Sonstige Themen -

Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung?

Der Bundesgerichtshof hat zur Frage entschieden, wann eine Verzögerung im Strafverfahren gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verstößt.

Demnach begründet die bloße erfolgreiche Durchführung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs, die zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers führt, für sich genommen nicht schon eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung.

Sachverhalt:

Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 6. Juli 2005 wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Der Angeklagte war bereits am 8. August 2002 wegen dieser Tat (begangen im März 2002) in gleicher Weise verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26. Februar 2003 verworfen. Auf die vom Angeklagten eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen mit Beschluss vom 16. Februar 2005 wegen eines Verstoßes der landgerichtlichen Geschäftsverteilung gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) aufgehoben und die Sache an das Landgericht Köln zurückverwiesen, so dass dieses erneut mit der Sache befasst wurde.

Gegen die jetzige Verurteilung hat der Angeklagte wiederum Revision eingelegt. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, seine Revision mit der Maßgabe zu verwerfen, dass die verhängte Freiheitsstrafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) um sechs Monate herabgesetzt wird.


Entscheidung:

Der 2. Strafsenat ist diesem Antrag nicht gefolgt, sondern hat die Revision insgesamt verworfen. Er ist - anders als der Generalbundesanwalt - der Ansicht, dass die bloße erfolgreiche Durchführung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs, die zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers führt, für sich genommen nicht schon eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung begründet.

Ob vorliegend im Hinblick auf die - mit rund zwei Jahren - sehr lange Bearbeitungszeit beim Bundesverfassungsgericht eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu bejahen ist, hat der Senat offen gelassen, da die verhängte Strafe selbst in diesem Fall jedenfalls im Sinne von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO angemessen ist.

Quelle: BGH - Pressemitteilung vom 08.03.06