Sozialrecht -

Entzug der Kriegsopferversorgung

Einem ehemaligem KZ-Wachmann kann die Kriegsopferversorgung entzogen werden.

Denn die Bewachung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau durch Angehörige der SS verstieß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit.

Mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht die Auffassung eines Klägers zurückgewiesen, er habe als SS-Wachmann lediglich der massenhaften Vernichtung von Menschen durch das NS-Regime Vorschub geleistet, nicht aber selbst gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen.

Sachverhalt:

Der jetzt 83-jährige Kläger wurde im Oktober 1942 als Volksdeutscher in Kroatien zur Waffen-SS eingezogen und dem SS-Totenkopf-Sturmbann zugewiesen. Als Angehöriger des Wachsturmbanns beim KZ Auschwitz hatte er das Lager auf Wachtürmen und in Postenketten sowie Arbeitskommandos von Häftlingen außerhalb des Lagergebiets zu bewachen. Dazu gehörte auch der sog Rampendienst, d.h. die Absperrung der außerhalb des KZ gelegenen Rampe, auf der die ankommenden Häftlinge unmit­telbar nach dem Verlassen der Eisenbahnzüge zur Vernichtung oder zum Arbeitseinsatz selektiert wurden.

Mitte Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz geräumt, und der Kläger an die Front versetzt. Beim Kampf um Breslau verlor er sein rechtes Auge. Bis 1947 war er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, dann bis 1952 in polnischer Strafhaft. In Deutschland wurde ihm anschließend nach dem "Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges" (Bundesversorgungsgesetz) wegen des Augenverlustes u.a. Beschädigtengrundrente gewährt (aktueller Zahlbetrag: 118,-- € monatlich).

Am 21. Januar 1998 ist § 1a Bundesversorgungsgesetz in Kraft getreten. Danach sind Leistungen mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise zu entziehen, wenn der Berechtigte während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat und das Vertrauen des Berechtigten auf die fortwährende Gewährung der Leistung im Einzelfall auch angesichts der Schwere der begangenen Verstöße nicht überwiegend schutzwürdig ist. Gestützt auf diese Vorschrift entzog das beklagte Land dem Kläger ab 1. Januar 2000 die Versor­gungsleistungen (Grundrente und Heilbehandlung).

Entscheidung:

Sozialgericht und Landessozialgericht haben diese Entscheidung bestätigt. Das Bundessozialgericht hat den Wachdienst ebenfalls als konkreten Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit gewertet. Gleichwohl hat es das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Das Tatsachengericht wird noch zu klären haben, ob der Kläger mit zwei - erfolglosen - Versetzungsgesuchen alles ihm Zumutbare getan hat, um sich dem Dienst im KZ zu entziehen.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 06.07.06