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Ausgleich für besatzungshoheitliche Enteignung auch bei NSDAP-Mitgliedschaft

Ein Ausgleich für besatzungshoheitliche Enteignung kann nicht allein wegen einer ehrenamtlichen Tätigkeit als NSDAP-Kreisrichter und als Amtsleiter in einer NSDAP-Kreisleitung verweigert werden.

Diese Tätigkeiten sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichte nicht bereits als erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems zu werten ist und führen daher nicht per se zum Ausschluss von einer Ausgleichsleistung.

Sachverhalt:
1948 waren zwei Grundstücke des Vaters des Klägers auf besatzungshoheitlicher Grundlage entschädigungslos enteignet worden. Der Kläger beantragte als dessen Rechtsnachfolger die Gewährung von Ausgleichsleistungen nach den Vorschriften des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG). Dies lehnte die Beklagte gestützt auf § 1 Abs. 4 AusglLeistG ab, da der Vater des Klägers dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet habe. Die Beklagte begründete die Ablehnung damit, dass der Vater des Klägers von 1931 bis April 1934 Vorsitzender des NSDAP-Kreisgerichts und auch danach in der NSDAP-Kreisleitung als Amtsleiter für Gemeindepolitik und für den Juristenbund sowie als Kreisrechtsstellenleiter tätig gewesen sei. Allerdings könne wegen des Zeitablaufs nicht aufgeklärt werden, welche Handlungen ihm im Einzelnen vorzuwerfen seien.

Die gegen die ablehnende Entscheidung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.


Entscheidung:

Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, Ausgleichsleistungen zu gewähren.

Aus der in der Kontrollratsdirektive Nr. 38 vorgenommenen Zuordnung der vom Vater des Klägers wahrgenommenen Funktionen in die Kategorie der Hauptschuldigen kann keine Vermutung dafür entnommen werden, dass der Betroffene auch im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat. § 1 Abs. 4 AusglLeistG weist die erforderlichen Anhaltspunkte für eine solche Vermutung nicht auf, zudem decken sich Sinn und Zweck der beiden Regelungen nicht. Ebenso wenig kann die Unwürdigkeitsfeststellung hier bereits aus der Innehabung der genannten Parteifunktionen hergeleitet werden. Weder der ehrenamtliche Vorsitz in einem NSDAP-Kreisgericht noch die nachgeordneten Ämter, die der Kläger in einer NSDAP-Kreisleitung ehrenamtlich innegehabt hat, sind von ihrer Bedeutung und ihren Einflussmöglichkeiten her so herausgehoben, dass sie den von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss auf ein erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems tragen. An der Feststellung einzelner Handlungen, die den Ausschluss von einer Ausgleichsleistung nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG gleichwohl rechtfertigen, fehlte es.

Quelle: BVerwG - Pressemitteilung vom 22.10.06