Familienrecht -

Kindesunterhalt bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen

OLG Hamm, Urt. v. 11.07.2012 - 12 UF 319/11

Freiwillige monatliche Zusatzleistungen des Barunterhaltspflichtigen für Reit- und Klavierunterricht können nur teilweise als bedarfsdeckend im Hinblick auf den Elementarbedarf angesehen werden.

Darum geht es

Der in günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebende Beklagte schuldet der Klägerin, seiner Tochter, unstreitig Unterhalt nach der 10. Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von 682 €. Im Streit ist, ob die zusätzlich erbrachten Zahlungen des Beklagten in Höhe von 305 €, die ausdrücklich für den Reit- und Klavierunterricht der Klägerin bestimmt waren, deren Bedarf ganz oder teilweise gedeckt haben. Für diese Frage ist entscheidend, ob in dem Tabellenunterhalt Anteile für Reit- und Klavierunterricht enthalten sind und, wenn ja, in welcher Höhe.

Das AG hat der Klägerin lediglich Unterhalt auf Grundlage der 4. Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle zugesprochen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG sieht den Elementarbedarf der Klägerin durch die Zahlungen in Höhe von 305 € dagegen nur teilweise gedeckt. Der Düsseldorfer Tabelle liegt der Mindestunterhalt gem. § 1612a BGB zugrunde. Dieser beruht wiederum auf dem sächlichen Existenzminimum des Kindes gem. § 32 EStG.

Die Frage, welche Aufwendungen der dem sächlichen Existenzminimum entsprechende Mindestbedarf abdeckt, ist unter Heranziehung der §§ 27 ff. SGB XII und der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII (Regelsatzverordnung) bzw. mit Wirkung vom 01.01.2011 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) zu beantworten (BGH, Urt. v. 26.11.2008 - XII ZR 65/07, FamRZ 2009, 962; OLG Schleswig, Beschl. v. 17.11.2011 - 10 UF 220/10, FamRB 2012, 139).

Schätzgrundlage nach § 287 ZPO für den streitgegenständlichen Zeitraum zur Ermittlung des Regelbedarfs in § 6 RBEG sind die darin genannten regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für Kinder vom Beginn des siebenten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Der sich daraus ergebende Regelbedarf ist zu dem tatsächlich geschuldeten Unterhalt ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist davon auszugehen, dass auch den Mindestunterhalt übersteigende Unterhaltsbeträge grundsätzlich keinen wesensverschiedenen Aufwand abdecken, sondern aufgrund der abgeleiteten Lebensstellung des Kindes auf eine Bedarfsdeckung auf höherem Niveau zielen (BGH, Urt. v. 26.11.2008 - XII ZR 65/07, FamRZ 2009, 962).

Zu berücksichtigen ist zunächst allerdings, dass im Regelbedarf der Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht enthalten ist (vgl. § 27a Abs. 2 i.V.m. §§ 35 f. SGB XII). Dieser kann mit 20 % des Tabellenunterhalts geschätzt werden (vgl. Klinkhammer in Wendl/Dose, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage 2011, § 2 Rdnr. 326); er beträgt also bei einem Tabellenunterhalt von 682 € insgesamt 136,40 €.

Im RBEG wird ein Gesamtbedarf von 240,32 € ermittelt. Die einzige im RBEG enthaltene Bedarfsposition, die durch den Reit- und Klavierunterricht als gedeckt angesehen werden kann, ist die Position "Freizeit, Unterhaltung, Kultur" in Höhe von 41,33 €. Bei verhältnismäßiger Erhöhung, bezogen auf einen verbleibenden Gesamtbedarf von 545,60 € (682 € - 136,40 €), ergibt dies für diese Position 93,83 €. Weil diese Position beispielsweise aber auch für Theater- und/oder Kinobesuche sowie Wochenendunternehmungen besteht, kann nur ein Anteil von rund 60 € monatlich für den Reit- oder Klavierunterrichtsbedarf angesetzt werden; im Übrigen können die Aufwendungen für den Reit- und Klavierunterricht der Klägerin nur als Deckung eines Mehrbedarfs eingestuft werden, der nicht aus dem Elementarunterhalt gedeckt werden kann.

Demnach sind die zweckgebundenen Zahlungen des Beklagten für Reit- und Klavierunterricht bis zur Höhe von monatlich 60 € auf den geschuldeten Elementarbedarf anzurechnen, sodass noch Beträge in Höhe von monatlich 198,20 € (258,20 € - 60 €) an ungedecktem Bedarf verblieben sind, den der Beklagte der Klägerin schuldet.

Quelle: Frank Götsche - vom 24.09.12