Familienrecht -

Keine Verfahrenskostenhilfe für Rechtsstreit über eine persönliche Angelegenheit

Für einen gegen den früheren Ehegatten gerichteten Anspruch auf Zugewinnausgleich besteht ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den neuen Ehegatten, der dem Anspruch auf staatliche Verfahrenskostenhilfe vorgeht.

BGH, Beschl. v. 25.11.2009 - XII ZB 46/09, Deubner Link 2010/239

Darum geht es

Die Antragstellerin beantragte Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Zugewinnausgleich gegen ihren früherenEhemann. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Familiengericht jedoch abgelehnt,weil ihr gegen ihrenneuen Ehemann ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses zusteht, der der Prozesskostenhilfe vorgeht. Sie sei daher nicht bedürftig. Ihre gegen diese Entscheidung eingelegtenRechtsbehelfe blieben erfolglos.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe kann nur erhalten, wer die Kosten eines Gerichtsverfahrens nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (114 ZPO). Vorrangig muss das eigene Einkommen und Vermögen eingesetzt werden (§ 115 ZPO). Dazu zählt auch ein Anspruch aufeinen Verfahrenskostenvorschussgegen den Ehegatten, Lebenspartner oder auch die Eltern (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2006 ? XII ZA 6/04, Deubner Link 2004/14228 = FamRZ 2004, 1633 ff). Der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss (VKV) geht der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) vor

Für Ehegatten ergibt sich der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss aus § 1360a Abs. 4BGB. Der Anspruch richtet sich immer gegen den aktuellen Ehegatten. Neben einer bestehenden Ehe ist weiter Voraussetzung, dass es sich um einen Rechtsstreit in einer persönlichen Angelegenheit handelt.

„Persönliche Angelegenheit“

Die Auslegung des Begriffs „persönliche Angelegenheit“ bereitet seit jeher Schwierigkeiten, besonders wenn es um vermögensrechtliche Ansprüche geht. Dass auch vermögensrechtliche Ansprüche persönliche Angelegenheiten sein können, steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außer Frage. Bis jetzt wurde jedoch eine allgemein anerkannte Definition für den Begriff der persönlichen Angelegenheit nicht gefunden, so dass sich die Praxis mit Fallgruppen behilft.

Auch auf vermögensrechtliche Leistungen gerichtete Ansprüche können zu den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten gehören, wenn sie ihre Wurzeln in der Lebensgemeinschaft der Ehegatten haben, die auch die wirtschaftliche Existenz der Ehegatten umfasse.

Das Recht, an dem wirtschaftlichen Ergebnis der gemeinsamen Tätigkeit in der Ehe beteiligt zu werden, zählt zweifellos zu seinen persönlichen Angelegenheiten. Demgegenüber stellen Verfahren, die nur dem allgemeinen wirtschaftlichen Interesseeines Ehegatten dienen (z.B. erbrechtliche Ansprüche, gesellschaftsrechtliche Ansprüche sowie Ansprüche auf Zahlung von Provisionen), nicht zu den persönlichen Angelegenheiten. Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Dritten ist eine persönliche Angelegenheit nur dann zu bejahen, wenn der Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person des betroffenen Ehegatten aufweist (z.B. Schadensersatzansprüche nach § 844 Abs. 2 BGB, § 10 Abs. 2StVG und sozialgerichtliche Verfahren, die die Zahlung einer Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit oder die Altersrente betreffen).

Nach diesen Grundsätzen ist ein Anspruch auf Zugewinnausgleich, weil aus der Ehe herrührend, zweifellos als persönliche Angelegenheit anzusehen.

Vermögensrechtlicher Anspruch

Inder Rechtsprechung und Literatur ist jedoch umstritten, ob vermögensrechtliche Ansprüche ihre Wurzeln in der Lebensgemeinschaft mit dem vorschusspflichtigen Ehegatten oder in den aus dieser Ehe erwachsenen persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen haben müssen.

Mit überzeugenden Argumenten legt der BGH dar, dass für eine derartenge Auslegung des Begriffs „persönliche Angelegenheit“ kein Anlass besteht. Es sei vielmehrdavon auszugehen, dass ein Anspruch, der bei seiner Entstehung als persönliche Angelegenheit einzuordnen ist, diese Eigenschaft nicht durcheine neue Eheschließung des Anspruchsinhabers verliert. Für eine einschränkende Auslegung gibt der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhaltspunkt.

Auch der Sinn und Zweck des Vorschussanspruchs spricht gegen eine einschränkende Auslegung. Der Anspruch ist unterhaltsrechtlicher Natur. Der leistungsfähige Ehegatte soll den wirtschaftlich schwachen bei der Durchsetzung seiner persönlichen Ansprüche unterstützen. Die erfolgreiche Durchsetzung eines vermögensrechtlichen Anspruchs oder die Abwehr eines unberechtigten Anspruchs berührt auch die finanzielle Basis der neuen Ehe und kommt damit auch dem neuen Ehegatten zu Gute. Schließlich widerspräche eine einschränkende Auslegung dem Grundsatz, dass Familiensolidarität stattlicher Fürsorge vorgeht.

Anmerkung des Autors
Es ist kein stichhaltiger Grund ersichtlich, warum ein vermögensrechtlicher Anspruch nur dann eine persönliche Angelegenheit sein soll, wenn dieser seine Wurzeln in der Lebensgemeinschaft mit dem vorschusspflichtigen Ehegatten hat. Dass es einem neuen Ehegatten durchaus zumutbar sein kann, Rechtsstreitigkeiten seines Partners gegen den früheren Ehegatten zu finanzieren, wird durch den der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt besonderes deutlich. Ein Zugewinnausgleichsanspruch kann nicht nur die finanzielle Basis der neuen Ehe erheblich aufbessern, sondern auch für den neuen Ehegatten güterrechtlich von großer Bedeutung sein. Im Verhältnis der neuen Ehegatten wäre ein Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber einem geschiedenen Ehegatten dem Anfangsvermögen zuzurechnen.

Weiterführende Informationen in rechtsportal.de/familienrecht:

 

Quelle: Richter am AG Stefan Knoche - Entscheidungsanmerkung vom 06.05.10