Abtretung eines Pflichtteilsanspruchs bei Sozialansprüchen

Wird ein Pflichtteilsanspruch abgetreten, damit dieser durch den Sohn des Berechtigten gerichtlich geltend gemacht wird, um den erwarteten Geldbetrag dem Zugriff des Sozialleistungsträgers zu entziehen, kann dies sittenwidrig sein. Das hat das Landgericht Coburg entschieden, weil es annahm, dass nur vermieden werden sollte, dass der Vater keine Sozialleistungen mehr erhält.

Darum geht es

Der Vater des Klägers bezog Sozialleistungen, die bei der Erlangung des erhoffen Erbes nicht mehr gezahlt werden würden, sollte ein Pflichtteilsanspruch des Vaters auf den Sohn übertragen und von diesem gegen die Erben, die Geschwister des Vaters, eingeklagt werden. Der Vater hatte seinen Pflichtteilsanspruch zunächst bereits 2013 für 1 € an seinen Sohn verkauft und abgetreten. Diesen Vertrag hatten die beiden später aufgehoben und rückabgewickelt, bevor sie im Jahr 2015 den Anspruch des Vaters erneut auf den Sohn übertrugen.

Die beklagten Verwandten hatten Bedenken gegen die Wirksamkeit der Übertragung geltend gemacht. Der Kläger behauptete hierzu, sein Vater habe ihm den Anspruch übertragen, um ein Darlehen zurückzuzahlen, welches der Kläger seinem Vater früher einmal gewährt hätte. Dieses Darlehen hätte den erwarteten Pflichtteilsanspruch von mehr als 30.000 € sogar noch überstiegen. Auch sei das Jobcenter als der Sozialleistungsträger des Vaters mit der Übertragung einverstanden gewesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Landgericht Coburg schenkte dem Vortrag des Klägers keinen Glauben und hielt seine Angaben für frei erfunden. Nach der Überzeugung des Gerichts sollte durch die Übertragung des Anspruchs auf den Sohn einzig und allein vermieden werden, dass der Vater den Erlös aus der Erbschaft für seinen Lebensunterhalt verwenden müsste und dann keine Sozialleistungen mehr erhalten würde.

Auch die Erklärungsversuche der Klägerseite im Verhandlungstermin konnten das Gericht in seiner Überzeugung nicht erschüttern. So konnte der Kläger schon gar nicht genau angeben, wann er seinem Vater ein Darlehen gewährt haben wollte und in welche Höhe. Hierzu im Widerspruch stand auch der ursprüngliche Vertrag aus dem Jahr 2013. Dort war von einem Darlehen und dessen Rückzahlung keine Rede. Vielmehr sollte dort der Pflichtteilsanspruch ja gerade für 1 € verkauft werden.

Auch woher der noch junge Kläger, der bis kurz vor dem Prozess selbst noch Schüler gewesen war, Geld in einer Größenordnung von mehr als 30.000 € hätte nehmen sollen, um dieses seinem Vater zu überlassen, konnte nicht plausibel erklärt werden. Schließlich ergab sich aus einem Schreiben des Jobcenters, dass auch das vom Kläger behauptete Einverständnis mit der Übertragung des Pflichtteilsanspruchs tatsächlich nicht vorlag. Dort hatte der Vater des Klägers schließlich auch nicht die Rückzahlung eines Darlehens, sondern vielmehr gesundheitliche Gründe für die Übertragung des Anspruchs angegeben.

Insgesamt war das Gericht davon überzeugt, dass die Angaben des Klägers bewusst wahrheitswidrig erfolgten, um das erwartete Erbe dem Zugriff des Jobcenters zu entziehen. Die Übertragung des Pflichtteilsanspruchs auf den Sohn widerspricht damit nach der Entscheidung des Landgerichts dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Sie ist deshalb sittenwidrig und damit nichtig, also unwirksam.

Die Klage wurde deshalb abgewiesen. Der Kläger muss jetzt, weil das Gericht schon im Vorfeld die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit abgelehnt hatte, neben den Gerichtskosten auch die eigenen Rechtsanwaltskosten und diejenigen der beiden Beklagten selbst zahlen.

Bei diesem Verfahren wird erneut deutlich, dass Gerichte längst nicht immer mit der Wahrheit bedient werden, auch wenn die Parteien im Zivilprozess gesetzlich hierzu verpflichtet sind. Im Gegensatz zum Strafprozess, in dem der Angeklagte seine Einlassung notfalls ungestraft auch frei erfinden darf, kann ein bewusst wahrheitswidriger Vortrag im Zivilverfahren für die betreffende Partei auch ein Nachspiel mit der Polizei oder Staatsanwaltschaft haben. Werden nämlich Tatsachen bewusst falsch vorgetragen, um ein für sich positives Urteil des Zivilrichters zu erreichen, ist die Grenze zum Prozessbetrug schnell überschritten.

Landgericht Coburg, Urt. v. 11.10.2016 - 11 O 392/15

Quelle: Landgericht Coburg, Pressemitteilung v. 23.01.2017