Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Befristung bei Ärzten in der Weiterbildung

Voraussetzung für eine Befristung nach § 1 Absatz 1 ÄArbVtrG (Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung) ist, dass die beabsichtigte Weiterbildung die Beschäftigung des Arztes prägt. Der Arbeitgeber trägt dabei die Darlegungslast für die Planungen und die Prognose, die den Sachgrund der Befristung tragen. Das hat das BAG entschieden.

Sachverhalt

Eine seit rund 16 Jahren approbierte Fachärztin für innere Medizin hatte in den Jahren 2008 und 2009 im Rahmen zweier Arbeitsverhältnisse die Weiterbildung mit Schwerpunkt Gastroenterologie begonnen. Zur Fortsetzung dieser Weiterbildung schloss die Medizinerin einen für die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2014 befristeten Teilzeitarbeitsvertrag als Assistenzärztin zum Erwerb der Anerkennung für den Schwerpunkt Gastroenterologie mit der Betreiberin eines Krankenhauses.

Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung der Weiterbildung, in deren Verlauf die Ärztin einen konkreten Weiterbildungsplan verlangte. Die Ärztin hat mit Klage vom 18.07.2014 den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Das ArbG Heilbronn hat die Klage mit Urteil vom 28.01.2015 (4 Ca 299/14) abgewiesen. Das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 11.09.2015, 1 Sa 5/15) hat auf die Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die (zugelassene) Revision der Beklagten hat das BAG zurückgewiesen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG) verlangt die Befristung eines Arbeitsvertrags, dass die Beschäftigung des Arztes der zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt oder dem Erwerb einer Anerkennung für einen Schwerpunkt dient. Hierzu ist die Erstellung eines detaillierten schriftlichen Weiterbildungsplans nicht erforderlich. Der Aufnahme eines solchen Plans in die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien bedarf es nicht.

Voraussetzung für eine Befristung nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG ist jedoch, dass die beabsichtigte Weiterbildung die Beschäftigung des Arztes prägt. Dabei ist nach allgemeinen befristungsrechtlichen Grundsätzen auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Planungen und Prognosen abzustellen, die der Arbeitgeber im Prozess anhand konkreter Tatsachen darzulegen hat.

Die Darlegungslast des Arbeitgebers erstreckt sich auf das Weiterbildungsziel, das für den befristet beschäftigten Arzt angestrebt wurde, und den Weiterbildungsbedarf, den die anwendbare Weiterbildungsordnung vorgibt. Insoweit ist jedenfalls grob umrissen darzustellen, welche erforderlichen Weiterbildungsinhalte in welchem zeitlichen Rahmen vermittelt werden sollten.

Nach dem Vorbringen der Beklagten war nicht erkennbar, ob im Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung die Prognose gerechtfertigt war, dass eine zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung die Beschäftigung der Klägerin prägen würde.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das BAG bestätigt seine Rechtsprechung mit dieser Entscheidung z.T., entwickelt sie aber auch fort. Gemäß § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG sind die arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze über befristete Arbeitsverträge anzuwenden, soweit sie den Vorschriften des § 1 Abs. 1–4 ÄArbVtrG nicht widersprechen. Die Vorschrift des § 14 Abs. 4 TzBfG unterwirft ausschließlich die Befristung selbst dem Schriftformgebot.

Es bedarf nicht der schriftlichen Vereinbarung des Sachgrundes. Da das ÄArbVtrG ein solches Zitiergebot ebenso wenig kennt, muss der Arbeitsvertrag keine schriftliche Angabe des Befristungsgrundes enthalten (so bereits BAG, Urt. v. 24.04.1996, 7 AZR 428/95). Auch der Aufstellung eines detaillierten schriftlichen Weiterbildungsplans bedarf es nicht.

Die Anforderungen an den Sachgrund der Weiterbildung werden erheblich verschärft. Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers, „strenge Anforderungen an die Befristung festzulegen“ (BT-Drs. 13/8668 S. 6). Das BAG überträgt die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers hinsichtlich des sachlichen Grundes, die es zu § 14 Abs. 1 TzBfG entwickelt hat (vgl. BAG, Urt. v.17.03.2010, 7 AZR 640/08; BAG, Urt. v. 29.04.2015, 7 AZR 310/13), auf den besonderen Sachgrund, den die Weiterbildung von Ärzten bildet.

Ließ das BAG es im Urteil vom 24.04.1996 (7 AZR 428/95) noch genügen, dass die Beschäftigung die Weiterbildung des Arztes fördert, verlangt es nunmehr außerdem, dass die Beschäftigung durch die Weiterbildung geprägt wird. Der Arbeitgeber hat die Planungen und Prognosen für die Gewährleistung einer „zeitlich und inhaltlich strukturierten“ Weiterbildung darzulegen.

Praxishinweis

Das BAG verneint zwar die Rechtspflicht der Aufstellung eines schriftlichen Weiterbildungsplans, bürdet aber dem Arbeitgeber die Darlegungslast hinsichtlich der „im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Planungen und Prognosen“ auf. Bei einer Befristungsdauer von bis zu acht Jahren und umfangreichen Weiterbildungsordnungen ist dies ohne schriftliche Dokumentation praktisch unmöglich.

Es ist jedem Arbeitgeber dringend anzuraten, das Weiterbildungsziel sowie den Weiterbildungsbedarf und den daraus abgeleiteten zeitlichen Rahmen für die Weiterbildungsinhalte sorgfältig (schriftlich) festzuhalten. Für den Arbeitgeber kann es sich als Falle erweisen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die angestrebten Weiterbildungsinhalte nicht erworben werden können (vgl. hierzu LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.10.2009, 9 Sa 1242/09). Für befristet eingestellte Ärzte in Weiterbildung steigen die Erfolgsaussichten einer Entfristungsklage nach § 17 TzBfG erheblich.

BAG, Urt. v. 14.06.2017 - 7 AZR 597/15

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber