Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Betriebsübergang nur bei Wechsel des verantwortlichen Inhabers

Ein Betriebsübergang setzt nach § 613a BGB voraus, dass die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt. Allein die Erteilung einer umfassenden Generalvollmacht an einen Dritten erfüllt dies nicht, weil die Verantwortung für den Betrieb des Unternehmens nicht abgegeben wird. Das hat das BAG entschieden.

Sachverhalt

Eine Arbeitgeberin schloss mit einer Betriebsgesellschaft eine Vereinbarung. Die Vereinbarung trug die Überschrift „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“. Die Betriebsgesellschaft sollte die komplette Produktion der Arbeitgeberin an allen drei Standorten in Lohnfertigung mit den vorhandenen Arbeitnehmern weiterführen. Außerdem sollte sie die Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebs an allen Standorten übernehmen.

Die Arbeitgeberin und die Betriebsführungsgesellschaft vereinbarten weiterhin, dass die Betriebsführungsgesellschaft ausschließlich für Rechnung und dem Namen der Arbeitgeberin tätig werden sollte. Dementsprechend erteilte die Arbeitgeberin der Gesellschaft auch Handlungsvollmacht. Und nun zu dem arbeitsrechtlichen Problem: Die Arbeitgeberin und die Betriebsführungsgesellschaft hatten die Arbeitnehmer darüber unterrichtet, dass ihre Arbeitsverhältnisse auf die Betriebsführungsgesellschaft übergehen würden. Sie waren der Auffassung, es läge ein Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 BGB vor.

Denn: Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Etwa drei Jahre später gab es dann wirtschaftliche Probleme; die Betriebsführungsgesellschaft kündigte u.a. ein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer wegen Stilllegung des gesamten Berliner Betriebs. Der Arbeitnehmer dieses Falls war auch von der Kündigung betroffen und bereits seit 1976 im Betrieb in Berlin als Schlosser beschäftigt. Der Schlosser erhob eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung durch die Betriebsgesellschaft und meinte, diese sei gar nicht zur Kündigung berechtigt, da sie nicht seine Vertragsarbeitgeberin sei.

Und tatsächlich wurde die Kündigungsschutzklage gegen die Betriebsgesellschaft abgewiesen. Das war in diesem Fall gut für den Arbeitnehmer, da das Arbeitsgericht angenommen hatte, dass zwischen dem Schlosser und der Betriebsgesellschaft tatsächlich kein Arbeitsverhältnis bestanden hatte. Nun klagte die („ehemalige“) tatsächliche Vertragsarbeitgeberin auf Feststellung, dass zwischen ihr und dem Schlosser kein Arbeitsverhältnis mehr besteht.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Diese Klage hat die Arbeitgeberin verloren. Das Arbeitsverhältnis war nicht durch einen Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB von der Arbeitgeberin auf die Betriebsführungsgesellschaft übergegangen. Ein Betriebsübergang setzt nämlich voraus, dass die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die insoweit die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt. Das war hier aber nicht gegeben, da die Arbeitgeberin letztendlich ihre Verantwortung für den Betrieb des Unternehmens nicht an die Betriebsführungsgesellschaft abgegeben hatte.

Außerdem prüfte das BAG, ob es dem Schlosser u.U. nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus § 242 BGB versagt gewesen sein könnte, sich auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitgeberin zu berufen. Denn immerhin hatte er eine Kündigungsschutzklage gegen die Betriebsführungsgesellschaft erhoben.

Trotzdem konnte er sich auf den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses mit seiner ursprünglichen Arbeitgeberin berufen, da die Abweisung der Kündigungsschutzklage des Schlossers gegen die Betriebsführungsgesellschaft für dieses Verfahren ohne Belang war. Das BAG hat parallel über fünf weitere, weitgehend gleich gelagerte Klagen entsprechend entschieden.

Folgerungen aus der Entscheidung

Für einen Betriebsübergang muss also ein Inhaberwechsel vorliegen. Es muss tatsächlich ein neuer Arbeitgeber in das Vertragsverhältnis mit den einzelnen Arbeitnehmern eintreten. Nur die ledigliche Erteilung einer umfassenden Generalvollmacht an einen Dritten wechselt gerade nicht eine Arbeitsvertragspartei aus.

Praxishinweis

Im Zweifel sollten also sowohl der alte Arbeitgeber als auch der vermeintlich neue Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen. Darüber hinaus sind bei Betriebsübergängen natürlich immer die Arbeitnehmer umfassend zu informieren. Darauf sollte der Arbeitgeber im eigenen Interesse achten. Andernfalls können Arbeitnehmer auch nach Monaten oder vielleicht sogar Jahren widersprechen und ihren alten Arbeitgeber „zurückverlangen“.

Nach § 613a Abs. 5 BGB sind von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer vom bisherigen Arbeitgeber oder vom neuen Inhaber in Textform zu unterrichten über

  • den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
  • den Grund für den Übergang,
  • die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
  • die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Ziel der Unterrichtung ist es, dass Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage erhalten. Sie sollen entscheiden können, ob sie dem Betriebsübergang widersprechen sollen oder nicht.

Die Gefahr besteht darin, dass in dem alten Betrieb nach dem Widerspruch kein Arbeitsplatz mehr vorhanden sein könnte. Der Arbeitnehmer läuft also nach Ausübung des Widerspruchs Gefahr, eine dann sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung des bisherigen Arbeitgebers zu erhalten. Das gilt es insbesondere auf Arbeitnehmerseite zu berücksichtigen.

BAG, Urt. v. 25.01.2018 – 8 AZR 338/16

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader