Familienrecht -

Verfrühter Scheidungsantrag

Expertenkommentar: Ein Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres kann sich rechtlich nachteilig auswirken.

Rechtsnachteile durch verfrühten Antrag
Zwar reicht es grundsätzlich aus, dass das Trennungsjahr in der letzten mündlichen Verhandlung abgelaufen ist, ein verfrüht gestellter Antrag kann jedoch wegen § 242 BGB unzulässig sein. Immerhin werden durch die Rechtshängigkeit des Antrags die Berechnungszeitpunkte für den Versorgungsausgleich (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) und den Zugewinnausgleich (§ 1384 BGB) festgelegt, so dass sich aus einem verfrühten Zustellungsdatum im Einzelfall Rechtsnachteile für den anderen Ehegatten ergeben können. Falls ein nachehelicher Unterhaltsanspruch nicht besteht ( z.B. wegen eines wirksamen ehevertraglichen Verzichts), könnte ein bereits vor Ablauf des Trennungsjahres gestellter Scheidungsantrag auch zu einer früheren Scheidung führen und damit im Einzelfall die Dauer des Trennungsunterhaltsanspruchs kürzen und sich somit ebenfalls rechtsnachteilig auswirken (OLG Oldenburg, Urt. v. 26.04.1996 — 3 UF 14/96, Deubner-Link 1997/623 = FamRZ 1996, 1480).

Praxishinweis
Für diesen Fall sollte auf Antragsgegnerseite mit der Antragserwiderung gleichzeitig um unverzügliche gerichtliche Terminierung gebeten werden. Ist die Trennungszeit sodann im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung immer noch nicht abgelaufen, wäre der Scheidungsantrag zwingend kostenpflichtig abzuweisen (§ 150 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Die Praxis einzelner Familiengerichte zeigt leider, dass es dort mit der Prüfung des Trennungsjahres nicht sehr genau genommen wird und verfrüht gestellte Anträge einfach hingenommen werden, teilweise mit der Begründung, dass die Ermittlungen zum Versorgungsausgleich ja ohnehin längere Zeit in Anspruch nehmen würden. Hier ist der Antragsgegner selbst gehalten, auf eine unverzügliche Terminierung hinzuwirken.

Weitere Umgehungsmöglichkeiten
Der Antragsteller selbst hat es allerdings auch in der Hand, das Verfahren weiter zu verzögern, beispielsweise dadurch, dass ein Antrag auf Vertagung oder Ruhen des Verfahrens gestellt wird. Hiergegen indes kann sich der (noch) nicht scheidungswillige Antragsgegner durchaus zur Wehr setzen. Eine Terminsaufhebung und Vertagung nämlich kommt nur unter den strengen Voraussetzungen des § 227 ZPO in Betracht. Es müssen hierfür „erhebliche Gründe“ vorliegen, die dann nicht gegeben sind, wenn der Antrag erkennbar nur gestellt wird, um Zeit zu gewinnen.

§ 251 ZPO
Ein Ruhen des Verfahrens setzt voraus, dass es beide Parteien beantragen und anzunehmen ist, dass die Anordnung zweckmäßig ist. Der Antragsgegner ist damit in der Lage, diesen „Verzögerungstricks“ wirksam zu begegnen.

Härtefallentscheidung
Dem Einfallsreichtum mancher Ehegatten bei der Umgehung der Trennungsdauer sind, wie die Praxis zeigt, allerdings kaum Grenzen gesetzt. Häufig wird z.B. der Versuch unternommen, das Verfahren als Härtefallscheidung zu betreiben, indem hierfür erfundene Gründe dargelegt werden, die einer späteren Überprüfung keineswegs standhalten können. Auch hier ist es erforderlich, eine kurzfristige Terminierung herbeizuführen und im Rahmen der Antragserwiderung im Einzelnen darzustellen, dass das Scheidungsbegehren ohne Aussicht auf Erfolg ist und lediglich der Umgehung der Scheidungsvoraussetzungen dient. Das Gericht darf sich einem solchen Vortrag nicht verschließen.

Vertrauen auf Ablauf
Teilweise wird seitens des Antragstellers auch darauf vertraut, dass das Trennungsjahr zumindest im Beschwerdeverfahren abgelaufen ist. Dabei wird sogar in Kauf genommen, dass die Kosten des Rechtsstreits sodann nach § 150 Abs. 4 Satz 1 FamFG von ihm zu tragen sind, was nur bei beidseitig verfrühtem Antrag nicht der Fall wäre (OLG Hamm, Urt. v. 19.06.1998 — 11 UF 46/98, Deubner-Link 1999/9723 = FamRZ 1999, 726).

Handhabung in der Rechtsprechung
Wie eine Stichtagsmanipulation durch einen verfrüht gestellten Scheidungsantrag möglicherweise zu korrigieren ist, scheint nicht abschließend geklärt. Auf jeden Fall aber ist hier an die Möglichkeiten, die sich aus § 27 VersAusglG für den Versorgungsausgleich und aus § 1381 BGB für den Zugewinnausgleich ergeben, zu denken (BGH, Urt. v. 04.12.1996 — XII ZR 231/95, Deubner-Link 1997/705 = FamRZ 1997, 347). Ob das Gericht darüber hinaus berechtigt ist, selbst geänderte Stichtage zugrunde zu legen, lässt der BGH offen. Zum Teil wird jedenfalls dann, wenn das Trennungsjahr erst in 2. Instanz abläuft und die Sache zurückverwiesen wird, vorgeschlagen, für den Stichtag auf die letzte mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren abzustellen.

Das Beschwerdegericht kann über die Scheidung selbst erkennen, wenn ein verfrüht gestellter Antrag abgewiesen wurde und das Trennungsjahr während des Beschwerdeverfahrens abläuft (vgl. § 69 Abs 1 Satz 1 FamFG). Dies gilt ggf. auch dann, wenn bei dem Gericht, das die Abweisung ausgesprochen hat, eine Folgesache zur Entscheidung ansteht, § 146 Abs 1 Satz 1 FamFG (aus dem Zwang zur Zurückverweisung im § 629 d ZPO a.F. ist eine Sollvorschrift geworden). Die Entscheidung über eine Zurückverweisung steht hier im Ermessen des Beschwerdegerichts.

Weiterführende Informationen im rechtsportal.de:

  • Bibliothek, Praxishandbuch Familiensachen, Stichwort
    „Streitige Scheidung“ (Deubner-Link D5721_97310633)
  • „Härtefallentscheidung“ (Deubner-Link D5721_97310635)

Quelle: Rechtsanwalt Roland Garbe, FA FamR, Lenzen/Elbe - Beitrag vom 18.11.09