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Hohes Schmerzensgeld wegen eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers

Das Landgericht Koblenz hat 100.000.- Euro Schmerzensgeld wegen eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers zugesprochen.

Den Betrag erhält der 53jährigen Kläger für den fast vollständigem Verlust der Sehkraft auf beiden Augen und eine verzögerte Schadenregulierung.

Zum Sachverhalt:

Der 53 Jahre alte Kläger begab sich im Juni 2002 wegen Sehstörungen in die augenärztliche Behandlung des Beklagten. Dieser untersuchte den Kläger, dokumentierte, dass der Kläger an Diabetes leidet und verordnete ihm eine Brille. Die Beschwerden des Klägers verstärkten sich in der Folgezeit, so dass er den Beklagten im Juli und September 2002 erneut aufsuchte. Der Beklagte überwies ihn zum Ausschluss einer diabetischen Neuropathie an einen Neurologen. Am 19.09.2002 erfolgte eine Eilüberweisung an die Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn wegen des Verdachts auf diabetische Retinopathie (Netzhauterkrankung mit Netzhautblutungen, Netzhautödem mit Sehschärfeverlust und Gefäßneubildungen auf und vor der Netzhaut). Dort wurde eine proliferative diabetische Retinopathie diagnostiziert und sofort mit Laserflächenkoagulationen und Retinokryokoagulationen (therapeutische Maßnahme zur Blutungsstillung) behandelt. Trotz dieser Behandlung trat bei dem Kläger eine ausgeprägte Sehschärfenminderung an beiden Augen ein. Mit dem rechten Auge kann der Kläger noch die Finger einer Hand erkennen, mit dem linken Auge lediglich Handbewegungen wahrnehmen, hinzu kommt eine ausgeprägte Einschränkung des Gesichtsfeldes. Der Kläger ist infolge seiner Sehbehinderung auf beiden Augen zu 100 % schwer behindert. Das in einem selbständigen Beweisverfahren eingeholte medizinische Sachverständigengutachten kam zum Ergebnis, dass bereits bei der Erstvorstellung des Klägers bei dem Beklagten sehr wahrscheinlich bereits eine diabetische Retinopathie vorgelegen habe und aufgrund der dokumentierten Patientenangaben eine zeitnahe Untersuchung des Augenhintergrundes unbedingt hätte erfolgen müssen. Trotz dieser gutachterlichen Feststellungen erfolgte eine Schadensregulierung durch die Haftpflichtversicherung des Beklagten nicht, so dass der Kläger seine Ansprüche auf Schmerzensgeld in Höhe von 150.000.- Euro und einer monatlichen Schmerzensgeldrente von 500.- Euro auf dem Klagewege verfolgte. Nach Vorlage des Gutachtens im Prozess erkannte die Haftpflichtversicherung die Ansprüche des Klägers dem Grunde nach an und zahlte am 06.07.2005 einen Abschlag in Höhe von 40.000.- Euro.

Zum Inhalt der Entscheidung:

Mit Urteil vom 24.03.2006 verurteilte die 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz den Beklagten zur Zahlung von 100.000.- Euro abzüglich der bereits gezahlten 40.000.- Euro und stellte fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, die diesem infolge der fehlerhaften augenärztlichen Behandlung entstanden sind oder noch entstehen werden. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte die Kammer die Schwere der immateriellen Schäden, das Verschulden des Arztes sowie die Vermögensverhältnisse der Beteiligten und insbesondere auch das Bestehen einer Haftpflichtversicherung. Die verspätete Diagnose der diabetischen Retinopathie habe die Chancen auf einen bestmöglichen Sehschärfeerhalt wesentlich gemindert. Der fast vollständige Verlust der Sehkraft auf beiden Augen führe sowohl im privaten, als auch im beruflichen Bereich zu erheblichen Beeinträchtigungen und psychischen Belastungen, da der Kläger umfassend auf Hilfe angewiesen und auch in seiner Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt sei. Schmerzensgelderhöhend sei unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes darüber hinaus zu berücksichtigen, dass es sich bei der verspäteten Diagnosestellung um einen groben Behandlungsfehler gehandelt habe. Zum anderen sei aber insbesondere das völlig uneinsichtige Verhalten des Beklagten das den Kläger erheblich belastet habe, durch ein erhöhtes Schmerzensgeld zu kompensieren gewesen. Es sei der Kammer völlig unverständlich, dass der Beklagte bzw. die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung auch nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens weiterhin die Einstandspflicht verneint und so das für den Kläger belastende Klageverfahren erforderlich gemacht habe. Der Beklagte habe damit die gebotene zeitnahe Entschädigung zumindest teilweise unangemessen hinausgezögert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: LG Koblenz - Pressemitteilung vom 19.07.06