Familienrecht -

Inhaltskontrolle von Unterhaltsvereinbarungen in Eheverträgen

Eine Inhaltskontrolle von Eheverträgen kann nicht nur zugunsten des unterhaltsbegehrenden Ehegatten veranlasst sein, sondern auch zugunsten des auf Unterhalt in Anspruch genommenen Ehegatten.

BGH, Urt. v. 05.11.2008 — XII ZR 157/06, Deubner-Link 2009/644

Darum geht es
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein am 24.11.1999 notariell beurkundeter Ehevertrag, in dem die Eheleute für den Fall der Scheidung wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten. Als Abfindung für diesen Verzicht verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagte eine monatliche Leibrente i.H.v. 1.300 DM zu zahlen, solange sie keine Altersrente und keine Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit bezieht. Die Ehe wurde rechtskräftig durch Urteil vom 09.04.2002 geschieden. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfügte der Kläger nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen über ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. ca. 2.110 DM.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er seiner geschiedenen Ehefrau weder nachehelichen Unterhalt noch eine Leibrente schulde, da der notarielle Vertrag insoweit nichtig sei. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG Karlsruhe (Urt. v. 11.09.2006 — 20 UF 164/05) das Urteil abgeändert und festgestellt, dass der Beklagten keine Ansprüche auf Zahlung einer Leibrente nach dem notariellen Vertrag zustehen, da diese Vereinbarung nichtig ist.

Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten zurückgewiesen.



Zumutbare Lastenverteilung
Die Grundsätze des BGH für die Inhaltskontrolle von Eheverträgen, die einer evident einseitigen und für den belasteten Ehegatten unzumutbaren Lastenverteilung begegnen sollen (grundlegend: BGH, Urt. v. 11.02.2004 — XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81 ff. = Deubner-Link 2004/2968 ), sind auch zugunsten des auf Unterhalt in Anspruch Genommenen anzuwenden. Auch auf dessen Seite kann eine erhebliche Unterlegenheitsposition vorliegen, die zu einer offensichtlich einseitigen Aufbürdung vertraglicher Lasten führen kann. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn aufgrund der vertraglich vereinbarten Unterhaltszahlung dem Verpflichteten weniger als das Existenzminimum verbliebe, welches nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu ermitteln ist.
Bei Vertragsschluss verfügte der Kläger über ein Nettoeinkommen i.H.v. 2.110 DM. Nach Abzug der vereinbarten Leibrente verblieben nur 810 DM, wohingegen das Existenzminimum bei Vertragsschluss im Jahre 1999 bei 1.096 DM lag (doppelter damals gültiger Eckregelsatz der Sozialhilfe).

Beweggründe der Ehegatten berücksichtigen
Dies allein begründet die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB jedoch noch nicht. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sind neben den objektiv vorliegenden individuellen Verhältnissen beim Vertragsschluss die subjektiv von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen. In diese Würdigung ist einzubeziehen, ob der Vertrag eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende Dominanz eines Ehegatten widerspiegelt. Nur bei einer solchen Konstellation wird eine subjektive Vorwerfbarkeit vermutet. In allen anderen Fällen sind konkrete Feststellungen zu der subjektiven Vorwerfbarkeit zu treffen. Vorliegend verneinte der BGH im Gegensatz zum Berufungsgericht eine derartige subjektive Vorwerfbarkeit.

Sozialleistungsträger darf nicht einspringen müssen
Der BGH nimmt die Sittenwidrigkeit des Ehevertrags jedoch aus einem anderen Grund an. Ein Unterhaltsverzicht ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH (u.a. Urt. v. 24.04.1985 — IVb ZR 22/84, Deubner-Link 1992/4382 = FamRZ 1985, 788 ff.) auch dann sittenwidrig, wenn die Vertragschließenden dadurch zumindest grob fahrlässig eine Unterstützungsbedürftigkeit zu Lasten des Sozialleistungsträgers herbeiführen, auch wenn sie dessen Schädigung nicht beabsichtigen. Hätte der Kläger die vereinbarte Leibrente zu zahlen, wäre ihm weniger als das Existenzminimum verblieben, so dass der Sozialleistungsträger hätte einspringen müssen. Aufgrund der den Parteien bekannten Einkommensverhältnisse und der Höhe der vereinbarten Leibrente lag dies auch auf der Hand. Daher bejahte der BGH die grobe Fahrlässigkeit.

Praxishinweis
Unterhaltsvereinbarungen unterliegen einer Wirksamkeitskontrolle nach den §§ 134, 138 BGB und einer Ausübungskontrolle nach § 242 BGB.
Die Tatsache, dass der Vertrag ausschließlich oder überwiegend zu Lasten eines Ehepartners geht, macht ihn für sich gesehen noch nicht sittenwidrig. Erforderlich ist vielmehr, dass einer den anderen zum Abschluss des Ehevertrags gedrängt oder übervorteilt hat.
Entscheidend ist, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2004 — XII ZR 265/02, Deubner-Link 2004/2968 = FamRZ 2004, 601 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 19.09.2005 — 13 UF 337/05, Deubner-Link 2006/7358 = FamRZ 2006, 1447, 1449).

 

Quelle: Stefan Knoche, RiAG Büdingen - Urteilsbesprechung vom 03.11.09