Bürgerbegehrens einen zumindest sehr ähnlichen Antrag erfolgreich gestellt haben. Denn jede einzelne Mitzeichnerin und jeder einzelne Mitzeichner eines Bürgerbegehrens sei klage- bzw. antragsbefugt. 

Ferner habe das als Vertragspartner der Stadt Braunfels in Frage kommende Unternehmen die Aufnahme eines Rücktrittsrechts nach der Entscheidung des Hessischen VGH vom 25.06.2025 abgelehnt, sodass die Gefahr bestehe, dass der Vertrag ohne ein entsprechendes Rücktrittsrecht unterzeichnet werde und dadurch das Recht der Antragstellerin auf Durchführung eines Bürgerbegehrens vereitelt, jedenfalls aber wesentlich erschwert werde. 

Damit drohe eine irreversible Verletzung des Teilhabeanspruchs an der Willensbildung in der Gemeinde. Für die vorläufige Sicherung eines solchen Anspruchs im gerichtlichen Eilverfahren genüge es, dass ein Bürgerbegehren nicht offensichtlich unzulässig sei. 

Eine überwiegend wahrscheinliche Zulässigkeit könne im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes im Eilrechtsschutzverfahren nicht gefordert werden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen VGH in Kassel einlegen.

Verwaltungsgericht Gießen, Beschl. v. 07.11.2025 - 8 L 6219/25.GI

Quelle: Verwaltungsgericht Gießen, Pressemitteilung v. 10.11.2025

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