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Ex-Vorstand schuldet Auskunft und Rechenschaft

Von einem ehemaligen Vorstand einer AG können die Auskunft über die Hintergründe von Barabhebungen und Überweisungen und die Vorlage von Rechnungen, Kontoauszügen und Belegen verlangt werden. Der Anspruch aus § 666 BGB setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Auftraggeber die begehrte Information zur Vorbereitung weiterer Ansprüche benötigt. Das hat das OLG München entschieden.

Sachverhalt

Die H. AG hatte drei Gesellschafter; A mit 88,79 % des Grundkapitals sowie B, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin 11,21 % der Aktien hielt. B wurde zum Vorstand der AG bestellt. Einige Jahre nach der Gründung der AG wurde die Hotel Management UG (haftungsbeschränkt) gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb eines Hotels. Aufgrund eines Vertrages übernahm diese UG faktisch den Geschäftsbetrieb der H. AG. Im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 kam es auf Veranlassung des B zu zahlreichen Barabhebungen bzw. Überweisungen von Konten der H. AG.

Im November 2010 stellte B als Vorstand der H. AG Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nahm B Anfang 2011 diesen Antrag zurück. Im April 2012 stellte B dann Insolvenzantrag in Eigenverwaltung. Daraufhin wurde eine Insolvenzverwalterin über das Vermögen der H. AG bestellt. In dieser Zeit ist A Vorstand der H. AG, aber nicht mehr B.

A schloss mit der Insolvenzverwalterin „Abtretungsvereinbarungen“, in denen die Insolvenzverwalterin A u.a. sämtliche Ansprüche der Gesellschaft gegen das ehemalige Vorstandsmitglied B auf Schadensersatz abtrat nach AktG, Dienstvertrag, Geschäftsordnung für den Vorstand der Gesellschaft, Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Delikt. Nach einer Vielzahl von Prozessen gegeneinander wurde in einem Güterichterverfahren vor dem LG München II ein „Zwischenvergleich“ unter Beteiligung verschiedener anderer Personen geschlossen.

Nach diesem Vergleich sollte B eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstellung eines Schiedsgutachtens „zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Geschäftsgang durch den Vorstand der H. AG für den Zeitraum ab dem 01.07.2009“ beauftragen. Das Schiedsgutachten sollte für die Beteiligten verbindlich i.S.v. §§ 315 ff BGB sein. Das Schiedsgutachten wurde weder in Auftrag gegeben noch erstellt. A verlangte daraufhin von B Auskunft über den Rechtsgrund und über den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt der zahlreichen Barabhebungen und Überweisungen, da weder ihm noch der Insolvenzverwalterin die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung standen. B verweigerte die Auskunft, woraufhin A Klage erhob.

Das LG München II hat die Klage mit Urteil vom 03.05.2016 (12 O 59/16) abgewiesen. Dagegen hat A Berufung eingelegt.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der getroffene Zwischenvergleich steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Denn zum einen war lediglich die Einholung eines Schiedsgutachtens vereinbart. Und zum anderen ist die Schiedsgutachtensvereinbarung nach § 93 Abs. 4 AktG unwirksam. Nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kann die Gesellschaft erst drei Jahre nach Entstehung des Anspruchs auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen. Ein unter Verstoß gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG abgeschlossener Verzicht oder Vergleich ist unwirksam und bleibt dies auch nach Ablauf der Frist von drei Jahren. Auch eine nachträgliche Genehmigung führt nicht zur Wirksamkeit.

§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG gilt auch für Rechtsgeschäfte mit vergleichbaren wirtschaftlichen Folgen, etwa für eine Stundung, da darin wirtschaftlich ein Teilverzicht liegt. Erfasst sind von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG alle Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder, gleich aus welchem Rechtsgrund, sofern sie in einem inneren Zusammenhang mit der Organstellung entstanden sind. Die Schiedsgutachtervereinbarung hat vorliegend vergleichbare wirtschaftliche Folgen wie ein Vergleich oder Verzicht.

Die Klage ist auch weitgehend begründet. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung nach § 666, § 675 BGB ist aufgrund der Abtretungsvereinbarung auf A übergegangen. Dies ergibt sich bereits aus einer entsprechenden Anwendung des § 401 Abs. 1 BGB. § 401 Abs. 1 BGB gilt analog für solche Hilfsrechte, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind. Solche Nebenrechte sind insbesondere Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung aus §§ 666, 675 BGB, die darauf abzielen, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln.

A kann daher von B Auskunft über Rechtsgrund und zugrundeliegenden Lebenssachverhalt sowie die Vorlage der dazu gehörenden Vereinbarungen, Rechnungen, Belege und Kontoauszüge verlangen. Denn B war als Vorstand für die H. AG tätig und ist daher aufgrund des Geschäftsführerdienstvertrags nach §§ 666, 675 Abs. 1 BGB auskunfts- und rechenschaftspflichtig. Dazu gehören auch die Vorlage von Belegen und die Herausgabe von Verträgen, Rechnungen, Belegen und Kontoauszügen. Den weitreichenden Informations- und Herausgabepflichten unterliegt der Geschäftsbesorger, weil er fremdnützig im Rechtskreis des Auftraggebers – vorliegend also der Gesellschaft – tätig war.

Der Anspruch ist nicht verjährt. Die Verjährung der Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaftslegung nach § 666 BGB beginnt erst mit Beendigung des Auftragsverhältnisses, vorliegend also mit Ende des Dienstvertrags zwischen B und der H. AG.

Folgerungen aus der Entscheidung

Der Anspruch aus § 666 BGB setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Auftraggeber die begehrte Information zur Vorbereitung weiterer Ansprüche benötigt. Es genügt vielmehr das allgemeine Interesse des Auftraggebers, die Tätigkeit des Beauftragten zu kontrollieren. Allerdings ist dabei zu beachten, dass der Anspruch auf Auskunft und Rechenschaftslegung analog § 401 BGB nur soweit übergeht, als er erforderlich ist, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln.

Wenn daher bereits feststeht, dass der Gläubiger keinesfalls etwas fordern kann, geht entweder bereits der Informationsanspruch nicht mit über oder es ist der Gläubiger nach Treu und Glauben daran gehindert, den Informations- und Rechenschaftsanspruch geltend zu machen. Es erscheint zumindest möglich, dass der Gemeinschuldnerin Schadensersatzansprüche zustehen, die an A abgetreten worden sind. Dabei kommt es im Gegensatz zum Auskunftsanspruch aus § 242 BGB nicht darauf an, ob diese Schadensersatzansprüche dem Grunde nach tatsächlich bestehen. Nur wenn umgekehrt bereits feststünde, dass kein Anspruch gegen B besteht, könnte A nicht nach §§ 666, 675 BGB Auskunft verlangen.

Hinsichtlich dieser möglichen Schadensersatzansprüche ist zu beachten, dass sich die Verjährung nach § 195, § 199 BGB und nicht nach § 93 Abs. 6 AktG richtet. Denn erfüllt das pflichtwidrige Verhalten eines Vorstandsmitglieds zugleich den Tatbestand der unerlaubten Handlung, besteht zwischen den Ansprüchen aus § 93 AktG und aus Deliktsrecht Anspruchskonkurrenz, sodass die Verjährung sich nach allgemeinen Vorschriften richtet.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass der Vorstand einer AG sich bei der Vornahme von Barabhebungen oder Überweisungen von Bankkonten der AG ausreichende Unterlagen der Gesellschaft überlässt, um später den Rechtsgrund und den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt darlegen zu können. Gelingt ihm das nicht und wird er auf entsprechende Auskunft verklagt, um Schadensersatzansprüche beziffern zu können, trägt er die Beweislast. Im Zweifel muss er die geleisteten Zahlungen ersetzen, wenn ihm der Nachweis nicht gelingt, dass die Zahlungen betrieblich veranlasst waren. Wie insbesondere das Urteil des OLG München vom 30.03.2017 (23 U 3159/16) zeigt, sollte jeder die Ausgabe von Mitteln der Gesellschaft vermeiden, wenn er keine Belege für die Ausgabe hat.

OLG München, Urt. v. 30.03.2017 - 23 U 3159/16

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht